Rz. 58

Die Urfassung des "Jastrow" verbindet die enterbende Komponente mit einer zuteilenden, um insbesondere für den zweiten Erbfall die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil des "illoyalen Kindes" zu senken.[80] In der Urfassung erhielten die anderen Abkömmlinge, die nach Eintritt des ersten Erbfalls keinen Pflichtteil geltend machten, für den Fall, dass eines der anderen Kinder dies tut, ein sofort anfallendes Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils, das jedoch bis zum Ableben des Längerlebenden ohne oder mit Zinsen[81] gestundet und dann erst fällig wird. Gegen die grundsätzliche Zulässigkeit und Wirksamkeit dieser Klausel bestehen keine durchgreifenden Bedenken; insbesondere handelt es sich um eine zulässige Potestativbedingung, die auch mit § 2065 BGB vereinbar ist und auch nicht gegen § 134 BGB oder § 138 BGB verstößt. Auch wenn dadurch mittelbar der Druck ausgeübt wird, den Pflichtteil beim Tod des Erstversterbenden nicht geltend zu machen, liegt darin keine sittenwidrige Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten.[82] Dessen Interessen werden systemkonform durch § 2306 BGB geschützt. Da bei der Jastrow’schen Klausel die Position des Schlusserben durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden Elternteil auflösend bedingt ist, liegt eine aufschiebend bedingte Nacherbeneinsetzung vor, die eine Ausschlagung zur Pflichtteilserlangung nach § 2306 Abs. 1 BGB ermöglicht.[83] Die zweifellos vorhandenen Schwächen des "Ur-Jastrow" führten aber zu Verbesserungsvorschlägen (siehe Rdn 59).[84]

[80] Eingehend dazu J. Mayer, ZEV 1995, 136; Radke, Das Berliner Testament und die gegenseitige Erbeinsetzung, S. 110 ff. (mit eingehender Analyse; Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, Diss.).
[81] Dies erhöht die Pflichtteilsentlastung im zweiten Erbfall.
[82] Eingehend zu diesen Fragen Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, S. 84 ff. sowie zur Zulässigkeit der Klausel auch Schlitt, Testamentsklauseln, S. 57 ff.
[83] Übersehen wird die Bedeutung des § 2306 BGB bei Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, S. 108 f.
[84] Die Verbesserungsbedürftigkeit der Urfassung ist allgemein anerkannt, vgl. etwa Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 14 Rn 77 f.; Radke, Das Berliner Testament und die gegenseitige Erbeinsetzung, S. 111 ff.; a.A., aber ohne überzeugende Begründung Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, S. 209 (aber selbst wiederum im Sinne der h.M. offensichtlich auf S. 130 ff.).

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