Rz. 87

Die Praxis der einzelnen Landesstiftungsbehörden bei der Anerkennung von unternehmensverbundenen Familienstiftungen war früher in hohem Maße unterschiedlich und oft bedenklich,[123] was angesichts der relativ wenigen Stiftungsgestaltungen in der Praxis allerdings auch kaum überraschen konnte. Es hatte sich ob der geringen Zahl unternehmensverbundener Stiftungen in der Vergangenheit keine bundesweit einheitliche Praxis ausgebildet. Man sprach – überspitzt formuliert – von "stiftungsfreundlichen" und "stiftungsfeindlichen" Bundesländern, wenngleich es natürlich immer auf den im Einzelfall tätigen Stiftungsreferenten ankam. Es ist davon auszugehen, dass dieser Befund angesichts des insoweit klaren aktuellen Stiftungszivilrechts[124] überholt ist.

 

Rz. 88

Eine Stiftungskonstruktion im Unternehmensbereich bietet dem Unternehmer, seinem Nachfolger und dem Unternehmen als sozialer Einheit vor allem den Vorteil der Sicherung der Unternehmenskontinuität.[125] Damit kann insb. im objektivierten Interesse aller Beteiligten auch den Gefahren wirkungsvoll begegnet werden, die sich für Familienunternehmen bei einer Mehrzahl von Erben ergeben. Dieser besondere Vorteil der Kontinuität kann jedoch im negativen Fall mit mangelnder Flexibilität einhergehen.

 

Rz. 89

 

Hinweis

Die Sicherung der Unternehmenskontinuität ist einer der hervorragenden Gründe, warum mittelständische Unternehmer sich in ganz bewusster Wahrnehmung ihrer Verantwortung für das Unternehmen und die Unternehmerfamilie für Stiftungslösungen zur Regelung der Unternehmensnachfolge interessieren und sich ggf. zu einer solchen Lösung entschließen. Mögliche Wünsche nach Veräußerung oder Auszahlung der Anteile zu Lasten der Unternehmensliquidität entfallen bei einer Stiftungskonstruktion. Dieser besondere Vorteil der Kontinuität kann jedoch im negativen Fall mit mangelnder Flexibilität einhergehen.

 

Rz. 90

Der Stifter/Unternehmer sollte deshalb, wenn er eine Stiftungsgestaltung im Interesse des Unternehmens wählt, gemeinsam mit seinem Berater besonders darauf achten, dass die Stiftungsgestaltung die für das Unternehmen erforderliche Flexibilität gewährt. Die Stiftungssatzung kann nur in dem durch den tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Stifters gesetzten (engen) Rahmen geändert werden; für die Änderung ist außerdem grundsätzlich die Zustimmung der Stiftungsaufsicht erforderlich. Folglich können auch Unternehmen, die in Form von Stiftungskonstruktionen gestaltet sind, auf Änderungen ihres Marktes und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch eine Änderung der Unternehmensstruktur nur bedingt reagieren – jedenfalls solange die Stiftungskonstruktion beibehalten werden soll.

 

Rz. 91

 

Hinweis zur Satzungsgestaltung insb. bei einer unternehmensverbundenen Stiftung

Durch eine sorgfältige Gestaltung der Stiftungskonstruktion und eine überlegte Formulierung der Stiftungsverfassung kann allerdings ein erhöhtes Maß an Flexibilität erreicht werden.

So kann den Stiftungsorganen in der Stiftungsverfassung beispielsweise ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt werden, Anpassungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse im Bereich der Stiftung durchzuführen. Die Stiftungsaufsichtsbehörde darf, da sie den in der Satzung dokumentierten Stifterwillen zu beachten hat, die Zustimmung zu einem geänderten, den neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechenden Verhalten der Stiftung grundsätzlich nicht verweigern.
Denkbar ist außerdem z.B. eine Ermächtigung in der Stiftungssatzung zu einem Wechsel der Rechtsform des Unternehmens in besonderen Fällen. Hinzuweisen ist auch auf die Möglichkeit, in dem Gesellschaftsvertrag einer Stiftung & Co. (KG) den Ausschluss der Komplementär-Stiftung im Wege eines Mehrheitsbeschlusses der Kommanditisten vorzusehen. Ersichtlich ergibt sich in diesen Fällen als Preis für die erhöhte Flexibilität aber die Konsequenz, dass die möglicherweise vom Stifter gewünschte "ewige" Verbindung zwischen Unternehmen und Stiftung in letzter Konsequenz gelöst werden könnte.

Diese Möglichkeiten sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Flexibilität von Personen- und Kapitalgesellschaften bei einer Stiftungskonstruktion nicht erreicht werden kann.

 

Rz. 92

Es ist ein allgemein beklagter Umstand, dass die Kapitaldecke deutscher Unternehmen – insb. deutscher Familienunternehmen – oftmals recht dünn ist. Die finanziellen Möglichkeiten der Unternehmerfamilien reichen gerade in Zeiten neuer wirtschaftlicher Herausforderungen nur bedingt aus, um das für das Unternehmen erforderliche Kapital zur Verfügung zu stellen. Ab Ende der 80er Jahre haben sich daher zahlreiche Unternehmerfamilien dazu entschlossen, mit ihren Unternehmen an die Börse zu gehen, um dort das erforderliche Kapital zu beschaffen und so die Kapitalbasis für ihr Unternehmen zu verbreitern. Unternehmen, die in Form einer Stiftungskonstruktion gestaltet sind, ist das jedenfalls auf direktem Weg verschlossen. Da gegenwärtig allein der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesells...

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