Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 21 O 37/01)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der vorliegende Rechtsstreit (Schadensersatzforderung des Klägers) durch den Vergleich vom 8.11.2004 vor dem Senat erledigt ist.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der am 27.12.1972 geborene Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 19.7.1994 auf der A ... schwer verletzt. Für den ihm entstandenen Schaden ist die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfange ersatzpflichtig. Nach der gerichtlichen und außergerichtlichen Regelung der immateriellen Schäden und diverser anderer Schadenspositionen einschließlich des Erwerbsschadens bis Ende 2000 verlangt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit Ausgleich seines Erwerbsschadens ab dem 1.1.2001 sowie Feststellung der Maßstäbe für die künftige Berechnung des Erwerbsschadens. Durch Urt. v. 26.11.2003 hat das LG durch Teilurteil die Beklagte zur Zahlung von 12.287,27 EUR nebst Zinsen sowie zur Zahlung eines weiteren Betrages von 4.149,27 EUR verurteilt und die weiter gehende Leistungsklage abgewiesen. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag hat das LG dem Schlussurteil vorbehalten. Dagegen haben der Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt. Nach ergänzender Anhörung des in erster Instanz beauftragten Sachverständigen A über die Höhe des in Betracht kommenden Verdienstausfallschadens im Senatstermin vom 14.6.2004 und im Termin vom 8.11.2004 haben die Parteien in dem zuletzt genannten Termin einen umfassenden Prozessvergleich geschlossen, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift vom 8.11.2004 Bezug genommen wird. Maßgeblich für die Berechnung des Betrages von 300.000 EUR, den die Beklagte zur Abgeltung aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 19.7.1994 zahlen sollte, waren die von dem Sachverständigen dargelegten Ergebnisse seiner Prognose über die Entwicklungs- und Verdienstmöglichkeiten des Klägers in seinem Beruf als Druckergeselle, den er nach Abschluss der Ausbildung im Jahre 1994 aufgrund des Unfallereignisses aufgeben musste und in dem er nicht mehr arbeiten kann.

Mit Schreiben vom 7.12.2004 teilte der Sachverständige mit, dass er nach Durchsicht der Unterlagen nachträglich leider festgestellt habe, dass in der Berechnungsgrundlage seines Gutachtens bei der Übertragung von der ursprünglichen Excel-Datei in die Word-Datei Fehler aufgetreten seien, die zu wesentlichen, zu Ungunsten des Klägers ausfallenden Korrekturen Anlass geben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 542, 543 d.A. Bezug genommen. Die Beklagte hat deshalb den Vergleich vom 8.11.2004 angefochten. Sie will den Rechtsstreit fortsetzen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass infolge des Vergleichs vom 8.11.2004 die Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Der Rechtsstreit der Parteien ist nach Abschluss des Vergleichs vom 8.11.2004 und dessen Anfechtung durch die Beklagte nicht vor dem Senat fortzusetzen. Demgemäß war auszusprechen, dass der Rechtsstreit erledigt ist.

1. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Vergleich unwirksam sei. Ein Vergleich ist nach § 779 Abs. 1 BGB, der auch auf Prozessvergleiche anwendbar ist (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 779 Rz. 1, 29), dann unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrundegelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Geregelt wird hier der Fall eines beiderseitigen Irrtums über einen Umstand, der außerhalb des Streits der Parteien lag (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 779 Rz. 1). Die Richtigkeit der Berechnung eines gerichtlichen Sachverständigen ist kein von den Parteien als feststehend zugrundegelegter Sachverhalt, der der Wirklichkeit nicht entspricht. Die Beklagte befand sich vielmehr in einem tatsächlichen Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig oder ungewiss angesehen wurde, nämlich in dem Irrtum über die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Klägers. Zu diesem Streitgegenstand ist durch die Beauftragung des Sachverständigen A Beweis erhoben und dessen Ergebnisse sind bei der Streitbeilegung zugrundegelegt worden. Die Parteien sind gerade nicht übereinstimmend von einer bestimmten Höhe des Anspruchs auf Zahlung einer monatlichen Rente nach § 843 Abs. 1 BGB ausgegangen; vielmehr wurde durch die Beweisaufnahme die Berechnungsgrundlage für den späteren Abfindungsvergleich durch das Gutachten erst ermittelt (BGHR BGB, § 779 Abs. 1; BGH NJW 2000, 2497). Für streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen die Parteien zur Streitbeilegung im Vergleich regeln, die in Wahrheit aber von den angenommenen Größen abweichen, übernehmen die Parteien selbst das Risiko. Der Fall des § 779 Abs. 1 betrifft dagegen wie dargelegt einen beiderseit...

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