Rz. 69

Bei der außergerichtlichen Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs beginnt die anwaltliche Tätigkeit zunächst mit der Geltendmachung des Auskunfts- und Wertermittlungsanspruchs nach § 2314 BGB. Dabei sollte beachtet werden, dass der Auskunftsanspruch ein vom Wertermittlungsanspruch unabhängiger und insoweit auch gesondert zu behandelnder Anspruch ist. Der Auskunftsanspruch wird durch die Aufstellung und Übersendung eines Bestandsverzeichnisses, in dem alle Aktiva und Passiva des Nachlasses enthalten sein müssen, erfüllt. Der Wertermittlungsanspruch gibt dagegen dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit, Nachlassgegenstände (zumeist Immobilien, aber auch Unternehmensbeteiligungen etc.) bewerten zu lassen. Der Pflichtteilsberechtigte soll so die Möglichkeit erhalten, sich einen Überblick über den ungefähren Wert der Nachlassgegenstände zu verschaffen, um ein für ihn eventuell bestehendes Prozesskostenrisiko abschätzen zu können.

 

Rz. 70

Hat der Pflichtteilsberechtigte keinerlei Vorstellungen und Anhaltspunkte über den Nachlasswert, ist seitens des Rechtsanwalts zunächst der Auskunftsanspruch, verbunden mit einem Wertermittlungsanspruch, geltend zu machen. Erst danach kann eine Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs erfolgen. Da Auskunft und Wertermittlung i.d.R. einen längeren Zeitraum beanspruchen, der Pflichtteilsanspruch aber grundsätzlich mit dem Erbfall entsteht, bietet es sich an, für den Pflichtteilsberechtigten bereits einen unbezifferten oder zumindest einen Zahlungsanspruch in Höhe der dem Pflichtteilsberechtigten bekannten Nachlasswerte fällig zu stellen[59] und so zusätzlich einen Zinsanspruch des Pflichtteilsberechtigten zu sichern.

 

Rz. 71

Hat der Pflichtteilsberechtigte keine Vorstellung über die Nachlasswerte, kann er durch Einsicht in die Nachlassakte den ungefähren Wert des Nachlasses festzustellen. Auch wenn das in der Nachlassakte befindliche Nachlassverzeichnis lediglich zu Kostenzwecken abgegeben wird, spiegelt es doch in vielen Fällen eine ungefähre Größe des Nachlasses wider und versetzt den Pflichtteilsberechtigten in die Lage, bereits einen teilweisen Zahlungsanspruch geltend zu machen.

 

Rz. 72

Muster 13.4: Anschreiben an den Erben bezüglich Auskunft, Wertermittlung und Zahlung

 

Muster 13.4: Anschreiben an den Erben bezüglich Auskunft, Wertermittlung und Zahlung

An

Herrn/Frau _________________________

Pflichtteilsansprüche am Nachlass des verstorbenen Erblassers _________________________, verstorben in _________________________, verstorben am _________________________, zuletzt wohnhaft _________________________

Sehr geehrte/r Herr/Frau _________________________,

unter Vorlage auf uns lautender Vollmacht zeigen wir an, dass wir Herrn _________________________ anwaltlich vertreten. Herr _________________________ hat uns mit der Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs am Nachlass seines verstorbenen Vaters beauftragt.

Gemäß Testament vom _________________________ sind Sie zum alleinigen Erben des Erblassers bestimmt worden. Nach der uns vorliegenden Information aus der Nachlassakte haben Sie die Erbschaft auch angenommen. Als Erbe sind Sie verpflichtet, den Pflichtteilsanspruch unseres Mandanten zu erfüllen.

Damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch durchsetzen kann, gewährt ihm das Gesetz in § 2314 BGB einen sog. Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch gegenüber dem Erben.

Namens und in Vollmacht unseres Mandanten fordern wir Sie daher auf, Auskunft über den Bestand und Umfang des Nachlasses des am _________________________ verstorbenen Erblassers durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen. Im Nachlassverzeichnis sind

alle Aktiva
alle Passiva
alle Schenkungen und
alle ausgleichspflichtigen Zuwendungen nach §§ 2050 ff. BGB, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat, sowie
der Güterstand, in dem der Erblasser gelebt hat,

zum Zeitpunkt seines Todes aufzuführen. Für die Erteilung der Auskunft erlauben wir uns, Frist bis

_________________________

zu setzen.

Der Vollständigkeit halber möchten wir darauf hinweisen, dass bei nicht ordnungsgemäßer und sorgfältiger Erstellung des Nachlassverzeichnisses die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte eidesstattlich zu versichern sind.

Des Weiteren steht unserem Mandanten ein sog. Wertermittlungsanspruch zu. Wir haben Sie daher ebenfalls höflich aufzufordern, alle im Nachlass befindlichen Grundstücke und Immobilien sowie alle Unternehmensbeteiligungen und das im Nachlass befindliche Kraftfahrzeug durch einen Sachverständigen bewerten zu lassen. Für die Vorlage des Sachverständigengutachtens erlauben wir uns, Frist bis

_________________________

zu setzen.

Des Weiteren machen wir den Pflichtteilsanspruch für unseren Mandanten hiermit geltend und fordern Sie höflich auf, bis spätestens

_________________________

den Pflichtteilsanspruch unseres Mandanten anzuerkennen und den Pflichtteil auf unten angegebenes Konto zu überweisen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[59] Vgl. Rißmann, ZErb 2002, 181.

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