Leitsatz (amtlich)

Es stellt keinen zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung dar, wenn der Versicherungsnehmer in der Unfallschadensanzeige einen vor 36 Jahren im Kindesalter erlittenen und folgenlos ausgeheilten Knochenbruch nicht angegeben hat.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09. Juni 1996 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main Aktenzeichen 2- 18 O 91/96 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26. 250 DM nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 14. März 1996 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 56 v. H. und die Beklagte 44 v. H. zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer beträgt für die Klägerin 33. 750 DM und für die Beklagte 26. 250 DM.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Klägerin ist an sich statthaft und zulässig. Sie hat auch in der Sache selbst zum Teil Erfolg. Die Klägerin kann aus dem unstreitig zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag Leistungen in der zugesprochenen Höhe beanspruchen, ohne daß ihr die Beklagte Obliegenheitsverletzungen entgegen zu halten vermag.

Die Beklagte ist der Klägerin nach § 7 Abs. 1 Ziffer 1 AOB 88 zur Erbringung einer Invaliditätsleistung verpflichtet, weil das unstreitige Unfallereignis vom 10. August 1994 bei der Klägerin zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit geführt hat, da Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist und die Beklagte sich nicht auf eine verspätete ärztliche Feststellung der Invalidität berufen kann.

Die Klägerin hat unstreitig während der Versicherungszeit durch den Verkehrsunfall vom 10. August 1994, also durch ein plötzliches von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis, unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung, einen Armbruch erlitten, so dass ein bedingungsmäßiger Unfall im Sinne von § 1 Abs. 3 AOB 88 vorliegt. Aufgrund der eingeholten Gutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. F. und des Neurologen Dr. G. steht fest, daß diese Verletzung zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der Klägerin geführt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 12. Februar 1999 ausgeführt, daß bei der Klägerin eine Schmerzsymptomatik besteht, daß am linken Unterarm eine mäßige Sensibilitätsstö- rung besteht, daß die Beweglichkeit des linken Handgelenkes bei Beugung sowie bei Drehbewegung eingeschränkt ist, der Umfang des linken Unterarmes sich mit einer daraus ergebenden Kraftminderung um 50 v. H. gemindert hat, daß Narben und Knochenveränderungen zurückgeblieben sind. Der Sachverständige hat diese Symptome allein auf das Unfallereignis vom 10. August 1994 zurückgeführt. Die Vorerkrankung, der Sturz aus dem Kinderbett etwa im Jahre 1957, stehe zu diesen Beschwerden in keiner Beziehung. So habe die Klägerin gegenüber der sie behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. K. bis zum Unfall im Jahre 1994 nie Beschwerden hinsichtlich Folgen aus dem früheren Unfall von 1957 vorgetragen. Die in der radiologischen Klinik der Universität F. am 16. November 1998 aufgenommenen Röntgenbilder des linken Ellenbogengelenkes wiesen keine Zeichen gehabter knöcherner Verletzungen im Bereich der Ellenbogengelenke auf. Die damalige Verletzung sei mithin folgenlos verheilt. Mit einer Besserung der Unfallfolgen sei nicht zu rechnen. Der Senat hat keine Bedenken diesen in sich stimmigen, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, zumal auch die Beklagtenseite hiergegen keine Einwendungen erhebt. Aus dem Gutachten des Neurologen Dr. G. vom 10. Juni 1999 folgt allein, daß neurologischerseits eine zusätzliche Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch den Unfall vom 10. August 1994 nicht festzustellen ist.

Angesichts der Art der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigung und des Krankheitsverlaufes sind keine Zweifel angezeigt, daß die damit vorliegende Invalidität so wie § 7 I Abs. 1 Satz 2 fordert innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist. Die weitere Voraussetzung der vorgenannten Bestimmungen, daß die eingetretene Invalidität innerhalb einer weiteren Frist von 3 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden ist, ist zwar nur hinsichtlich der Anmeldung des Anspruches bei der Beklagten erfüllt. Die rechtzeitige ärztliche Invaliditätsfeststellung ist zwar eine echte Anspruchsvoraussetzung (BGH NJW 95, 2855). Auch kann sich der Versicherer grundsätzlich auf die nicht rechtzeitige ärztliche Feststellung berufen, ohne damit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen (BGH VerR 78, 1036; OLG Köln r + s 92, 105). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Versicherer durch sein Verhalten oder durch seine oder ihm zurechenbare Erklärungen Vertrauenstatbestände schafft, aufgrund deren der Versicherte den Eindruck gewinnen muß, der Versicherer w...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge