Rz. 21

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.[53] Das gilt nicht, wenn das Gebrauchtfahrzeug auf einer öffentlichen Versteigerung (§ 383 Abs. 3 BGB) erworben wurde, an der eine persönliche Teilnahme möglich war (§ 474 Abs. S. 2 BGB)[54]

 

Rz. 22

Im Ergebnis handelt es sich um eine Rückwirkungsvermutung.

Der Käufer muss weiterhin nachweisen:

einen wirksamen Kaufvertrag (und zwar einen Verbrauchsgüterkaufvertrag),
die gegenwärtige Mangelhaftigkeit,
das Auftreten des Mangels innerhalb von sechs Monaten.
 

Rz. 23

Liegen diese Voraussetzungen vor, braucht der Käufer nicht mehr den Nachweis zu erbringen, dass der Mangel auch zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Die Rückwirkungsvermutung kann dann nur noch durch den Nachweis des Verkäufers widerlegt werden, dass der Fehler zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht vorhanden war.[55]

 

Rz. 24

 

Praxistipp

Der Käufer darf diesen Nachweis nicht dadurch vereiteln, dass er das mangelhafte Teil von der ausbauenden Werkstatt nicht aufbewahren lässt.[56]

 

Rz. 25

Die Bestimmung gilt nur für Sach-, nicht für Rechtsmängel. Auch ohne ausdrückliche Regelung gilt sie wegen der Einordnung in Untertitel 3 nur für Verbrauchsgüterkäufe.[57]

[53] Eine unzumutbare Belastung für den Verkäufer sehen darin Ehmann/Rust, JZ 1999, 857.
[54] BGH WM 2010, 938 = ZGS 2010, 227.
[55] Reinking, DAR 2002, 15, 23.
[57] Staudinger/Matusche-Beckmann, § 475 Rn 8.

I. Frist

 

Rz. 26

Die Sechsmonatsfrist beginnt mit der Übergabe des Fahrzeugs (§ 446 BGB) oder mit dem Zeitpunkt des Annahmeverzugs des Käufers.[58] Vom BGH zu klären sein wird die sich auch für die Verjährung stellende Frage (vgl. § 15 Rdn 17), ob die Sechs-Monats-Frist mit erfolgter Nacherfüllung neu zu laufen beginnt.[59]

 

Rz. 27

Der Mangel muss sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang "zeigen". Zeigt sich der Mangel bei der Übergabe, bedarf der Verbraucher der Beweislastumkehr nicht.[60] Nach Gefahrübergang zeigt sich der Mangel aber auch dann, wenn er im Fall einer eingehenden Untersuchung schon bei der Übergabe hätte entdeckt werden können.[61]

"Sich zeigen" heißt, dass der Mangel optisch oder infolge Gebrauchs erkennbar oder deutlich wird. Es genügt nicht, dass er verborgen in der Sache angelegt war und sich erst nach dem Ablauf von sechs Monaten zeigt.[62] Es genügt allerdings auch, dass der Käufer innerhalb von sechs Monaten einen Mangel zufällig oder im Rahmen einer Untersuchung "entdeckt", der Mangel muss sich also nicht unbedingt "von sich aus" zeigen.[63]

 

Rz. 28

Andererseits ist nicht Voraussetzung, dass der Mangel dem Verkäufer auch innerhalb von sechs Monaten angezeigt wird.[64] Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten ist dies jedoch zu empfehlen.

[58] Palandt/Weidenkaff, § 476 Rn 6; a.A. Gsell, JZ 2001, 65, 74.
[59] So Saarländisches OLG NJW-RR 2012, 285, Rn 63; MüKo-Lorenz, § 476 Rn 12 und Bamberger/Roth/Faust, § 476 Rn 21; vgl. auch Reinking, zfs 2003, 57, 63 und PWW/Schmidt, § 476 Rn 5.
[62] Dauner-Lieb/Langen/Büdenbender, § 475 Rn 6.
[63] Reinking, DAR 2002, 8, 15.
[64] Kainer, AnwBl 2001, 380 384.

II. Ursachenmehrheit

 

Rz. 29

Nach zunächst vertretener Auffassung des BGH[65] wirkt die Rückwirkungsvermutung nur in zeitlicher Hinsicht. Er verneinte sie daher in einem Fall, wo als wahrscheinliche Ursache für einen Motorschaden ein zu lockerer Zahnriemen festgestellt wurde, der Gutachter aber auch als Ursache einen fehlerhaften Gangwechsel, also einen Bedienungsfehler des Fahrers nicht ganz ausschließen konnte.[66] Danach würde also jede mögliche Alternativursache für einen Defekt dazu führen, dass die Rückwirkungsvermutung mit der Art des Mangels unvereinbar sein soll,[67] falls die Alternativursache nicht mit Sicherheit auch einen Sachmangel darstellt.[68] Diese Auffassung wurde vielfach als zu weitgehend abgelehnt,[69] insbesondere auch vom EuGH.[70] Dem schließt sich der BGH[71] nun an:

 

Rz. 30

§ 476 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Beweislastumkehr schon dann greift, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.[72]

[67] Ebenso PWW/Schmidt, § 476 Rn 3.
[69] Reinking, DAR 2004, 550; ders., AnwBl. 2004, 607, 611; Looschelders/Benzenberg, VersR 2005, 233; Lorenz, NJW 2004, 3020 ff....

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