Rz. 79

Vor der eigentlichen Bietphase sind gem. § 66 Abs. 1 ZVG die Versteigerungsbedingungen festzustellen. Sie regeln die Veräußerung des Versteigerungsobjektes und deren Wirkung, somit die (materiellen) Rechte und die Pflichten der Beteiligten und des Erstehers (z.B.: §§ 4458, 6365 ZVG). Davon zu unterscheiden sind die Verfahrensvorschriften (z.B.: § 43 ZVG über die Zustellungs- und Bekanntmachungsfristen oder § 74a ZVG über die Verkehrswertfestsetzung), die als Vorschriften staatlichen Vollstreckungshandelns dem Änderungswillen der Beteiligten entzogen sind. Es gibt gesetzliche (vgl. oben Rdn 79) und abweichend bestimmte Versteigerungsbedingungen (vgl. § 59 ZVG). Zu Letzteren einige Beispiele:

a) Erlöschen von eigentlich bestehen bleibenden Rechten
b) Bestehen bleiben von eigentlich erlöschenden Rechten
c) Höhere Verzinsung des Bargebotes (§ 49 Abs. 2 ZVG)
d) Änderung des Ranges eingetragener Rechte.[59]

Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Versteigerungsbedingungen können nur auf Antrag zugelassen werden. Antragsberechtigt sind alle Verfahrensbeteiligten gem. § 9 ZVG. Der Zulassungsantrag kann entweder schriftlich oder spätestens vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten zu Protokoll des Versteigerungsgerichts gestellt werden. Ein einmal gestellter Antrag kann auch nur bis zu diesem Zeitpunkt zurückgenommen werden. Ein verspätet gestellter Antrag ist nach Protokollierung vom Gericht zurückzuweisen. Sollte die bereits begonnene Versteigerung z.B. infolge der Einstellungsbewilligung des dem geringsten Gebot zugrunde gelegten Gemeinschafters abgebrochen werden und sollte die Fortsetzung des Versteigerungstermins für einen weiteren betreibenden Gemeinschafter erforderlich sein, kann der Antrag im Zuge des dann erneut aufzustellenden geringsten Gebots neu gestellt werden.

 

Rz. 80

Die beantragte abweichende Feststellung der Versteigerungsbedingungen setzt jedoch voraus, dass durch sie das Recht eines anderen Beteiligten nicht beeinträchtigt wird. Um dies zweifelsfrei feststellen zu können, muss das Gericht die anwesenden Verfahrensbeteiligten zu dem gestellten Antrag hören. Liegt eine Beeinträchtigung (der anwesenden und auch der nicht anwesenden Beteiligten) nach Auffassung des Gerichts doch vor, ist die Versteigerung unter der verlangten Abweichung nur möglich, wenn der betroffene Beteiligte der Abweichung zustimmt (vgl. § 59 Abs. 1 S. 3 ZVG). Kann die Zustimmung – und zwar direkt im Termin – nicht beigebracht werden (z.B. bei Abwesenheit des betroffenen Beteiligten), ist der Abweichungsantrag zurückzuweisen.

Wenn nicht feststeht, ob das Recht eines Anderen beeinträchtigt wird, ist das Objekt doppelt auszubieten und zwar

a) unter Berücksichtigung der verlangten Abweichung(en),
b) nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen.

Erfolgt das Doppelausgebot trotz vorliegender Voraussetzungen nicht, kann derjenige Beteiligte, der durch den Zuschlag beeinträchtigt ist und der der Abweichung nicht zugestimmt hat, gem. § 83 Nr. 1 ZVG den Zuschlagsbeschluss anfechten.

Wurde das Objekt doppelt ausgeboten, obwohl die verlangten abweichenden Versteigerungsbedingungen des gesetzlichen Bedingungen inhaltlich entsprechen, ist der Zuschlag zu versagen.[60]

 

Rz. 81

Bei der Entscheidung über den Zuschlag sind die auf die verschiedenen Ausgebotsarten abgegebenen Meistgebote miteinander zu vergleichen.

Wenn ein Meistgebot nur hinsichtlich der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen vorliegt, kann der Zuschlag auch nur darauf erteilt werden.

Wenn ein Meistgebot nur bzgl. der abweichend bestimmten Versteigerungsbedingungen abgegeben wurde, hat das Gericht (d.h. der Rechtspfleger) nunmehr genau zu prüfen, ob die Beeinträchtigung eines anderen Verfahrensbeteiligten vorliegt.[61] Ist eine solche gegeben, hängt die Erteilung des Zuschlags von der Zustimmung des Beeinträchtigten (entweder zu Protokoll des Gerichts im Versteigerungstermin bzw. im Zuschlagsverkündungstermin oder schriftlich in der Form des § 84 Abs. 2 ZVG) ab. Stimmt dieser nicht zu, ist die Erteilung zu versagen. Liegt eine Beeinträchtigung nicht vor oder wird die Zustimmung erteilt, kann der Zuschlag erteilt werden.[62] Werden auf beide Ausgebotsarten Meistgebote abgegeben, ist auf die Ausgebotsart mit dem besten wirtschaftlichen Versteigerungsergebnis (unter Einschluss der bestehen bleibenden Rechte) zuzuschlagen. Auf die Ausgebotsart mit der verlangten Abweichung kann nur zugeschlagen werden, wenn kein Beteiligter beeinträchtigt ist (vgl. oben Rdn 80).[63]

[59] Weitere Beispiele u.a. bei Stöber, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 21. Aufl. 2016 Anm. 5 zu § 59.
[61] Schiffhauer, Rpfleger 1986, 326 (VIII 3).
[63] Stöber, § 59 Anm. 6.1.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge