a) Invaliditätsbemessung

 

Rz. 197

Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme (am Schadentag versicherte Invaliditätsgrundsumme) und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Es gilt eine Gliedertaxe, Ziff. 2.1.2.2.1 AUB 2014. Für Verletzungen von nicht in der Gliedertaxe genannten Körperteilen erfolgt eine Bewertung außerhalb der Gliedertaxe, Ziff. 2.1.2.2.2 AUB 2014. Eine Bewertung nach der Gliedertaxe geht einer Bewertung außerhalb der Gliedertaxe vor,[342] klargestellt in Ziff. 2.1.1.1 AUB 2014 durch die neue Formulierung "ansonsten". Es ist die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit zu bewerten.

[342] OLG Celle v. 9.1.1991 – 8 U 72/90, r+s 1991, 179.

aa) Bewertung nach der Gliedertaxe (Ziff. 2.1.2.2.1)

 

Rz. 198

Mit der Gliedertaxe werden feste Invaliditätsgrade für den Verlust oder die Funktionsfähigkeit der in der Gliedertaxe genannten Körperteile und Sinnesorgane vereinbart. Der Nachweis einer höheren oder geringeren Beeinträchtigung ist damit ausgeschlossen. Es gilt ein abstrakt generalisierender Maßstab. Eine konkrete Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der VP in Beruf, Erwerbsleben, Sport und Freizeit bleibt außer Betracht.[343]

Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsunfähigkeit ergibt sich die Leistung aus dem entsprechenden Anteil, zu dem das Körperteil bzw. Sinnesorgan beeinträchtigt ist. Abgestellt wird auf den Wert für das gesamte Körperglied, also beim Arm auf den Armwert.[344] Der Anteil wird als Bruchteil angegeben (z.B. 1/10 Armwert).

 

Rz. 199

Der Verlust oder die Beeinträchtigung eines rumpfnäheren Gliedes schließt den Verlust oder die Beeinträchtigung des rumpfferneren Gliedes ein.[345]

 

Beispiel

Beim Verlust einer Hand geht der Verlust der Finger in dem höheren Invaliditätsgrad der Hand mit auf.

Die Beeinträchtigung eines Fingers bedeutet aber umgekehrt nicht automatisch auch eine Teilfunktionsunfähigkeit der Hand.[346] Mit abgegolten ist die über das rumpffernere Körperglied hinaus strahlende Beeinträchtigung des rumpfnäheren Körpergliedes, wie z.B. bei einer Fingergelenksversteifung der mangelnde Faustschluss.

 

Hinweis

Sind der rechte Oberarm und ein Finger der rechten Hand geschädigt, dann ist die Invalidität in einem Wert, hier Armwert, auszudrücken. Es wäre falsch einen Arm- und eine Fingerwert anzugeben.

 

Rz. 200

Richtigerweise ist auf den Sitz der Wirkung abzustellen, also auf den Sitz der Funktionsbeeinträchtigung,[347] nicht hingegen auf den Sitz der primären Verletzung (vgl. auch Rdn 17).[348]

[343] BGH v. 4.4.1984 – IVa ZR 17/83, VersR 1984, 576, 577; BGH v. 10.10.1966 – II ZR 252/64, VersR 1966, 1133.
[344] A.A. LG Berlin v. 19.6.2013 – 23 O 236/11, VersR 2014, 577, das auf den Teil-Armwert abstellt. Mit dieser Ansicht kann die anerkannte, medizinisch-anatomisch Bewertungssystematik nicht mehr angewendet werden. Wohl auch diesem Verständnis folgend BGH v. 1.4.2015 – IV ZR 104/13, zfs 2015, 450.
[346] BGH v. 23.1.1991 – IV ZR 60/90, VersR 1991, 413; OLG Köln v. 26.11.1992 – 5 U 37/92, r+s 1993, 318, 319.
[348] Vgl. zum Streit Naumann/Brinkmann, § 5 Rn 47 ff. m.w.N.

bb) Bewertung außerhalb der Gliedertaxe (Ziff. 2.1.2.2.2)

 

Rz. 201

Sofern die Invalidität nicht nach der Gliedertaxe bewertet werden kann, bemisst sie sich nach Ziff. 2.1.2.2.2 AUB 2014, also danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist. Es geht um den Funktionsausfall bzw. die Funktionsbeeinträchtigung der betroffenen Körperteile oder Organe.[349] Das soziale Umfeld, wie z.B. die Berufstätigkeit der VP, bleibt unberücksichtigt.[350] Maßstab ist die normale Leistungsfähigkeit einer unverletzten Person gleichen Alters und gleichen Geschlechts.

Die Beeinträchtigungen können neben Verletzungen stehen, die nach der Gliedertaxe zu bewerten sind. Überschneidungen kann es auch geben, wenn z.B. eine Hirnverletzung zum Funktionsverlust eines Beins führt. Die Funktionsbeeinträchtigung des Beins bemisst sich dann nach der Gliedertaxe, weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen des Gehirns werden entsprechend Ziff. 2.1.2.2.2 bemessen.

Bei mehreren Beeinträchtigungen außerhalb der Gliedertaxe ist nach Ziff. 2.1.2.2.4 AUB 2014 die Beeinträchtigung außerhalb der Gliedertaxe als einheitlicher Wert festzustellen.[351]

[349] Beckmann-Mangen, § 47 Rn 193.
[350] Grimm, Ziff. 2 Rn 43.
[351] OLG München v. 5.2.2010 – 25 U 5112/09, r+s 2011, 130.

cc) Unfallbedingte Gesamtinvalidität

 

Rz. 202

Bei der Berechnung der unfallbedingten Invalidität werden die Werte der betroffenen Körperglieder und die Werte außerhalb der Gliedertaxe zur Gesamtinvalidität addiert. Die Invaliditätsleistung ist jedoch auf 100 % begrenzt, selbst wenn sich aus der Addition der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen rechnerisch ein höherer Invaliditätsgrad ergeben würde, Ziff. 2.1.2.2.4 S. 3 AUB 2014.

 

Rz. 203

Eine bereits vor dem Unfall bestehende Invalidität wird nach allen Bed...

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