Rz. 17

Der Geschädigte hat für seinen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zunächst die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Haftungsgrundes darzulegen und gemäß den strengen Anforderungen des § 286 ZPO[55] zu beweisen[56] (zum vertraglichen Ersatzanspruch vgl. § 4 Rdn 13 ff.).

 

Rz. 18

Diese Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich grds. darauf, dass

eine – vom Willen beherrschte – Verletzungshandlung (vgl. aber §§ 827, 828 BGB: siehe Rdn 21) des in Anspruch genommenen Schädigers vorliegt und diese – vorbehaltlich eines vom Schädiger zu beweisenden Rechtfertigungsgrundes – widerrechtlich ist, soweit ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung nicht indiziert ist (vgl. Rdn 8 ff.);[57]
dem Schädiger ein Verschulden vorzuwerfen ist[58] – die Beweisregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB grds. nicht anzuwenden[59] – und
ein adäquater Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Handeln und der ersten Rechtsgutverletzung (haftungsbegründende Kausalität) besteht.[60]
 

Rz. 19

Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Arzthaftung,[61] Produzentenhaftung,[62] Kapitalanlageberatung[63] und der Haftung für Immissionsschäden[64] Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr entwickelt hat, sind diese auf die Besonderheiten dieser Haftungsbereiche zugeschnitten[65] und deswegen auf anders gelagerte Haftungstatbestände aus unerlaubter Handlung nicht übertragbar.[66]

 

Rz. 20

Der Beweis des Verschuldens kann dadurch erleichtert sein, dass eine feststehende objektive Pflichtverletzung ein Verschulden indiziert.[67]

 

Rz. 21

Im Rahmen der §§ 827, 828 BGB (vgl. § 829 BGB) hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass seine Schadenshandlung im Zustand der Bewusstlosigkeit vorgenommen worden ist oder ihm die Zurechnungs- und Schuldfähigkeit gefehlt hat.[68] Einen Haftungsgrund aus § 827 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen.

 

Rz. 22

Die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten für den konkreten Haftungsgrund kann durch den Beweis des ersten Anscheins erleichtert, aber nicht umgekehrt werden (zur Vertragshaftung vgl. § 5 Rdn 21 ff.). Danach kann bei einem typischen Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung von einer bestimmten – typischen – Ursache auf einen bestimmten – typischen – Erfolg und umgekehrt geschlossen werden.[69] Der Schädiger kann dem Anscheinsbeweis die Grundlage entziehen, indem er Umstände aufzeigt und diese notfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen – atypischen – Geschehensablaufs ergibt, der vom erfahrungsgemäß normalen Lauf der Dinge abweicht; gelingt dies, so verbleibt dem Geschädigten die uneingeschränkte Beweislast für die Voraussetzungen seines Anspruchs.[70]

Wer der in Anspruch genommenen Partei schuldhaft die Möglichkeit beschneidet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, kann sich nicht auf dessen Beweiserleichterung berufen.[71]

[55] Dazu BGHZ 53, 245, 255 f. = NJW 1970, 946; BGH, NJW 1993, 935, 937; BGH, NJW 1998, 2969, 2971.
[56] BGHZ 4, 192, 196 f. = NJW 1952, 301; BGHZ 29, 393, 398 = NJW 1959, 1079; BGHZ 51, 91, 104 = NJW 1969, 269; BGH, NJW 1968, 2291, 2293; BGH, NJW 1983, 998; BGH, NJW 1987, 705 f.; BGH, NJW 1992, 3298; BGH, NJW 1993, 3073, 3076; BGH, NJW 1997, 2748.
[57] BGHZ – GSZ – 24, 21, 28 = NJW 1957, 785; BGHZ 39, 103, 106 f., 108 = NJW 1963, 953.
[58] BGHZ – GSZ – 24, 21, 28 = NJW 1957, 785; BGHZ 39, 103, 108 f. = NJW 1963, 953; BGH, VersR 1986, 765, 766.
[59] BGH, VersR 1986, 765, 766, zu § 282 BGB a.F.
[60] BGHZ 4, 192, 196 f. = NJW 1952, 301; BGH, NJW 1968, 2291, 2293; BGH, NJW 1983, 998; BGH, NJW 1987, 705 f.; BGH, NJW 1992, 3298; BGH, NJW 1993, 3073, 3076; BGH, NJW 1997, 2748.
[61] BGH, NJW 1989, 2945, 2946; BGH, NJW 1995, 1611, 1612; BGH, NJW 1996, 779, 780 f.; BGH, NJW 2005, 427, 428.
[62] BGHZ 104, 323, 332 ff. = NJW 1988, 2611; BGH, NJW 1993, 528, 529; BGH, NJW 1999, 1028, 1029.
[64] BGHZ 92, 143, 148 ff. = NJW 1985, 47.
[65] BGH, NJW 1992, 3298, 3299, für die Arzthaftung.
[66] Vgl. für die vertragliche Anwaltshaftung: BGHZ 126, 217, 223 = WM 1994, 2113; BGH, 15.5.2014 – IX ZR 267/12, WM 2014, 1379, Tz. 3; BGH, 5.6.2014 – IX ZR 235/13, Tz. 2, n.v.
[67] BGH, VersR 1986, 765, 766.
[68] Zu § 827 BGB: BGHZ 39, 103, 108 = NJW 1963, 953; BGHZ 98, 135, 137 ff. = NJW 1987, 121; BGHZ 102, 227, 229 f. = NJW 1988, 822; BGHZ 111, 372, 374 = NJW 1990, 2387; zu § 828 BGB: BGHZ 39, 103, 108 = NJW 1963, 953; BGH, VersR 1970, 467, 468.
[69] BGHZ 39, 103, 107 = NJW 1963, 953; BGHZ 100, 214, 216 = NJW 1987, 1944; BGHZ 123, 311, 315 ff. = NJW 1993, 3259; BGH, WM 1993, 1513, 1516; BGH, NJW 1998, 79, 81; BGH, NJW 2001, 1140, 1141; BGH, NJW 2004, 3623.
[70] BGHZ 2, 1, 5 = NJW 1951, 653; BGHZ 39, 103, 107 f. = NJW 1963, 953; BGH, WM 1993, 1513, 1516; BGH, VersR 1995, 723, 724; BGH, WM 1998, 301, 303.

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