Rz. 46

Wie will und kann die Familie künftig sich selbst und ihr Unternehmen führen? Wie balanciert sie diesbezüglich die unterschiedlichen Interessen? Was verlangen Fremdmanagement, gemischte Führung oder die operative Führung durch Familienmitglieder an Kooperationsfähigkeit und an Qualifikationen? Oder trifft die Familie diese Entscheidung nach anderen Prinzipien (Präsenz der Familie im Unternehmen, Entfaltungsmöglichkeiten von Familienmitgliedern etc.)? Das starke Wachstum einer Unternehmerfamilie erfordert erhebliche Änderungen der Führungsstrukturen. "Wie die Familie diese schwierigen Themen entscheidet, hängt maßgeblich davon ab, wie sie grundsätzliche Dilemmata (Werteparadoxien) auflöst."[17]

 

Rz. 47

Die Anzahl der Familienmitglieder (siehe Rdn 23 Ausführungen zu den Entscheidungsmechanismen) und das gewählte Beteiligungsmodell geben einiges vor. Und doch sind darüber hinaus Gestaltungsspielräume der unterschiedlichen Führungsfunktionen zu dimensionieren: Die Gesellschafterstellung im Familienunternehmen ist nicht nur eine Vermögensposition. Was bedeutet für die Familie Unternehmensführung aus Gesellschaftersicht?[18] Ist eine Abstimmung nach Stämmen für uns geeignet? Welchen Beitrag könnte ein möglicher Beirat leisten? Was erwarten wir von einer Geschäftsführung?

Es geht darum, den Einfluss der Familie zu sichern und zugleich das Vermögen vor verantwortungslosem Handeln seiner Eigentümer[19] zu schützen. Es geht ferner darum, das immaterielle Vermögen der Familie (Werte, Historie, Talentpool etc.) zu nutzen, ohne das Unternehmen bzw. Vermögen zum Spielball familiärer Interessen werden zu lassen. Die familienspezifische Balance der Interessen von Unternehmen, Familie und Individuum gilt es in organisatorische Maßnahmen zu überführen und so zu stabilisieren.[20]

 

Rz. 48

Das Vorgehen versachlicht zentrale Fragen. Auf dieser Grundlage kann die Familie sich auch den emotionaleren Themen zuwenden: Welche Auswirkung hat es, Schwiegerkinder in diesen Gremien zuzulassen? Ist die Mitarbeit von Familienmitgliedern auch in anderen Funktionen möglich? Wie lauten die Voraussetzungen? Kann ich als Geschäftsführerin ausscheiden, wenn ich eine Familie gründen möchte? Wie gestalten wir das Loslassen des 79-jährigen Seniors?

Aber es geht nicht nur darum, den Einfluss der Familie auf das Vermögen zu kanalisieren. Es geht auch um die Frage, wie die Familie sich selbst führt, um ihre Ziele zu erreichen. Will die Familie spezifische Interessen in einer gemeinsamen Stiftung bündeln? Wie werden die Verantwortlichkeiten in der Familie verteilt?

Es ist selbstverständlich, zur Steuerung komplexer und dynamischer Unternehmen und großer Vermögen auf Strukturen und Regeln zurück zu greifen. Auch eine große Unternehmerfamilie mit ihren Schnittstellen zum Unternehmen ist komplex und dynamisch. Wie organisiert sie die Verantwortung für die Familie? Z.B. durch einen Verantwortlichen für die Unternehmerfamilie oder eine Gruppe von Verantwortlichen an der Schnittstelle von Familie und Unternehmen (Familienrat) wird sie personenunabhängig institutionalisiert. Es ist eine Führungsfunktion. Sie behält die Ziele für die Familie im Blick, beschafft die nötigen Ressourcen. Sie entbindet die übrigen Familienmitglieder nicht von ihrer Verantwortung: "Zusammenhalt" darf nicht zu einem unverbindlichen Wunsch verkommen.

 

Rz. 49

Die folgende Abbildung illustriert beispielhaft einige Strukturelemente für die Unternehmerfamilie.

Abb. 5: Strukturen in der Unternehmerfamilie

 

Beispiel

Der Anwalt der Familie V empfiehlt den Geschwistern einen Berater für Familienstrategie. Nach wenigen Treffen sind Fundament, Perspektive und die Verantwortlichkeiten geklärt (im Folgenden nur Ausschnitte dessen, was im Beispiel zu regeln wäre):

Die Geschwister etablieren einen Verantwortlichen für die Familie: Valeri wird sich künftig um die Belange der Familie kümmern. Dazu gehören z.B. die Fortführung des Familienarchivs und die Organisation regelmäßiger Treffen der wachsenden Familie am Familiensitz, um das immaterielle Vermögen der Familie zu erhalten.

Für das Unternehmen klären sie u.a. die Qualifizierung und Unterrichtung der Gesellschafter, auf Wunsch von Volkmer richten sie einen Beirat als Sparringspartner ein. Für die Geschäftsführung folgt daraus eine veränderte Berichterstattung. Valeri und Victor junior respektieren als nichttätige Gesellschafter das operative Geschäft als Domäne des Geschäftsführers – besonders Valeri empfindet es als Entlastung, nicht mehr alles wissen und verstehen zu müssen.

 

Rz. 50

In der Vorbereitung eines Generationswechsels geht es nicht nur um die Vermögensübertragung, d.h. eine Veränderung in der Gesellschafterversammlung, oder nur um den Führungswechsel in der Geschäftsführung. Häufig stehen in allen Funktionen personelle Veränderungen, aber eben auch eine neue Ausgestaltung der Funktionen an. Erörtert die Familie die Entscheidungen gemeinsam, so verfügen die neuen Gesellschafter, Beiräte und/oder Geschäftsführer über einheitliche Erwartungen u...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge