Rz. 113

Der Versicherungsnehmer hat die Unfallanzeige vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen und an den Versicherer zurückzusenden. In der Regel richtet sich diese Auskunftsobliegenheit nach den Fragen in dem Schadensformular des Versicherers. Allerdings ist nicht alles anzugeben. Verschweigt der Versicherungsnehmer z.B. in der Unfallschadensanzeige einen vor 36 Jahren im Kindesalter durch einen Sturz aus dem Kinderbett erlittenen, folgenlos ausgeheilten Knochenbruch, so stellt dies keine zur Leistungsfreiheit des Versicherers führende Obliegenheitsverletzung dar (vgl. OLG Frankfurt VersR 2001, 1149).

 

Praxistipp

Auch bei den Auskunftsobliegenheiten muss der Anwalt, der versicherungsrechtliche Mandate bearbeitet, nicht blind die Fragestellungen der Versicherer akzeptieren, da diese mitunter unklar formuliert sind und in diesem Fall der Versicherungsnehmer, der auf diese unklaren Fragestellungen antwortet, keine Obliegenheitsverletzungen begeht. In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 4.6.2008 (20 U 77/07, zfs 2008, 404) zu verweisen. Im zugrunde liegenden Sachverhalt war die Frage aufgestellt worden: "Bestehen oder bestanden unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls Krankheiten oder Gebrechen? Gegebenenfalls welche Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte?". In diesem Fall kann die Frage auch dergestalt missverstanden werden, dass nach allen Krankheiten und Gebrechen des Versicherungsnehmers gefragt ist, die er jemals hatte, also mitunter auch Krankheiten oder Gebrechen, die dieser bereits kurz nach der Geburt erlitten hat. Von daher ist eine derartige Klausel missverständlich und damit unklar. Insofern wird fast immer – auch seitens der Gerichte – fehlerhaft argumentiert, wenn eine falsche Antwort vorliegt, liegt auch Leistungsfreiheit vor, ohne genau zu überprüfen, ob die gestellte Frage des Versicherers überhaupt aus der Sicht eines Erklärungsempfängers und eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eindeutig war und ohne Zweideutigkeit zu verstehen war.

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