Rz. 274

Ist zwischen den Parteien bereits in einem Termin zur mündlichen Verhandlung einmal streitig verhandelt worden und bleibt eine Partei in einem nachfolgenden Termin zur mündlichen Verhandlung säumig, so kommt nicht nur der Erlass eines Versäumnisurteils in Betracht, sondern auch eine Entscheidung nach Lage der Akten gem. § 251a ZPO, soweit das Gericht den Rechtsstreit nicht vertagt.

 

Rz. 275

 

Hinweis

Nach Ansicht des OLG Rostock kann das Prozessgericht verpflichtet sein, die erschienene Partei darauf hinzuweisen, statt eines Versäumnisurteils ein Urteil nach Lage der Akten zu beantragen. Wo die Absicht des Säumigen erkennbar sei, unter Inkaufnahme des relativ ungefährlichen Versäumnisurteils in Verschleppungsabsicht dem anberaumten Termin fernzubleiben, solle das Gericht bei entscheidungsreifer Sache einen Antrag gem. § 331a ZPO anregen.[193] Dem ist jedoch zu widersprechen. Die ZPO sieht insoweit keine Hinweispflicht vor. Dann ist die Prozessführung aber Sache der Partei und nicht des Gerichtes.

 

Rz. 276

Eine Entscheidung nach Lage der Akten kann auch dann ergehen, wenn beide Parteien in einem Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung nicht erscheinen, d.h. wenn beide Parteien säumig bleiben und das Gericht den Rechtsstreit weder vertagt noch zum Ruhen bringt, § 251a ZPO.

 

Rz. 277

 

Hinweis

Beachtet werden muss, dass bei Säumnis beider Parteien in der Güteverhandlung § 278 Abs. 4 ZPO die Regelung des § 251a ZPO verdrängt. Danach ist zwingend das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, ohne dass der Erlass eines Versäumnisurteils oder eine Entscheidung nach Lage der Akten in Betracht käme. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren soll aber anderes gelten.[194]

 

Rz. 278

Die Entscheidung nach Lage der Akten muss nicht zwingend ein kontradiktorisches Endurteil darstellen. In Betracht kommt als Entscheidung nach Lage der Akten auch ein Hinweis-, Auflagen- oder Beweisbeschluss, den das Gericht allerdings nach einer Vertagung oder einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach §§ 139, 358a ZPO auch im schriftlichen Verfahren erlassen könnte.

 

Rz. 279

Der Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten kann sich auch auf den Erlass eines Teilurteils richten.

 

Rz. 280

Von weiteren Bedingungen kann der Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten nicht abhängig gemacht werden. So kann nicht beantragt werden, dass:

nach Lage der Akten nur zugunsten des Antragstellers entschieden wird,
nur nach Lage der Akten entschieden wird, wenn ein Beweisbeschluss ergeht,
nur nach Lage der Akten entschieden wird, wenn ein Urteil ergeht.
 

Rz. 281

Erforderlich für den Erlass eines Urteils nach Lage der Akten ist, dass in der Hauptsache derselben Instanz und über dieselben Klageanträge bereits verhandelt wurde. Eine Entscheidung nach Lage der Akten scheidet damit auch aus, wenn die Klage nachfolgend geändert oder erweitert wurde.

 

Rz. 282

 

Tipp

Es kann deshalb angeraten sein, einen zunächst angekündigten Antrag auf Klageerweiterung oder -änderung nicht zu stellen und nach Lage der Akten über den bereits verhandelten Antrag entscheiden zu lassen. Dies hat den Vorteil, dass eine Endentscheidung ergehen kann, ohne dass die weitergehenden Ansprüche dem Kläger abgeschnitten sind. Er hat die Möglichkeit, dass er entweder über die bereits verhandelten Ansprüche durch Teilurteil entscheiden lässt oder die Klageerweiterung zurücknimmt und diesbezügliche Ansprüche mit einer gesonderten Klage geltend macht.

 

Rz. 283

Eine Entscheidung nach Lage der Akten scheidet aus, wenn nach §§ 335, 337 ZPO auch ein Versäumnisurteil nicht ergehen dürfte. In diesem Fall ist der Antrag auf Erlass einer Entscheidung nach Lage der Akten gem. § 336 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

 

Rz. 284

 

Hinweis

Wird gleichwohl eine Entscheidung nach Lage der Akten erlassen, kann diese mit der Berufung unter Anwendung des Berufungsgrundes nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wegen der Verletzung einer Verfahrensvorschrift, nämlich §§ 335, 337 ZPO, angegriffen werden, soweit die Berufung nach § 511 Abs. 2 ZPO statthaft ist. Ist eine Berufung gegen die Entscheidung nach Lage der Akten nicht statthaft, so kann der Mangel in gleicher Weise nach § 321a ZPO gerügt werden.

 

Rz. 285

Ob und inwieweit das Gericht eine Entscheidung nach Lage der Akten trifft, steht in seinem Ermessen.

 

Rz. 286

 

Tipp

Aus diesem Grunde sollte die anwesende Partei, die davon ausgeht, dass eine Entscheidung nach Lage der Akten zu einem kontradiktorischen und die Instanz abschließenden Urteil führt, immer hilfsweise beantragen, dass durch Versäumnisurteil entschieden wird, wenn eine Entscheidung nach Lage der Akten von dem Prozessgericht abgelehnt wird.

 

Rz. 287

Unter Berücksichtigung des erschwerten Berufungsrechtszuges wird eine Entscheidung nach Lage der Akten jedoch immer vorrangig zu beantragen sein, wenn:

die Voraussetzungen der §§ 331a, 251a ZPO vorliegen und
die anwesende Partei von einem für sie günstigen abschließenden Urteil ausgehen kann,

da dies die säumige Partei in der Berufungsinstanz nach §§ 529, 531 ZPO in ihren Möglic...

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