Rz. 4

Die Verhandlungsgehilfen selbst haften i.d.R. nur dann, wenn ihre Pflichtverletzung den Tatbestand einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) erfüllt.

Die Unzulänglichkeiten des deliktischen Vermögensschutzes (vgl. § 8 Rdn 3, § 10 Rdn 3) will die Rechtsprechung auch dadurch mildern, dass Vertreter, Vermittler und sonstige Sachwalter, die an Vertragsverhandlungen anderer Personen beteiligt sind, unter bestimmten Voraussetzungen wegen Verletzung von Pflichten vor oder bei Vertragsschluss (§ 241 Abs. 2 BGB) selbst auf Schadensersatz haften.[7] Im Kern handelt es sich um eine Haftung für enttäuschtes Vertrauen.[8] Da sie Ausnahmecharakter hat, sind an die Prüfung, ob die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, strenge Anforderungen zu stellen.[9]

Die eigene Haftung des Gehilfen wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser – über das gewöhnliche Auftreten eines Verhandlungs- oder Abschlussgehilfen hinaus – gleichsam in eigener Sache tätig geworden ist.[10]

Eine Haftung des Verhandelnden aus Verschulden vor oder bei Vertragsschluss kann neben einer Vertragshaftung bestehen.[11] Ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung kann auch dann bestehen, wenn die Haustürsituation nicht beim Vertragsschluss, sondern nur bei dessen Anbahnung vorgelegen hat.[12]

 

Rz. 5

Die Vorschrift des § 311 Abs. 3 BGB[13] betrifft die Eigenhaftung eines Verhandlungsgehilfen ggü. Dritten aus Verschulden bei Vertragsschluss. In der Gesetzesbegründung[14] heißt es, damit werde eine solche Eigenhaftung eines Verhandlungsgehilfen in einer Weise angesprochen, die eine Weiterentwicklung dieses Rechtsinstituts durch Praxis und Wissenschaft erlaube. Mit Rücksicht darauf ist die Vorschrift noch kein Einstieg in eine gesetzliche Regelung der Dritthaftung auf vertraglicher und vorvertraglicher Grundlage zur Verbesserung des Vermögensschutzes. Vielmehr wird in dieser neuen Bestimmung nur anerkannt, dass – gemäß der überkommenen Rechtsprechung (vgl. Rdn 6 ff.) – Vertragsverhandlungen und ähnliche Kontakte ein Schuldverhältnis zwischen einem Verhandlungsgehilfen (= Dritter i.S.d. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB), der als Vertreter, Vermittler oder sonstiger Sachwalter einer Partei Verbindung mit einer anderen Person aufnimmt, und dieser begründen können.[15]

[7] BGHZ 56, 81, 83, 86 = NJW 1971, 1309; BGHZ 74, 103, 108 = NJW 1979, 1449; BGHZ 88, 67, 68 = NJW 1983, 2696; BGHZ 126, 181, 183 ff. = NJW 1994, 2220; BGH, NJW 1989, 389; BGH, NJW 1990, 1907, 1908; BGH, NJW 1991, 32, 33; BGH, NJW-RR 1992, 605; BGH, NJW 1997, 1233; BGH, WM 1997, 1431, 1432; BGHZ 159, 94, 102 = WM 2004, 1404 = NJW 2004, 2523; Einzelfälle: BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluss – Sachwalter-, Vermittler- und Vertreterhaftung; vgl. v. Heymann/Merz, S. 203 ff. (Bankenhaftung aus c.i.c.).
[8] BGHZ 60, 221, 226 = NJW 1973, 752.
[9] Vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH, NJW-RR 1992, 605; BGH, NJW 1997, 1233, 1234.
[10] BGH, NJW-RR 1990, 459, 461; BGH, NJW 1991, 32, 33; BGH, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH, 11.1.2007 – III ZR 193/05, NJW 2007, 1362, 1363, Tz. 9; BGH, 2.6.2008 – II ZR 210/06, BGHZ 177, 25, 29, Tz. 12 = WM 2008, 1545, 1546.
[11] BGHZ 74, 103, 106, 108 = NJW 1979, 1449; BGHZ 108, 200, 209 = NJW 1989, 3095.
[12] BGH, 26.2.2008 – XI ZR 74/06, WM 2008, 683, 685, Tz. 17 f., zu § 2 Abs. 1 HWiG a.F. (vgl. § 312 BGB n.F.); vgl. BGH, 10.6.2008 – XI ZR 348/07, WM 2008, 1593 (Steuerberater).
[13] Eingeführt durch Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl I, S. 3138), in Kraft getreten am 1.1.2002.
[14] Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 11.5.2001 = BR-Drucks 338/01, S. 375 f.
[15] In diesem Sinne auch Palandt/Grüneberg, BGB, § 311 Rn 60.

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