Rz. 949

Nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig (solche) selbstständig tätige Personen, die

a) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
 

Rz. 950

Zu den die Rentenversicherungspflicht des Selbstständigen ausschließenden versicherungspflichtigen Arbeitnehmern i.S.d. § 2 S. 1 Nr. 9a SGB VI gehören auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben, § 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI (Auszubildende). Hierzu zählen jedoch nicht geringfügig Beschäftigte, selbst wenn sie in ihrer geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig sind, § 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI (bei Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit oder bei Versicherungspflicht infolge Zusammenrechnung). Als Arbeitnehmer im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 9 gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft, § 2 S. 2 Nr. 3 SGB VI.

 

Rz. 951

Das BSG sieht als kennzeichnend für den Personenkreis der Selbstständig Tätigen nicht die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, sondern vielmehr typische Tätigkeitsmerkmale an. Wer ohne versicherungspflichtigen Arbeitnehmer selbstständig tätig wird, sei typischerweise nicht in der Lage, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass er sich außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung absichern könne, und damit nach seiner wirtschaftlichen Lage sozial schutzbedürftig sei (vgl. dem BSG zustimmend: LSG Baden-Württemberg v. 11.10.2021 – L 11 R 399/20, juris Rn 43; BSG v. 23.4.2015 – B 5 RE 21/14 R, juris). Die weitere Voraussetzung der Tätigkeit nur für einen Auftraggeber sei in gleichem Maße aussagekräftig. Sie indiziere eine wirtschaftliche Abhängigkeit und damit ebenfalls typisierend soziale Schutzbedürftigkeit. Auf eine konkrete wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit komme es nicht an (vgl. BSG v. 23.4.2015 – B 5 RE 21/14 R, juris).

 

Rz. 952

Wer als Auftraggeber anzusehen ist, ergibt sich – mangels eines eindeutigen Wortsinns – aus der Gesetzgebungsgeschichte. Der Begriff des Auftraggebers erfasst nach der Rechtsprechung jede natürliche oder juristische Person oder Personenmehrheit, die im Wege eines Auftrags oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt (vgl. LSG Hessen v. 6.10.2016 – L 8 KR 208/14 Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereines; LSG Bayern v. 3.6.2016 – L 1 R 679/14 Kaufmann für Versicherungen und Finanzen).

 

Rz. 953

Die Gründung einer GmbH allein befreit einen selbstständig Tätigen mit (nur) einem Auftraggeber – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – nicht von der Rentenversicherungspflicht. Bleibt es nach Gründung der GmbH dabei, dass der bisher einzige Auftraggeber auch der einzige Auftraggeber der GmbH ist, greift § 2 S. 1 Nr. 9b 2. Hs SGB VI ein, wonach bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten. Es ist also nichts gewonnen. Ein Ausweg kann in der Beschäftigung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers liegen, da dann das kumulativ erforderliche weitere Kriterium des § 2 S. 1 Nr. 9a SGB VI entfällt. Siehe auch oben Rdn 906 sowie Rdn 900 und 908 sowie zur arbeitsrechtlichen Sicht Rdn 806.

 

Rz. 954

Die Voraussetzung auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber gem. § 2 S. 1 Nr. 9b SGB VI tätig zu sein, bewirkt, dass durch eine Tätigkeit in nur unbedeutendem Umfang für andere Auftraggeber die Rentenversicherungspflicht des selbstständig Tätigen nicht entfällt. Für die Prüfung dieser Voraussetzungen ist nicht allein auf die vertraglichen Ausgestaltungen und Unternehmenskonzepte abzustellen. Vielmehr kommt den tatsächlichen Verhältnissen die ausschlaggebende Bedeutung zu. Für Selbstständige mit einem Auftraggeber, die aufgrund ihres Unternehmenskonzeptes beabsichtigen, zukünftig für mehrere Auftraggeber zu arbeiten und dann nicht mehr die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI erfüllen, wurde die Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1a SGB VI – Existenzgründer – geschaffen (s.u. Rdn 966 ff.).

 

Rz. 955

Von einer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt. Hierbei sind neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei einer im Voraus begrenzten lediglich vorübergehenden Tätigkeit für einen Auftraggeber (insb. bei projektbezogenen Tätigkeiten) wird grds. keine Dauerhaftigkeit dieser Tätigkeit für nur einen Auftraggeber vorliegen, wenn die Begrenzung innerhalb eines Jahres liegt; im Einzelfall kann auch bei längeren Projektzeiten keine dauerhafte Tät...

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