Rz. 20

Der erfolgreiche Unternehmer gilt als entscheidungsstark, unbeirrt und umsetzungsfreudig. Und tatsächlich finden wir unter den Gründerunternehmern in dieser Hinsicht außergewöhnliche Persönlichkeiten. Für die Situation des Gründers mag diese Haltung geeignet sein. Vielleicht ist ein robustes Alleinentscheidernaturell für ihn, der viele Entscheidungen mit sich selbst ausmachen muss, mitunter sogar erfolgsentscheidend. So wundert es nicht, wenn sich auch seine Erben am Alleinentscheider ein Vorbild nehmen.

 

Rz. 21

Beteiligt der Unternehmer nun mehrere seiner Kinder am Vermögen, führt das Alleinentscheidermodell zu Konflikten. Selbst wenn eines der Geschwister über die Stimmenmehrheit verfügt, hängt die Akzeptanz und Legitimation seiner Entscheidungen von seiner Kommunikation mit den Geschwistern ab. Anders als der Gründer und Alleineigentümer entscheidet er im Regelfall nämlich nicht nur über sein, sondern auch über das Vermögen seiner Geschwister. Zudem benötigt er auf längere Sicht ihre Kooperationsbereitschaft. Zum einen fehlen ihm womöglich formal die Stimmen für eine qualifizierte Mehrheit, z.B. wenn der Gesellschaftsvertrag geändert werden muss. Zum anderen wird das Vermögen über weitere Generationen in dieser Form nur zu erhalten sein, wenn die Familie in der Lage ist, ihren Zusammenhalt zu bewahren und ihre Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit zu kultivieren. Für eine Geschwistergesellschaft, die das gemeinsame Vermögen für weitere Generationen erhalten möchte, heißt es darum "Werdet ein Team!"[11]

 

Rz. 22

Zu den besonderen Herausforderungen gehört der Umgang mit den unterschiedlichen Entscheidungsgrundlagen der Geschwister: Nicht nur beurteilen unterschiedliche Persönlichkeiten Fakten und erst recht Chancen und Risiken unterschiedlich. In der Geschwistergesellschaft beginnt üblicherweise die Differenzierung der Gesellschafterfunktion: Es gibt tätige und nichttätige Gesellschafter. Und auch die tätigen Gesellschafter sind womöglich nicht alle in der Geschäftsführung, vielleicht nicht einmal auf Führungsebenen tätig. Ihre beruflichen Erfahrungen sind also ebenfalls verschieden und ebenso ihre Informationen über das gemeinsame Unternehmen. Über noch weniger Unternehmensinformationen verfügen in der Regel die nichttätigen Gesellschafter. Diese asymmetrische Information birgt ein hohes Konfliktpotential – für die Geschwistergesellschaft, erst recht aber für alle späteren Generationen. Es gilt, eine strukturierte Unterrichtung der Gesellschafter sowie Entlastungsmechanismen zu etablieren.

 

Rz. 23

Der Übergang von der Geschwistergesellschaft, also einer überschaubaren Zahl von Entscheidern, zum Vetternkonsortium und zur Familiendynastie erfordert wiederum neue Entscheidungsmechanismen. Ist unter Geschwistern, also einer kleinen Zahl von Entscheidern, die sich gut kennen, das Aushandeln von Regeln und Ausnahmen noch möglich (wenn auch konfliktanfällig!), für eine Familiendynastie, also einen großen Kreis von Entscheidern (aus mehreren Generationen), ist es ungeeignet.

Idealerweise schon in der Geschwistergesellschaft, spätestens aber im Übergang zum Vetternkonsortium braucht die Familie Entscheidungsmechanismen, die sie entlasten: Strukturen, die an Funktionen und nicht an Personen ausgerichtet sind; Regeln und Verfahren, die transparent sind und für alle Familienmitglieder gleichermaßen gelten; in Summe also eine auf ihre Familie und ihre Vermögensituation zugeschnittene Family und Business Governance. In ihr wird der Konsens ein erstrebenswertes Ziel sein. Zur Handlungsfähigkeit einer größeren Familie gehört es aber, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren.

Mithilfe der Familienstrategie kann die Familie den Übergang vom Alleinentscheider zum Team gestalten und die passende Family Governance erarbeiten.

[11] Baus, Familienstrategie, S. 84.

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