Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung des Trägers eines kommunalen Krankenhauses bei Pflichtverletzung bezüglich der Erleichterung einer Testamentserrichtung durch Patienten

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Zur Frage, welche Organisations- und Fürsorgemaßnahmen von Krankenhausträger und -personal getroffen werden müssen, um einem testierwilligen Patienten die Errichtung eines wirksamen Testamentes zu ermöglichen (Ergänzung zum Senatsurteil vom 13. Februar 1958 - III ZR 187/56 = NJW 1958, 2107).
  2. Zur Beweislast für die Ursächlichkeit zwischen einem Organisationsmangel und dem Nichtzustandekommen eines wirksamen Testamentes.
  3. Ist unter pflichtwidriger Mitwirkung des Krankenhauspersonals ein formunwirksames Testament errichtet worden, so kann das Personal verpflichtet sein, die dadurch geschaffene Gefahrenlage durch geeignete und zumutbare Maßnahmen, nämlich durch Einwirken auf den Patienten, ein wirksames Testament zu errichten, wieder zu beseitigen.
 

Normenkette

BGB § 2247 Abs. 1, § 2250

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. Februar 1988 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

 

Tatbestand

Am 26. Juni 1986 verstarb im Kreiskrankenhaus T., dessen Träger der beklagte Landkreis ist, die 78-jährige Frau Maria B. (im folgenden: Erblasserin). Diese war mit dem vorverstorbenen Fidel B. in dessen zweiter Ehe verheiratet gewesen. Die Ehegatten hatten am 4. Juli 1975 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und die drei Kinder des Ehemanns aus erster Ehe zu Erben des Überlebenden eingesetzt hatten. Der Überlebende war jedoch ermächtigt, die Erbeinsetzung nach ihm abzuändern oder aufzuheben.

Die Erblasserin war an einem unheilbaren Krebsleiden erkrankt, wußte dies und rechnete damit, nicht mehr lange zu leben. Während ihres letzten Aufenthalts im Krankenhaus des Beklagten äußerte sie gegenüber Stationsarzt und Schwestern den Wunsch, ein Testament zu errichten. Am 20. Juni 1986 diktierte sie dem Stationsarzt Dr. B. ihren letzten Willen. Dieses Schriftstück unterschrieben der Stationsarzt, eine Krankenschwester und die Erblasserin, diese mit dem Zusatz: "Dies ist mein letzter Wille". In diesem Testament wurde die Erbfolge geändert und u.a. bestimmt, daß die Klägerin, eine Enkelin des Ehemanns der Erblasserin, 10.000,00 DM erhalten sollte.

Später erklärte sich die Erblasserin auf Anraten des Krankenhauspersonals damit einverstanden, daß ein Notar hinzugezogen werde. Dieser wurde auf Donnerstag, den 26. Juni 1986, vormittags bestellt. Kurz vor diesem Zeitpunkt verstarb die Erblasserin, nachdem sich ihr Zustand in der Nacht verschlechtert hatte. Die in dem Testament vom 4. Juli 1975 eingesetzten Erben berufen sich auf die Formunwirksamkeit des späteren Testaments vom 20. Juni 1986 und verweigern der Klägerin die Auszahlung des Betrages von 10.000,00 DM.

Die Klägerin ist der Auffassung, der beklagte Landkreis habe die ihm obliegende Amtspflicht verletzt, durch organisatorische Maßnahmen dafür Vorsorge zu treffen, daß lebensbedrohlich erkrankte Patienten auf Wunsch rechtzeitig ein wirksames Testament errichten könnten. Sie nimmt den Beklagten auf Ersatz der ihr entgangenen Zuwendung in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dem beklagten Landkreis falle ein Mangel in der Organisation des Krankenhauses zur Last, weil der Beklagte die Ärzte und das pflegerische Personal nicht darüber belehrt habe, wie sie sich zu verhalten hätten, wenn ein Patient den Wunsch äußere, ein Testament zu errichten. Die Krankenhausbediensteten hätten darauf hingewiesen werden müssen, daß sie sich im Falle solcher Testierwünsche einer eigenen Mitwirkung bei der Errichtung von Testamenten, außer bei Nottestamenten, zu enthalten hätten, sondern ein Notar hinzugezogen werden müsse. Wäre ein solcher Hinweis erteilt worden, so hätte der Stationsarzt Dr. B. die Niederschrift des Testaments vom 20. Juni nicht gefertigt und es hätte sich bei der Erblasserin nicht die irrige Auffassung bilden können, dieses Testament sei wirksam. Die Klägerin habe jedoch nicht bewiesen, daß ihr durch diesen Organisationsmangel ein Schaden entstanden sei. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, daß die Erblasserin, wenn die formunwirksame Niederschrift vom 20. Juni 1986 unterblieben wäre, in den folgenden Tagen noch ein wirksames Testament errichtet hätte.

Dies hält den Angriffen der Revision stand.

II.

1.

Es kann dahinstehen, ob Grundlage für den Schadensersatzanspruch der Klägerin die Amtshaftung nach §§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder die Verletzung einer zugunsten der Klägerin bestehenden Schutzpflicht aus dem Krankenhausaufnahmevertrag zwischen der Erblasserin und dem Beklagten ist. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Februar 1958 (III ZR 187/56 = NJW 1958, 2107) die Möglichkeit einer Amtshaftung bei dem Träger eines kommunalen Krankenhauses gebilligt, der die Pflicht verletzt hatte, einem testierwilligen Patienten die Erfüllung seines Wunsches durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu erleichtern. Der damalige Sachverhalt hatte indes sein Gepräge dadurch erhalten, daß dort ein kommunaler Beamter als Leiter des Krankenhauses in seiner, noch durch die Führung des Dienstsiegels herausgehobenen amtlichen Eigenschaft tätig geworden war. Demgegenüber ist für den Regelfall davon auszugehen, daß das Rechtsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Träger eines - sei es auch öffentlichen - Krankenhauses durch den Krankenhausaufnahmevertrag rein privatrechtlich ausgestaltet wird. Für die ärztliche Heilbehandlung ist anerkannt, daß sie in der Regel nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes ist, auch wenn sie in öffentlichen Krankenanstalten erfolgt (BGB-RGRK/Kreft, 12. Aufl. 1989 § 839 Rn. 87). Ob dies die Folge haben muß, daß auch bei Organisationsmängeln der hier in Rede stehenden Art eine Amtshaftung ausscheidet, braucht nicht abschließend geklärt zu werden. Denn der Krankenhausaufnahmevertrag würde, auch wenn eine Amtshaftung nicht besteht, dem Träger des Krankenhauses Schutz- und Fürsorgepflichten auferlegen, die nicht weniger weit reichen als eine etwaige Amtspflicht. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß diese Schutzwirkung nicht davon abhängen kann, ob das Unterlassen erforderlicher organisatorischer Maßnahmen als Verletzung einer Amtspflicht oder als Verletzung einer privatrechtlichen Verpflichtung anzusehen ist (vgl. zur Einbeziehung eines Zuwendungsempfängers in den Schutzbereich eines zwischen Erblasser und Rechtsanwalt geschlossenen Dienstvertrages: BGH Urteil vom 6. Juli 1965 VI ZR 47/64 = NJW 1965, 1955; ferner zur unmittelbaren Amtshaftung eines Notars gegenüber dem testamentarisch Bedachten: Senatsurteil BGHZ 31, 5, 11.

2.

Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Beklagten begründet hat, sind frei von Rechtsfehlern und werden auch von der Revision - als ihr günstig - gebilligt. Der Träger eines Krankenhauses ist gehalten, einem Patienten, der ein Testament zu errichten wünscht, zur Erfüllung dieses Wunsches jede mit der Anstaltsordnung zu vereinbarende und zumutbare Unterstützung zu gewähren. Dazu gehört es zwar nicht, dem Patienten Rechtsrat zu erteilen (Senatsurteil vom 13. Februar 1958 aaO). Gerade deshalb, weil das Pflegepersonal nicht selbst über Rechtskenntnisse zu verfügen brauchte, war es aber um so dringlicher geboten, das Personal darüber zu belehren, wie es sich zu verhalten hatte, wenn Patienten um Hilfeleistung bei Rechtsangelegenheiten von so außerordentlicher Bedeutung wie einer Testamentserrichtung nachsuchten. Der Krankenhausträger hätte daher in allgemeiner Form dem Personal rechtskundige Personen oder Dienststellen namhaft machen müssen, bei denen es sich seinerseits danach erkundigen konnte, was im Bedarfsfall zu veranlassen sei. Zumindest mußte dafür Sorge getragen werden, daß alles unterlassen wurde, was die Errichtung eines wirksamen Testamentes gefährden oder verhindern konnte. Dementsprechend hätte der Stationsarzt Dr. B. die Niederschrift vom 20. Juni 1986 nicht aufnehmen dürfen. Diese Urkunde genügte weder den Erfordernissen eines eigenhändigen Testaments nach § 2247 Abs. 1 BGB noch denjenigen eines Nottestaments nach § 2250 BGB. Das Testament war daher - wie unter allen Verfahrensbeteiligten außer Streit steht - unwirksam. Die Erblasserin war hingegen der Meinung, wirksam testiert zu haben. Diese Fehlvorstellung wurde, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, auch durch die in der Folgezeit seitens des Krankenhauspersonals geäußerten Zweifel an der Gültigkeit des Testaments und durch die Ratschläge, einen Notar hinzuziehen, nicht ausgeräumt. Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, daß der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, dem Krankenhauspersonal zumindest in allgemeiner Form die eigene Mitwirkung bei der Errichtung von Patiententestamenten, außer bei Nottestamenten, wegen der damit verbundenen rechtlichen Risiken zu untersagen. Mangels entgegengesetzter Anhaltspunkte ist mit dem Berufungsgericht ferner davon auszugehen, daß der Stationsarzt einen derartigen Hinweis befolgt und die Niederschrift vom 20. Juni 1986 nicht aufgenommen hätte.

3.

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin jedoch daran scheitern lassen, daß diese nicht bewiesen habe, daß der Organisationsmangel für den Schaden ursächlich geworden sei. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a)

Die Feststellung des Berufungsgerichts, es sei offen, ob die Erblasserin bei Nichtzustandekommen der Urkunde vom 20. Juni 1986 noch ein wirksames Testament errichtet hätte oder nicht, liegt auf tatrichterlichem Gebiet und läßt revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler nicht erkennen.

b)

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß diese Unaufklärbarkeit zu Lasten der Klägerin geht. Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Beweislastumkehr abgelehnt.

aa)

Grundsätzlich muß die Partei, die Schadensersatz verlangt, den Ursachenzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem geltend gemachten Schaden beweisen (BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 - IX ZR 117/86 = BGHR BGB vor § 1/positive Vertragsverletzung - Kausalität 2 = NJW 1988, 200, 203). Dieser Grundsatz gilt auch im Bereich der Amtshaftung. Danach hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte - vorbehaltlich im folgenden (cc) zu erörternder Beweiserleichterungen - grundsätzlich auch den Beweis zu führen, daß ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist (Senatsurteil vom 3. März 1983 III ZR 34/82 - NJW 1983, 2241, 2242; ferner Senatsurteil vom 22. Mai 1986 - III ZR 237/84 = VersR 1986, 994 = NJW 1986, 2829 m.w.N.).

bb)

Das Berufungsgericht hat erwogen, ob die in der Rechtsprechung anerkannte Beweislastumkehr bei Verletzung einer vertraglichen Hinweis- oder Beratungspflicht auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden ist. Grund für diese Beweislastumkehr ist, daß in jenen Fällen mit dem pflichtwidrig geschaffenen Verletzungsrisiko typischerweise das beweisrechtliche Risiko der Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs verbunden ist. Der Zweck solcher Vertragspflichten wird daher auch darin gesehen, Klarheit zu schaffen, wie sich der Berechtigte verhält, wenn ihm die geschuldete Belehrung zuteil geworden ist; es entspricht deshalb dem Schutzzweck der verletzten Pflicht, dem Berechtigten die in Fällen dieser Art häufig auftretende Beweisnot abzunehmen (BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 aaO; ferner BGHZ 61, 118, 121 f.). Inhalt solchermaßen geschuldeter Aufklärungs- und Beratungspflichten ist es mithin, den Berechtigten zu einer eigenen Entschließung über Maßnahmen zu bewegen, durch die ihm möglicherweise Schaden droht. Der Zweck solcher Aufklärungs-, Hinweis- oder Beratungspflichten besteht auch darin, klarzustellen, ob der Vertragspartner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner vollen Tragweite bewußt gemacht wird, trotzdem an der ins Auge gefaßten Maßnahme festhalten oder ob er von ihr Abstand nehmen will (BGHZ 61, 118, 121). Die hier in Rede stehende Pflicht des Krankenhausträgers ist dagegen von wesentlich geringerer Intensität und hat auch einen anderen Schutzzweck. Ihr Inhalt war nicht etwa, die Entscheidung der Erblasserin über die Testamentserrichtung zu beeinflussen oder ihr das Risiko einer wirksamen Testamentserrichtung abzunehmen. Es ging lediglich darum, ihr die Gelegenheit zu verschaffen, das Testament zu errichten, und Hindernisse auszuräumen, die der Errichtung entgegenstanden. In solchen Fällen besteht keine innere Rechtfertigung dafür, den Krankenhausträger mit dem vollen Beweisrisiko über den hypothetischen Geschehensablauf zu belasten, ob die Patientin bei ordnungsgemäßer Organisation des Krankenhauses ein wirksames Testament errichtet hätte oder ob die Testamentserrichtung nicht zustande gekommen wäre.

cc)

Den schutzwürdigen Interessen des Geschädigten ist vielmehr dadurch Genüge getan, daß ihm in solchen Fällen - unterhalb der Schwelle einer völligen Beweislastumkehr - Beweiserleichterungen zustehen können, wie der Senat sie in den Urteilen vom 3. März 1983 und 22. Mai 1986 (aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 18. Dezember 1986 III ZR 214/85 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Kausalität 1) zur Amtshaftung in Erwägung gezogen hat. Der Senat hat dort ausgeführt, wenn die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststünden, könne der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, daß der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen sei; das gelte jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang bestehe; andernfalls verbleibe die Beweislast beim Geschädigten. Nach den Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts können solche Beweiserleichterungen der Klägerin hier indessen nicht zugute kommen. Es fehlt nämlich an der wesentlichen Voraussetzung eines typischen, der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, der eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit dahin hätte begründen können, daß die Erblasserin ein wirksames Testament errichtet hätte. Nach Lage der Dinge hätte dies nur zur Niederschrift eines Notars (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) geschehen können, da am 20. Juni 1986 die Erblasserin zwar schon nicht mehr selbst schreiben konnte und deshalb die Errichtung eines eigenhändigen Testaments (§ 2247 BGB) nicht möglich war, andererseits ihr Zustand aber noch nicht so bedrohlich war, als daß die Voraussetzungen für ein Nottestament (§ 2250 Abs. 2 BGB) vorgelegen hätten. Das Berufungsgericht hat jedoch im einzelnen dargelegt, daß die Erblasserin offensichtlich eine Scheu gehabt habe, sich der Hilfe eines Notars zu bedienen, möglicherweise, weil sie Schwierigkeiten mit den bisher bedachten Verwandten befürchtete. Es hat weiter ausgeführt, daß die Erblasserin dann, wenn es nicht zu der Testamentserrichtung vom 20. Juni 1986 gekommen wäre, diese Entscheidung, einen Notar hinzuzuziehen, selbst hätte treffen müssen, hat jedoch keine Anhaltspunkte festgestellt, die eine Wahrscheinlichkeit begründen könnten, daß die Erblasserin diesen Entschluß noch rechtzeitig gefaßt und die Hemmschwelle überwunden hätte; zumal die Hinzuziehung des Notars noch dadurch verzögert worden wäre, daß die Erblasserin zuvor unbedingt den Pfarrer hatte sprechen wollen. Diese - weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende - Wertung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht gegen Denkgesetze. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Umstand, daß die Erblasserin aufgrund der dem Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung des Krankenhauspersonals in der Fehlvorstellung befangen war, ein wirksames Testament errichtet zu haben, mit dem ihm gebührenden Gewicht in seine Würdigung eingestellt. Es hat es deshalb zwar für möglich gehalten, daß die Erblasserin durch die Annahme, das Testament sei gültig, davon abgehalten worden sei, einen Notar hinzuzuziehen, hat jedoch rechtsfehlerfrei dieser Möglichkeit keine höhere Wahrscheinlichkeit beigemessen als der gegenteiligen, daß eine wirksame Testamentserrichtung auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Krankenhauspersonals nicht zustande gekommen wäre.

4.

Auch das weitere Verhalten des Krankenhauspersonals nach dem Zustandekommen der Urkunde vom 20. Juni 1986 vermag eine Haftung des Beklagten nicht zu begründen.

a)

Zwar ist grundsätzlich in Betracht zu ziehen, daß der Arzt und die Schwester, nachdem sie durch die Mithilfe bei der Errichtung der unwirksamen Urkunde zu der Gefahr beigetragen hatten, daß der letzte Wille der Erblasserin nicht formgerecht verwirklicht werden konnte, nunmehr verpflichtet waren, diese Gefahr wieder zu beseitigen. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß sie insoweit das Erforderliche und ihnen Zumutbare veranlaßt haben. Insbesondere ist die Erblasserin allein aufgrund des Drängens der Schwestern letztlich doch bewogen worden, den Notar kommen zu lassen. Die Schwestern hätten aber - wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausführt - die Erblasserin nicht in dieser Weise gedrängt, wenn es nicht zu der vorherigen Testamentserrichtung vom 20. Juni 1986 gekommen wäre. Erst recht ist dem Personal die Verzögerung nicht anzulasten, die dadurch eintrat, daß die Erblasserin unbedingt zuvor noch den Pfarrer sprechen wollte. Es ist ferner unerheblich, daß das Krankenhauspersonal gegenüber der Erblasserin lediglich Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments äußerte, statt sie eindeutig auf dessen Unwirksamkeit hinzuweisen. Denn dem Krankenhauspersonal obliegt es grundsätzlich nicht, dem Patienten Rechtsrat oder Rechtsauskünfte zu erteilen (s.o. II. 2.). Es reichte vielmehr, wenn die Krankenhausbediensteten die Patientin auch ohne eine konkrete Rechtsbelehrung auf einen Weg verwiesen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zum Erfolg hätte führen müssen. Das aber war hier der Fall, da der Notar noch rechtzeitig eingetroffen wäre, wenn sich der Zustand der Erblasserin nicht in unvorhergesehener Weise plötzlich verschlechtert hätte.

b)

Eine Verpflichtung, etwa während der Verschlechterung des Zustandes der Erblasserin in der Nacht vor ihrem Tod noch für die Aufnahme eines Nottestaments zu sorgen, bestand nicht. Wie bereits dargelegt, hatte der Krankenhausträger grundsätzlich lediglich die Pflicht, der Erblasserin die Gelegenheit zur Testamentserrichtung zu verschaffen und etwa insoweit bestehende Hindernisse auszuräumen (s.o. II. 3. b) bb). Der weitergehenden Schutzpflicht, die durch die Errichtung des unwirksamen Testaments geschaffene Gefahrenlage durch geeignete Gegenmaßnahmen wieder zu beseitigen, war das Krankenhauspersonal nachgekommen (s.o. II. 4. a). Es würde eine Überspannung der Fürsorgepflicht darstellen und das Krankenhauspersonal auch überfordern, wollte man von ihm darüber hinaus noch verlangen, auf einen in naher Todesgefahr schwebenden Patienten aktiv dahin einzuwirken, ein Nottestament zu errichten.

 

Unterschriften

Krohn

Kröner

Halstenberg

Richter

Dr. Rinne hat Urlaub und kann nicht unterschreiben. Krohn Wurm

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456156

NJW 1989, 2945

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