Rz. 55

Pacta sunt servanda.[51]

 

Rz. 56

 

Zum Thema

Siehe auch Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 2. Aufl. 2008, § 2 F, Rn 347 ff.

 

Rz. 57

Der Abfindungsvergleich wird nicht dadurch hinfällig, dass sich der Gesundheitszustand oder die Einkommenssituation des Geschädigten zum Positiven oder Negativen verändert. Auch Fehleinschätzungen für die Zukunft gehören zur Natur eines Risikovergleiches. Ebenso wenig wie bei Verbesserung gegenüber seiner eingeschätzten Situation der Geschädigte an den Ersatzleistenden nichts zurückzahlen muss hat der Ersatzpflichtige nachzulegen, wenn sich die künftige Entwicklung schlechter darstellt als vom Geschädigten erwartet.

 

Rz. 58

Es entspricht dem Wesen eines Abfindungsvergleiches, dass bei ihm Leistung und Gegenleistung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (wie z.B. bei einem Kauf oder der Miete) stehen; daher können Äquivalenzstörungen nicht ohne weiteres die Abänderung des Vergleiches rechtfertigen.[52] Nur unter besonderen Umständen kommt eine Abänderung (§§ 157, 242 BGB) in Betracht, wenn dieses erforderlich ist, um die von den Parteien gewollten und verfolgten Zwecke zu erreichen (dazu siehe Rn 85 ff.).

 

Rz. 59

In der Praxis als "Irrtumsanfechtung" (§ 119 BGB) bezeichnete Anfechtungserklärungen erweisen sich häufig als rechtlich unbeachtlicher Motiv- oder Kalkulationsirrtum.[53] Ein Kalkulationsirrtum berechtigt grundsätzlich selbst dann nicht zur Anfechtung, wenn der Erklärungsempfänger diesen erkannt hat; allerdings kann aus Treu und Glauben bzw. culpa in contrahendo der Erklärungsempfänger zum Hinweis auf den Kalkulationsfehler verpflichtet sein.[54]

 

Rz. 60

Stirbt ein Verletzter später unfallkausal und entstehen den Hinterbliebenen nunmehr Unterhaltsschäden, erfasst ein Abfindungsvergleich wegen der Verdienstausfallansprüche nicht den Unterhaltsschaden (siehe § 2 Rn 678 ff.).[55]

 

Rz. 61

Nimmt der Geschädigte einen ihm angebotenen Abfindungsvergleich nicht an, kann er nicht darauf vertrauen, der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer werde sich gegenüber dem Anspruch nicht auf Einwendungen, insbesondere nicht auf fehlende Aktivlegitimation infolge einer Legalzession, berufen.[56] Umgekehrt kann ein Geschädigter, der in Folge eines Unfalls Rentenleistungen des gesetzlichen UVT erhalten hat, in Höhe dieser Leistungen den dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichteten Haftpflichtversicherer nicht aus einem zum Ausgleich des Verdienstausfallschadens geschlossenen Abfindungsvergleich in Anspruch nehmen, wenn er den Haftpflichtversicherer vor Abschluss des Vergleichs pflichtwidrig nicht auf die zu jenem Zeitpunkt bereits anerkannte Leistungspflicht des SVT hingewiesen hat.[57] Es gibt keine Rechtspflicht, einem anwaltlich vertretenen Geschädigten zu erkennen zu geben, dass gegen weitere zukünftige Forderungen Einwendungen erhoben würden, wenn sich die Gegenpartei nicht auf einen vorgeschlagenen Abfindungsvergleich einlassen würde. Jeder Partei – erst recht aber jeder anwaltlich vertretenen Partei – muss klar sein, dass die Ablehnung eines vom Haftpflichtversicherer angebotenen Abfindungsvergleichs dazu führen kann und häufig auch führen wird, dass zukünftige Forderungen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln in Frage gestellt und abgewehrt werden.[58]

[51] Der Satz entstammt – anders als vielleicht erwartet – nicht dem römischen Recht, sondern wurde erst im Mittelalter entwickelt. Dazu Landau "Pacta sunt servanda. Zu den kanonistischen Grundlagen der Privatautonomie" in: Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert – Festschrift für Knut Wolfgang Nörr, 2003, S. 457 ff.
[53] BGH v. 23.10.1998 – BLw 19/98 – AgrarR 1999, 56 = BB 1999, 1058 = NJ 1999, 147 = RdL 1999, 18 = WM 1999, 494 (Das Unternehmen, das aufgrund einer für richtig gehaltenen Bilanz einen Abfindungsanspruch ermittelt und seinem Vertragsangebot zugrunde legt, hat das Risiko, dass die Berechnung zutrifft, selbst zu tragen); BGH v. 7.7.1998 – X ZR 17/97 – BauR 1998, 1089 = BGHZ 139, 177 = DB 1998, 1909 = EWiR 1998, 871 (nur Ls.) (Anm. Medicus) = IBR 1998, 419 (nur Ls.) (Anm. Dähne) = JR 1999, 153 (Anm. Peters) = JuS 1979, 79 (nur Ls.) (Anm. Emmerich JuS 1999, 79 und Waas JuS 2001, 14) = JZ 1999, 365 (Anm. Singer JZ 1999, 342) = MDR 1999, 216 = NJW 1998, 3192 = WM 1998, 2375; OLG Hamm v. 21.2.2005 – 13 U 25/04 – NJW-RR 2006, 65 = NJW-Spezial 2005, 544 = VersR 2006, 562 (Erledigung eines Rechtsstreites durch auf fehlerhaftem Sachverständigengutachten beruhendem Vergleich).
[54] BGH v. 16.8.2008 – VI ZR 296/07 – BGHReport 2009, 55 = jurisPR-VerkR 25/2008, Anm. 1 (Anm. Lang) = NJW-RR 2008, 1716 = NJW-Spezial 2008, 714 = r+s 2009, 83 = SP 2008, 431 = VersR 2008, 1648 = zfs 2009, 144; BGH v. 7.7.1998 – X ZR 17/97 – BauR 1998, 1089 = BGHZ 139, 177 = DB 1998, 1909 = EWiR 1998, 871 (nur Ls.) (Anm. Medicus) = IBR 1998, 419 (nur Ls.) (Anm. Dähne) = JR 1999, 153 (Anm. Peters) = JuS 1979, 79...

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