Rz. 29

Die Frage, wann eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist nach wie vor außerordentlich umstritten. Die Rspr. ist völlig uneinheitlich.[25] Sicher sollte sein, dass nicht § 16 Nr. 4 RVG maßgebend ist.[26] Es sind die gleichen Maßstäbe wie im Reichenrecht anzulegen.[27] Es gibt keinen Grund, außergerichtliche Vertretungen in Beratungshilfe anders zu behandeln als im Reichenrecht. M.E. wäre es richtig, wie auch sonst, zwischen Beratung (eine Angelegenheit: alle Beratungsgegenstände, die Familiensachen sind) (vgl. oben § 3 Rdn 14 ff.) und der außergerichtlichen Vertretung zu unterscheiden (welche Gegenstände können in einem gemeinsamen Verfahren gerichtlich geltend gemacht werden?) (vgl. § 3 Rdn 14 ff.) und entsprechend viele Berechtigungsscheine "unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit" (§ 6 BerHG!) auszustellen.[28] Es gibt keine Rechtfertigung dafür, außergerichtliche Vertretungen im Beratungshilfewesen in diesem Punkt anders zu behandeln als im Reichenrecht.

Das BVerfG[29] hat ausgeführt:

Zitat

"Aus verfassungsrechtlicher Sicht spricht vieles dafür, dass die Beratung über den Unterhalt des Kindes und das Umgangsrecht des Vaters nicht als dieselbe Angelegenheit gem. § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO anzusehen sind, um den Rechtsanwalt, der in der Beratungshilfe ohnehin zu niedrigeren Gebühren tätig wird, nicht unnötig zu belasten".

Dieser Aufruf des BVerfG muss zu denken geben. Es wäre schon viel geholfen, wenn nicht unter Außerachtlassung jeder gebührenrechtlichen Systematik und des deutlichen Hinweises des BVerfG ständig Berechtigungsscheine mit dem Betreff, "Beratung und Vertretung in Trennungs- und Scheidungssachen" ausgegeben würden.

[25] übersicht in AnwK-RVG/Fölsch, vor VV 2.5. Rn 157 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2500–2508 Rn 31; früher schon Madert/Müller-Rabe, Kostenhandbuch Familiensachen I, Rn 25, 1011; Lissner, Die Angelegenheit in der Beratungshilfe, FamRZ 2013, 1271.
[26] Zutreffend AnwK-RVG/Fölsch, vor VV 2.5 Rn 158; a.A. differenzierend Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2500–2508 Rn 27: Regelungen für die Zeit der Trennung vor Rechtskraft der Scheidung einerseits und einem Scheidungsverfahren mit den Folgesachen andererseits bilden gem. § 16 Nr. 4 RVG jeweils eine Angelegenheit (hierzu auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 16 RVG Rn 27 ff.).
[27] Zutreffend AnwK-RVG/Fölsch, vor VV 2.5 Rn 158.
[28] über die Anzahl der Angelegenheiten und damit über die Anzahl der zu zahlenden Gebühren entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, nicht der Rechtspfleger, der den Berechtigungsschein ausstellt, vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2500–2508 Rn 31, § 55 Abs. 4 RVG.
[29] BVerfG NJW 2002, 429 (LS) = AGS 2002, 273; dieser Entscheidung ist das OLG Hamm gefolgt (AGS 2005, 350): Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt einerseits, Umgangsrecht andererseits sind zwei Angelegenheiten i.S.d. Beratungsgebühr, weil es sich um zwei Lebenssachverhalte mit zwei verschiedenen Rechtswegen handelt. Das BVerfG schränkt allerdings insofern ein, als es für den Einzelfall die gegenteilige Auffassung für vertretbar hält.

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