Rz. 29

Anders als das Recht der Personengesellschaft unterscheidet das Recht der Erbengemeinschaft bei der Strukturierung ihrer Organisation nicht zwischen Geschäftsführung als Berechtigung und Verpflichtung im Innenverhältnis einerseits und Vertretung im Außenverhältnis andererseits, sondern spricht von "Verwaltung" und "Verfügung" über Nachlassgegenstände.

 

Rz. 30

Für die Verwaltung gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip (§§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB), während für Verfügungen gemeinschaftliches Handeln vorgesehen ist (§ 2040 Abs. 1 BGB) – freilich nicht gleichzeitiges und gleichartiges: Eine frühere Einwilligung oder eine spätere Genehmigung eines Miterben reicht aus.

 

Rz. 31

Nach h.M. berechtigt ein wirksamer Mehrheitsbeschluss die Mehrheit der Erben zwar grundsätzlich, mit Wirkung für und gegen die Gesamthandsgemeinschaft zu handeln, sie sind jedoch bei Verfügungen über Nachlassgegenstände auf die Mitwirkung der überstimmten Miterben angewiesen mit der Konsequenz, dass diese Mitwirkungspflicht notfalls gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB einzuklagen ist (vgl. hierzu das Muster Rdn 42).[45]

Die neuere Rechtsprechung des BGH,[46] einzelner OLG[47] und das jüngere Schrifttum haben sich jedoch inzwischen auch bei § 2040 Abs. 1 BGB dem Mehrheitsprinzip des § 2038 BGB i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB angenähert, obwohl der BGH seine bisherige Meinung, dass die überstimmten Miterben notfalls zu verklagen sind, noch nicht aufgegeben zu haben scheint.

Der BGH führt aus:[48]

Zitat

"… § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB geht der Regelung in § 2040 BGB, wonach die Erben über einen Nachlaßgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können, vor …"

 

Rz. 32

Für das Außenverhältnis gegenüber Dritten ergeben sich dadurch enorme Probleme, weil der Dritte nicht beurteilen kann, ob die Mehrheit handeln darf oder nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird der Dritte die Zustimmung aller Erben verlangen. Das Mitwirkungserfordernis aller Erben bei einer Verfügung ist allerdings auch gerechtfertigt, weil dem andererseits die gesamtschuldnerische Haftung jedes einzelnen Miterben gegenübersteht (§ 2058 BGB).[49] Und solange jedem Miterben die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten droht, muss er ein wirksames Mitspracherecht haben, wenn durch eine Verfügung der Nachlass als Haftungsmasse geschmälert wird.

[45] Vgl. MüKo/Gergen, § 2038 BGB Rn 53; Staudinger/Werner, § 2038 Rn 40.
[46] BGH ErbR 2015, 196 = FamRZ 2015, 497 = ZEV 2015, 339; zuvor schon BGH FamRZ 2010, 119 = NJW 2010, 765 = ZErb 2010, 37 = ZEV 2010, 36 (Kündigung eines Mietverhältnisses); BGHZ 108, 21, 30/31 = NJW 1989, 2694, 2697 = FamRZ 1989, 963; Ebenroth, Rn 765; Grüneberg/Weidlich, § 2038 Rn 2; Soergel/Wolf, § 2038 Rn 5; Jauernig/Stürner, § 2038 Anm. 1.
[47] OLG Frankfurt FamRZ 2012, 247 = ZEV 2012, 258 (sehr lesenswert); OLG Brandenburg FamRZ 2012, 821 = NJW-RR 2012, 336 = ZErb 2012, 27 = ZEV 2012, 261.
[48] BGHZ 108, 21, 30/31.
[49] A.A. Eberl-Borges, NJW 2006, 1313.

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