Entscheidungsstichwort (Thema)

Einwilligung in genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch eines der im Gesetz genannten Beteiligten auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung ist niederschwellig ausgestaltet. Er gilt unbefristet und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden.

2. Zwar ist insoweit auch die Grenze des Rechtsmissbrauchs zu beachten. Diese ist aber nur in seltenen Ausnahmefällen überschritten. Erbstreitigkeiten eines Vaters mit der volljährigen Tochter nach dem Tod ihrer Mutter, der Ehefrau des Antragstellers, begründen eben so wenig den Vorwurf der Treuwidrigkeit wie eine vom Vater gewünschte und von der Tochter abgelehnte Adoption einer erwachsenen Volljährigen durch ihn.

3. Der gesetzliche Anspruch richtet sich nur auf die Duldung einer nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Entnahme einer für die genetische Abstammungsuntersuchung geeigneten genetischen Probe. Es ist weder erforderlich noch sachgerecht, dies auf die Duldung der Entnahme einer Blutprobe zu konkretisieren.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1598a

 

Verfahrensgang

AG Weilheim (Beschluss vom 27.01.2011; Aktenzeichen 2 F 696/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Endbeschluss des AG Weilheim i.OB. vom 27.1.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 2 des Beschlusstenors wie folgt gefasst wird:

Die Duldung einer nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Entnahme einer für die genetische Abstammungsuntersuchung gem. Ziff. 1. geeigneten genetischen Probe durch die Antragsgegnerin wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.1. Mit Schriftsatz vom 27.9. 2010 erhob der Antragsteller Klage gegen die Antragsgegnerin mit dem Begehren, zur Klärung ihrer leiblichen Abstammung von ihm die Einwilligung der Antragsgegnerin in eine genetische Abstammungsuntersuchung zu ersetzen und sie zu verpflichten, die Entnahme einer Blutprobe zu dulden.

Die Antragsgegnerin sei die gemeinsame Tochter von ihm und seiner am 7.9.2003 verstorbenen Ehefrau E. P. Der Antragsteller wolle geklärt wissen, ob die Beklagte tatsächlich seine leibliche Tochter sei. Das Verhältnis zu ihr sei aufgrund von Erbstreitigkeiten zerrüttet.

Eine vorgerichtlich erklärte Aufforderung zu einer entsprechenden Zustimmungserklärung sei trotz wiederholter Fristsetzung nicht abgegeben worden.

Der Anspruch ergebe sich aus § 1598a BGB. Er sei unbefristet und an keine besonderen Voraussetzungen gebunden, das AG habe die nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen. Da dies nach den einschlägigen Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten in der Regel auf der Grundlage einer Blutprobe geschehe, sei ein entsprechender Antrag gestellt worden.

2. Mit Schriftsatz vom 18.11.2010 trat die Antragsgegnerin dem Begehren entgegen und beantragte kostenpflichtige Abweisung.

Im vorliegenden Fall seien besondere Umstände gegeben, die das Verlangen des Antragstellers als rechtsmissbräuchlich erschienen ließen.

Die Antragsgegnerin habe nach dem Tode ihrer Mutter mit dem Antragsteller einen vertraglichen Pflichtteilsanspruch über die Zahlung von 200.000 EUR zzgl. Zinsen vereinbart. Hieran wolle sich der Antragsteller offenbar nicht mehr festhalten lassen. Deshalb sei ein Rechtsstreit vor dem LG München II anhängig.

In diesem Zusammenhang erhob die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller den Vorwurf wahrheitswidrigen Sachvortrags in jenem Verfahren.

Deshalb versuche nunmehr der Antragsteller im hier anhängigen Verfahren die gesundheitlich angeschlagene Antragsgegnerin zu schikanieren, um sie von der Verfolgung ihrer Ansprüche abzuhalten. Hierzu zähle auch die Unterstellung, sie sei nicht seine Tochter.

Außerdem werde der Antragsteller massiv beeinflusst von seiner polnisch-stämmigen Lebensgefährtin, einer früheren Angestellten, die er zudem zu adoptieren gedenke. Dies ergebe sich aus den Akten eines anderweitigen Verfahrens vor dem AG München. Auch dem stehe seine leibliche Tochter wohl im Wege.

Deshalb sei der Antrag insgesamt rechtsmissbräuchlich.

Für die Antragsgegnerin werde Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. D. beantragt.

3. Das AG hat die Beteiligten am 27.1.2011 angehört und mit Endbeschluss vom selben Tag entschieden:

(1) Die Einwilligung der Antragsgegnerin in eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung vom Antragsteller wird ersetzt.

(2) Die Antragsgegnerin wird zur Duldung der Entnahme einer Blutprobe verpflichtet.

(3) Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Zur Begründung ist ausgeführt: Der Anspruch auf Einwilligung eine genetische Untersuchung gem. § 1598a BGB sei an keine besonderen weiteren Voraussetzungen geknüpft. Die Möglichkeit zur Aussetzung des Verfahrens nach Abs. 3 der Vorschrift habe Ausnahmecharakter und sei insbesondere zum Schut...

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