Rz. 307

Das Recht des Versicherungsnehmers zum Widerspruch kann verwirkt sein. Ob Verwirkung vorliegt, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls. Dabei setzt Verwirkung nach der Allgemeinen Rechtsprechung ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment voraus. Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Widerspruchsrecht fehlt es regelmäßig am Umstandsmoment. Der Versicherer kann kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, da er mit der nicht ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers über das Widerspruchsrecht die Situation selbst herbeigeführt hat.[452]

 

Rz. 308

Das Widerspruchsrecht kann ausnahmsweise dann verwirkt sein, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten bei dem Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH beispielsweise bei dem zweimaligen Einsatz des Versicherungsvertrags zur Sicherung eines Kredits der Fall.[453] Dagegen soll die einmalige Inanspruchnahme eines Policendarlehens durch den Versicherungsnehmer keinen Verwirkungseinwand begründen.[454] Das gleiche soll bei bloß einmaligem Einsatz der Versicherung zur Kreditsicherung ohne zeitlichen Zusammenhang zum Abschluss der Versicherung[455] sowie bei einem mehrfachen Wechsel des den Versicherungsvertrag betreuenden Versicherungsmaklers[456] gelten. Wurde der Versicherungsnehmer regelmäßig über die Anpassung von Versicherungsleistungen und -beiträgen im Rahmen von Dynamikanpassungen informiert, ohne dies zum Anlass für ein Auflösungsverlangen zu nehmen, begründet auch dies keinen Verwirkungseinwand.[457] Ob ein Verwirkungseinwand dann in Betracht kommt, wenn eine Widerspruchsbelehrung "nur marginale Fehler" aufweist, hat der BGH bisher ausdrücklich offen gelassen.[458] Nach Auffassung des BGH ist zumindest dann ein Belehrungsmangel nicht belanglos, wenn in der Belehrung ab dem 1.8.2001 der Hinweis auf die notwendige Textform des Widerspruchs fehlt[459] oder wenn in der Belehrung nicht alle fristauslösenden Unterlagen zutreffend benannt sind.[460]

[453] BGH v. 22.3.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 231.
[454] BGH v. 13.7.2016 – IV ZR 329/15, BeckRS 2016, 13784; BGH v. 27.1.2016 – IV ZR 488/14, VersR 2016, 450, 451 = r+s 2016, 285, 286.
[456] BGH v. 21.12.2016 – IV ZR 425/15, NJW-RR 2017, 151, 152; BGH v. 21.12.2016 – IV ZR 399/15, r+s 2017, 128,129; BGH v. 21.12.2016 – IV ZR 217/15, r+s 2017, 129, 130.
[457] BGH v. 21.12.2016 – IV ZR 339/15, r+s 2017, 130, 131.
[458] Vgl. BGH v. 24.2.2016 – IV ZR 126/15, BeckRS 2016, 04807, Rn 23; BGH v. 24.2.2016 – IV ZR 203/14, VersR 2016, 171, 172.
[459] BGH v. 24.2.2016 – IV ZR 126/15, BeckRS 2016, 04807, Rn 23.
[460] BGH v. 24.2.2016 – IV ZR 203/14, r+s 2016, 171, 172.

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