1. Abstammungsverfahren im FamFG

 

Rz. 21

Das Abstammungsverfahren wurde zum 1.9.2009 in den §§ 169 ff. FamFG[23] neu geregelt. Vor dem 1.9.2009 begonnene Abstammungsverfahren werden nach den alten Vorschriften abgewickelt, Art. 111 FGG-Reformgesetz.

Auch nach dem seit 1.9.2009 geltenden Recht ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige, nicht verfahrensfähige Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren unerlässlich. Das Vertretungsverbot der Eltern ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB.[24] Im Abstammungsprozess zum Zwecke der Klärung erbrechtlicher Fragen (Abstammung als Vorfrage des Erbrechts, vgl. § 1924 BGB "Abkömmling") besteht gem. § 178 FamFG in familiengerichtlichen Verfahren und gem. § 372a ZPO in ZPO-Verfahren eine Pflicht zur Duldung von Untersuchungen und zur Entnahme von Blutproben.[25]

Das behördliche Anfechtungsrecht zur Klärung der Vaterschaft gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist nicht verfassungswidrig.[26] Zu beachten ist, dass der im Rahmen der Beweisaufnahme dadurch betroffene Personenkreis über die formal am Verfahren Beteiligten (z.B. eines Verfahrens gem. § 1598a BGB) hinausgehen kann.

[23] FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008, BGBl I 2008, 2586.
[25] OLG Brandenburg, Urt. v. 8.2.2007, FamRZ 2007, 1755. BGH, Beschl. v. 17.1.2007 – XII ZB 154/06, FamRZ 2007, 549: Der Beweisbeschluss, der zur Feststellung der Abstammung die Einholung eines Sachverständigengutachtens anordnet, kann weder mit der Beschwerde noch mit der Berufung angefochten werden. Der BGH verweist im Anschluss an den Beschl. v. 17.1.2007 (XII ZB 154/06) unter Bezugnahme auf § 355 Abs. 2 ZPO auf die Unanfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses als Zwischenentscheidung. Gemäß dem Urt. v. 1.3.2006 (XII ZR 210/04, BGHZ 166, 283 = FamRZ 2006, 686 = NJW 2006, 1657 = BGHReport 2006, 785 = FuR 2006, 270 = JAmt 2006, 304 = MDR 2006, 1171) besteht die Möglichkeit, durch Zwischenurteil den Zwischenstreit über das Untersuchungsverweigerungsrecht entscheiden zu lassen. Dort hat er zur Abwehr eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in Grundrechte der Testperson ein Weigerungsrecht eingeräumt (§§ 386389 ZPO analog), das auch mit dem Fehlen der Erforderlichkeit der Abstammungsfeststellung begründet werden kann.

Der gesetzliche Anspruch richtet sich nur auf die Duldung einer nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Entnahme einer für die genetische Abstammungsuntersuchung geeigneten genetischen Probe. Es ist weder erforderlich noch sachgerecht, dies auf die Duldung der Entnahme einer Blutprobe zu konkretisieren (OLG München, Beschl. v. 14.6.2011 – 33 UF 772/11, FamRZ 2011, 1878).

2. Zuständigkeit des Familiengerichts

 

Rz. 22

Zuständig ist das Familiengericht gemäß § 23a GVG. Die Rechtswirkungen können erst mit Rechtskraft des Feststellungsurteils geltend gemacht werden, § 1600d Abs. 4 BGB. Klagebefugt sind:

der Mann gegen das Kind,
das Kind gegen den Mann,
die Mutter gegen den Mann, § 1600e BGB.

Ein Vaterschaftsfeststellungsantrag[27] und eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt für Mutter und Kind können schon vor der Geburt des Kindes erhoben werden, § 247 FamFG.

[27] OLG München, Beschl. v. 13.4.2016, FamRZ 2016, 1793.

3. Tod einer Partei/eines Beteiligten

 

Rz. 23

Ist die Person, gegen die die Klage zu richten wäre, verstorben, so entscheidet das Gericht auf Antrag der klagebefugten Person, § 1600e Abs. 1 u. 2 BGB. War beim Tod des Vaters bereits ein Antrag zur Feststellung der Vaterschaft rechtshängig, so tritt Erledigung des Verfahrens gemäß § 181 FamFG ein. Nach dem Tod des Vaters kann die Feststellung auf Antrag eines Beteiligten beim Familiengericht gemäß § 181 FamFG erfolgen.

Ein Nachlassauseinandersetzungsverbot bezüglich des Nachlasses des Vaters ist in § 2043 BGB nicht vorgesehen. Ob eine analoge Anwendung in Betracht kommt, ist streitig. Allenfalls könnte im Rahmen von § 242 BGB die Geltendmachung des Auseinandersetzungsanspruchs aus § 2042 BGB für eine gewisse Zeit ausgeschlossen sein.

 

Rz. 24

Exhumierung des Vaters zur Klärung der Abstammung[28] – Beschluss des OLG München vom 19.1.2000, FamRZ 2001, 126:

Zitat

"Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hat Vorrang vor der Achtung der Totenruhe; soweit zur Feststellung der Abstammung erforderlich, haben die Berechtigten der sog. Totenfürsorge daher eine Exhumierung zur Entnahme von Gewebeproben zu dulden. ... Die Ehefrau hat auch kein Recht, die Exhumierung ihres verstorbenen Ehemannes und die Entnahme von Gewebeproben zu verweigern. Zwar steht ihr als nächster Angehöriger die sog. Totenfürsorge zu, nachdem davon ausgegangen werden kann, dass der Verstorbene keine anderweitige Bestimmung getroffen hat. ... Bei der Ausübung dieses Rechts hat sie den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Versto...

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