Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Mietverhältnisses über eine zum Nachlass gehörende Sache. Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erben können ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.

 

Normenkette

BGB §§ 745, 2038, 2040 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen 6 U 1072/05)

LG Dresden (Urteil vom 13.05.2005; Aktenzeichen 10 O 2351/04)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Dresden vom 30.11.2005 aufgehoben.

Die Berufung gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Dresden vom 13.5.2005 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dieser verurteilt wird, an die Kläger 22.597,81 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit dem 6.1.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Kläger begehren vom Beklagten Entschädigung für die Nutzung einer Immobilie.

[2] Im Jahr 1980 vermietete Herr E. S. (im Folgenden: Erblasser) das mit der "Villa H." bebaute Grundstück in R. (im Folgenden: Grundstück H.) an die Staatlichen Kunstsammlungen D. Der monatliche Mietzins betrug 399,25 M/DDR. Das Grundstück H. diente der Unterbringung der Puppentheatersammlung. 1989 verstarb der Erblasser; Erben nach ihm wurden Frau E. zu 1/4, Herr B. zu 1/2 und Frau U. zu 1/4. Letztere schenkte ihren Erbteil im Jahre 1996 dem Landesverein S. Heimatschutz e.V. (im Folgenden: Landesverein). Auf Seiten der Mieterin trat nach der Wende zum 3.10.1990 der beklagte Freistaat Sachsen als Rechtsnachfolger in den Vertrag ein.

[3] Die Miterben E. und B. verhandelten in der Folgezeit mit dem Beklagten vergeblich über eine Erhöhung des Mietzinses, der sich nach der Währungsunion auf 399,25 DM und ab 1.1.2002 auf 204,13 EUR belief.

[4] Rechtsanwältin R. kündigte u.a. mit Schreiben vom 4.3.2002 den Mietvertrag ggü. dem Beklagten zum 31.5.2002 "im Namen der Erbengemeinschaft nach E. S."; gleichzeitig widersprach sie einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Konditionen. Die Beklagte räumte das Grundstück in der Folgezeit nicht.

[5] Mit notariellem Vertrag vom 15.4.2003 verkauften die drei Miterben das Grundstück H. an die Kläger. Unter Ziff. 4 des Kaufvertrages war vereinbart, dass Besitz und die Nutzungen mit vollständiger Kaufpreiszahlung auf die Kläger übergehen. Die Kläger wurden am 14.8.2003 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

[6] Nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 5.8.2003 für das Grundstück H. einen monatlichen Mietzins von 4.078 EUR angeboten hatte, erklärte er schließlich seinerseits mit Schreiben vom 30.9.2003 die Kündigung des Mietverhältnisses mit Wirkung zum 31.12.2003. Der Beklagte gab das Grundstück H. am 5.1.2004 an die Kläger zurück.

[7] Das LG hat der auf Nutzungsentschädigung gerichteten Klage für den Zeitraum vom 4.7.2003 bis zum 31.12.2003i.H.v. 23.788,23 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Auf die von dem Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

[8] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung, soweit die Klage noch aufrechterhalten worden ist.

I.

[9] Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, das Mietverhältnis zwischen den Parteien sei erst durch die Kündigung des Beklagten zum 31.12.2003 beendet worden, weshalb bis dahin auch lediglich der vertraglich bestimmte Mietzins i.H.v. 213,04 EUR monatlich von der Beklagten geschuldet werde.

[10] Der Kündigung vom 4.3.2002 ermangele es an der notwendigen Vertretungsmacht. Es sei erforderlich gewesen, dass alle drei Miterben gemeinschaftlich i.S.v. § 2040 BGB die Kündigung des Mietverhältnisses erklärten. Die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Handelns aller Miterben ergebe sich daraus, dass die Kündigung das Mietverhältnis beende, mithin eine Verfügung hierüber i.S.v. § 2040 BGB getroffen werde und damit elementar der zentrale Satzungszweck des Landesvereins - Betreiben der Puppensammlung - verloren gehe. Eine Mitwirkung des Landesvereins sei auch nicht im Hinblick auf eine optimale Nachlassverwaltung - auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nachlasserhaltung (§§ 2038 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 745 BGB) - nach § 242 BGB entbehrlich gewesen. Einer Zustimmung zur Kündigung des Grundstücks H. hätte der eigene Satzungszweck des Landesvereins entgegengestanden.

[11] Der Landesverein als Miterbe habe weder der Zeugin R. noch dem Zeugen F. eine wirksame Vollmacht erteilt. Eine wirksame Bevollmächtigung der Zeugin R. ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht.

II.

[12] Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung stand.

[13] 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Kündigung des Mietverhältnisses eine Verfügung i.S.d. § 2040 Abs. 1 BGB ist.

[14] Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung hat der Senat für Landwirtschaftssachen nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Kündigung eines Pachtvertrages über ein Nachlassgrundstück durch eine Erbengemeinschaft als Verpächterin eine Verfügung i.S.d. § 2040 Abs. 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026). Eine solche Kündigung sei zwar keine Verfügung über das verpachtete Grundstück, wohl aber eine Verfügung über die Rechte aus dem Pachtvertrag wie die ebenfalls zu dem Nachlass gehörende Pachtzinsforderung. Auch sie gehöre zu den Rechten, auf die sich eine Verfügung i.S.v. § 2040 Abs. 1 BGB beziehen könne. Durch die Kündigung des Vertrags werde das Recht aufgehoben, denn damit erlösche der Anspruch der Erbengemeinschaft auf Zahlung des Pachtzinses (BGH, a.a.O.).

[15] 2. Jedoch war es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Wirksamkeit der Kündigung vom 4.3.2002 nicht erforderlich, dass alle drei Miterben gemeinschaftlich die Kündigung des Mietverhältnisses erklärten. Das ergibt sich aus § 2038 BGB, der die Vorschrift des § 2040 BGB im vorliegenden Fall verdrängt.

[16] Gemäß § 2038 BGB steht auch die Verwaltung des Nachlasses den Erben grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber allerdings verpflichtet, an Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind. Gemäß § 745 Abs. 1 BGB, der nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Anwendung gelangt, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Fügt sich der überstimmte Miterbe dem Mehrheitsbeschluss nicht, so können ihn die übrigen Miterben etwa auf Abgabe der für die Verfügung erforderlichen Willenserklärung verklagen. Die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung des anderen treffen. Nach § 2040 Abs. 1 BGB können die Erben über einen Nachlassgegenstand jedoch nur gemeinschaftlich verfügen.

[17] Die Frage, ob § 2040 Abs. 1 BGB für Verfügungen über einen Nachlassgegenstand ausnahmslos anwendbar ist oder ob § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB im Falle mehrheitlich beschlossener Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gegenüber § 2040 Abs. 1 BGB vorrangig ist, ist umstritten.

[18] a) Bislang ist der BGH davon ausgegangen, dass Verfügungen i.S.v. § 2040 Abs. 1 BGB stets sämtliche Miterben gemeinschaftlich vornehmen müssen, auch wenn sie zugleich Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung sind (V. BGH BGHZ 38, 122, 124). Allerdings hat der V. Zivilsenat in dem Verfahren LwZR 10/05 auf Anfrage des Senats für Landwirtschaftssachen mitgeteilt, dass er an dieser Auffassung nicht mehr festhalte (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, 1027).

[19] Der Senat für Landwirtschaftssachen hat sich in seinem Urteil vom 28.4.2006 mit der Streitfrage eingehend beschäftigt, sie im Ergebnis jedoch offen gelassen (BGH, a.a.O., S. 1027 f. m.w.N.). Allerdings hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die strikte Einhaltung des - aus der gesamthänderischen Bindung herrührenden - Prinzips des gemeinschaftlichen Handelns bei Verfügungen jedenfalls dann nicht für einsichtig halte, wenn sich die Verfügungen nicht nachteilig auf den Nachlassbestand auswirkten (a.a.O. S. 1028).

[20] In seiner Entscheidung vom 28.9.2005 (BGHZ 164, 181, 184 f.) hat der IV. Zivilsenat des BGH, der u.a. über die Frage zu entscheiden hatte, ob ein Miterbe im Rahmen der Nachlassverwaltung zur Mitwirkung an einer Verfügung verpflichtet ist, klargestellt, dass unter den Begriff der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses i.S.v. § 2038 Abs. 1 BGB alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten fallen. Dazu zählten grundsätzlich auch Verfügungen über Nachlassgegenstände, nur müsse neben der Ordnungsmäßigkeit die Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme durch besondere Umstände belegt sein, um eine Mitwirkungspflicht zu begründen (BGHZ 164, 181, 184). Die systematische Stellung des engeren § 2040 Abs. 1 BGB, der dem weitergehenden § 2038 Abs. 1 BGB nachfolge, unterstütze ein solches Verständnis, das auch durch die Entstehungsgeschichte belegt werde. Nach den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch umfasse die Verwaltung - ähnlich weit - die gesamte tatsächliche und rechtliche Verfügung über das verwaltete Gut, schließe also Veräußerungen, zu denen der Verwalter berechtigt sei, nicht aus (BGHZ 164, 181, 185 unter Verweis auf Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch 5. Bd. S. 337 zu § 1978 Abs. 1).

[21] b) In der Literatur werden verschiedene Auffassungen zu dem Verhältnis zwischen § 2038 BGB und § 2040 BGB vertreten (zum Meinungsstand s. bereits BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, 1027).

[22] aa) Eine Meinung spricht sich für einen Vorrang der Regelung des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB aus. Danach sollen mehrheitlich beschlossene Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte umfassen; Einstimmigkeit wäre demzufolge nicht erforderlich (AnwKomm/BGB/Ann 2. Aufl., § 2040 Rz. 13; ders. Anm. MittBayNot 2007, 133, 134 f.; Jauernig/Stürner BGB, 12. Aufl., § 2040 Rz. 2; Soergel/M. Wolf BGB, 13. Aufl., § 2038 Rz. 5; Frank Erbrecht 4. Aufl., § 19 Rz. 19; Leipold Erbrecht 17. Aufl. Rz. 736; Muscheler ZEV 1997, 222, 230 f.; Schopp ZMR 1967, 193, 195; Kipp/Coing Erbrecht 14. Aufl. S. 613 f.; vgl. auch Palandt/Edenhofer BGB, 68. Aufl., § 2038 Rz. 5).

[23] bb) Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, dass Verfügungen über einen Nachlassgegenstand als Maßnahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung mit Stimmenmehrheit vorgenommen werden könnten, wenn dadurch das nach § 2040 Abs. 1 BGB geschützte Interesse der anderen Miterben an der Werterhaltung des Nachlasses nicht wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. RGRK/Kregel 12. Aufl., § 2040 Rz. 2; Johannsen WM 1970, 573, 576; Ann MittBayNot 2007, 131, 134 f.; neuerdings auch Brox/Walker Erbrecht 23. Aufl. Rz. 507).

[24] cc) Die wohl überwiegende Auffassung nimmt mit der früheren Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH an, dass auch für Verfügungen über einen Nachlassgegenstand, die zugleich Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung sind, die speziellere Vorschrift des § 2040 Abs. 1 BGB gelte; danach müssten solche Verfügungen von sämtlichen Miterben gemeinschaftlich vorgenommen werden (Bamberger/Roth/Lohmann BGB, 2. Aufl., § 2040 Rz. 2; Erman/Schlüter BGB, 12. Aufl., § 2040 Rz. 3; ders. Erbrecht 15. Aufl. Rz. 685; MünchKomm/Heldrich BGB, 4. Aufl., § 2040 Rz. 3 und Rz. 7 ff.; Staudinger/Werner BGB 2002 § 2038 Rz. 40, § 2040 Rz. 1 und 18; ders. ZEV 2006, 360 f.; Bartholomeyczik FS Reinhardt 1972 S. 13, 30 ff.; Lange/Kuchinke Erbrecht 5. Aufl. S. 1130; Olzen Erbrecht 3. Aufl. Rz. 986; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2040 Rz. 1, vgl. aber auch § 2038 Rz. 5).

[25] Allerdings soll nach Auffassung einiger Autoren § 2038 Abs. 1 BGB in den Fällen gegenüber § 2040 Abs. 1 BGB den Vorrang genießen, in denen gem. § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB jeder Miterbe die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln ohne Mitwirkung der anderen treffen kann; insoweit soll er auch wirksam verfügen können (so Schlüter, a.a.O., Rz. 686; MünchKomm/Heldrich, a.a.O., § 2040 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2040 Rz. 1; Bartholomeyczik, a.a.O., S. 27 f.; Olzen, a.a.O., Rz. 987; s. auch Bamberger/Roth/Lohmann BGB § 2040 Rz. 2; dagegen Staudinger/Werner, a.a.O., § 2038 Rz. 40).

[26] c) Der Senat folgt jedenfalls für den Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses der erst genannten Auffassung (oben aa). Danach können die Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.

[27] aa) § 2038 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB ermöglicht den Erben, aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses wirksam Verpflichtungsgeschäfte zum Zwecke ordnungsgemäßer Verwaltung abzuschließen (s. nur BGHZ 56, 47, 52). Die Nachlassverwaltung umfasst sowohl Geschäftsführung wie Vertretung, betrifft also sowohl das Innen- wie das Außenverhältnis (h.M.; BGHZ 56, 47, 52; Staudinger/Werner, a.a.O., § 2038 Rz. 40 m.w.N. zum Meinungsstand; s. auch Schopp ZMR 1967, 193, 195). Wenn aber die Erben durch Mehrheitsbeschluss im Rahmen der Nachlassverwaltung verbindlich Verträge mit Dritten abschließen und damit obligatorische Rechtspositionen begründen können, ist nicht ersichtlich, wieso es ihnen verwehrt sein sollte, diese Rechte - ebenfalls mehrheitlich - wieder aufzuheben (s. dazu auch Schopp ZMR 1967, 193, 195). Die Kündigung ist ein bezogen auf das Schuldverhältnis unselbständiges, akzessorisches Gestaltungsrecht (vgl. BGHZ 95, 250, 254; BGH, Urt. v. 10.12.1997 - XII ZR 119/96, NJW 1998, 896, 897 m.w.N.). Es liegt nahe, dem Recht, einen Vertrag zu begründen, auch das Recht folgen zu lassen, diesen wieder zu kündigen.

[28] Zwar bezieht sich die hier im Streit stehende Kündigung auf ein Mietverhältnis, das bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hatte und damit nicht erst von den Erben begründet worden ist; sie stellt mithin eine Verfügung über die zum Nachlass gehörende Mietzinsforderung dar (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026 zur Pachtzinsforderung). Nichts anderes würde sich aber ergeben, wenn die Erben im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss gem. §§ 2038, 745 BGB selbst einen Mietvertrag mit einem Dritten über eine zum Nachlass gehörende Immobilie abschlössen. Denn gem. § 2041 Satz 1 BGB würde die aufgrund dieses Vertrages entstehende Mietzinsforderung im Wege der Surrogation ebenfalls in den Nachlass fallen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1968 - III ZR 63/66, NJW 1968, 1824).

[29] Das Argument, aus dem der Gesamthandsgemeinschaft innewohnenden Prinzip der Gemeinschaftlichkeit folge die Notwendigkeit, einstimmig zu handeln, vermag nicht zu überzeugen. Denn dieser Grundsatz ist bereits durch die Verwaltungsregelung in § 2038 BGB, die u.a. auch Mehrheitsentscheidungen zulässt, mehrfach durchbrochen (BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, 1028). Hinzu kommt, dass selbst Vertreter der überwiegenden Auffassung bei Maßregeln, die gem. § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB zur Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, mit guten Gründen jeden Miterben ohne Mitwirkung der anderen für verfügungsberechtigt erachten, obgleich § 2040 Abs. 1 BGB seinem Wortlaut nach (auch) keine Ausnahmen für sog. Notverfügungen zulässt (vgl. Muscheler ZEV 1997, 222, 231 und Frank, a.a.O., Rz. 19).

[30] Schließlich sind die Erben, die sich in der Minderheit befinden, auch ohne ein aus § 2040 Abs. 1 BGB hergeleitetes "Vetorecht" (so MünchKomm/Heldrich, a.a.O., § 2040 Rz. 1) hinreichend geschützt. Zwar kann die Mehrheit der Erben - folgt man der überwiegenden Auffassung - gegen das Veto des überstimmten Erben ohne ein gerichtliches Verfahren, das auf Abgabe der für die Verfügung erforderlichen Willenserklärung gerichtet ist, über den Nachlassgegenstand nicht wirksam verfügen. In diesem Verfahren kann der überstimmte Erbe überprüfen lassen, ob der Mehrheitsbeschluss den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügt. Das ändert aber nichts daran, dass Verfügungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, ohnehin unwirksam sind und damit eine Rechtsänderung nicht zu begründen vermögen. Dass eine etwa notwendig werdende Rückabwicklung mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, muss im Interesse der Verkehrsfähigkeit des Nachlasses hingenommen werden, zumal Schadensersatzansprüche gegen die Mehrheitserben hinreichenden Schutz gewähren (vgl. BGHZ 164, 181, 184; Muscheler ZEV 1997, 222, 231).

[31] Der überwiegenden Auffassung, wonach bei Verfügungen, die ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen i.S.d. § 2038 Abs. 1 BGB darstellen, ausnahmslos § 2040 Abs. 1 BGB als speziellere Norm zur Anwendung gelangen soll, vermag der Senat daher jedenfalls für den vorliegenden Fall der Kündigung nicht zu folgen.

[32] bb) Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist freilich, dass es sich bei ihr um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt. Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten (BGHZ 164, 181, 184; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2038 Rz. 3). Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme ist aus objektiver Sicht zu beurteilen. Entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (BGHZ 6, 76, 81; 164, 181, 188; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2038 Rz. 6). Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 3 BGB kann eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes, also des gesamten Nachlasses (BGHZ 164, 181, 186 =), nicht beschlossen werden.

[33] Daraus folgt, dass Kündigungen, die dem Interesse des einzelnen Miterben an der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werden, mithin zu einer Entwertung des Nachlasses führen, keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen können (vgl. auch Soergel/M. Wolf, a.a.O., § 2040 Rz. 1; Frank, a.a.O.; offen gelassen von BGH, Urt. v. 28.4.2006 - LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, 1027). Einer gesonderten Heranziehung des diesen Kriterien entsprechenden Schutzzweckes des § 2040 Abs. 1 BGB (so BGH, a.a.O.; Ann MittBayNot 2007, 133, 134 f.) bedarf es daher nach Auffassung des Senats nicht. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Minderheitserbe gem. § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB ohnehin verpflichtet ist, an den Maßregeln mitzuwirken, die zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind.

[34] Geschützt ist allerdings nur das Interesse der Erben, eine Entwertung des Nachlasses zu vermeiden (BGH, a.a.O.). Darüber hinaus gehende Interessen, wie vorliegend etwa das Interesse des Landesvereins, den Mietvertrag fortzuführen, um die Unterbringung der staatlichen Puppentheatersammlung zu gewährleisten, oder ein etwaiges Interesse, die Räumlichkeiten entsprechend ihrer historischen Bedeutung kulturell für die Öffentlichkeit zugänglich zu nutzen, bleiben außer Betracht. Denn nach §§ 2038, 745 BGB muss der einzelne Miterbe den Entzug der konkreten Nutzungsmöglichkeit hinnehmen, weil die vorgenannten Normen nur die Nutzungsquote, nicht aber die reale Eigennutzung gewährleisten (BGHZ 164, 181, 188).

[5] d) Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene und zugleich verneinte Frage, ob eine Mitwirkung des Landesvereins als Miterbe nach § 242 BGB im Hinblick auf eine "optimale Nachlassverwaltung" entbehrlich gewesen sei, kommt es mithin nicht an. Deshalb kann auch die Frage dahinstehen, ob das Berufungsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör der Kläger verletzt hat, weil es seiner Entscheidung fälschlicherweise zugrunde gelegt hat, dass der Erblasser den Landesverein als Erben eingesetzt habe.

[36] 3. Gemessen an den vorstehend genannten Anforderungen ist der mit dem Beklagten bestehende Mietvertrag mit Schreiben vom 4.3.2002 von der Erbengemeinschaft wirksam zum 31.5.2002 gekündigt worden. Die Kündigung erfolgte durch Mehrheitsbeschluss seitens der Erben und entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung.

[37] a) Zwar hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines Mehrheitsbeschlusses i.S.v. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB - aus seiner Sicht konsequent - nicht ausdrücklich festgestellt. Gleichwohl kann der Senat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Dass das Berufungsgericht vom Vorliegen eines Mehrheitsbeschlusses ausgegangen ist, lässt sich den Urteilsgründen entnehmen. Nachdem das LG zunächst festgestellt hatte, dass die die Kündigung aussprechende Zeugin R. hierzu von allen drei Miterben bevollmächtigt worden sei, hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass alle drei Miterben gemeinschaftlich i.S.v. § 2040 Abs. 1 BGB die Kündigung des Mietverhältnisses hätten erklären müssen, eine wirksame Vollmacht hinsichtlich des Landesvereins jedoch gefehlt habe. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts waren die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft Erben zu 1/4 und zu 1/2. Damit war Stimmenmehrheit nicht nur nach Köpfen, sondern - was hier gem. §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 Satz 2 BGB maßgeblich ist - auch nach der durch den Erbfall begründeten Erbteilsgröße gegeben (Muscheler ZEV 1997, 169, 173). Da es zur Beschlussfassung nicht der Einhaltung eines bestimmten Verfahrens bedarf (BGHR BGB § 745 Abs. 1 - Verwaltungsmaßnahme 1), die Beschlussfassung damit auch konkludent erfolgen kann (Muscheler ZEV 1997, 169, 173), lagen hier die Voraussetzungen für einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss vor.

[38] b) Die Kündigung entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar hat sich das Berufungsgericht nicht damit befasst, ob die Voraussetzungen der §§ 2038, 745 BGB vorliegen. Andererseits hat es Feststellungen dazu getroffen, was die Beklagte ausweislich des Mietvertrages an Miete zu zahlen hatte, nämlich monatlich 204,13 EUR. Außerdem hat es im Tatbestand seines Urteils festgestellt, dass der Beklagte ausweislich seines Schreibens vom 5.8.2003 einen monatlichen Mietzins i.H.v. 4.078 EUR angeboten hatte. Aus diesem Schreiben geht zudem hervor, dass der Beklagte diesen Betrag unter Zugrundelegung des örtlichen Mietzinsniveaus ermittelt hatte. Die Kündigung des Mietvertrages ggü. dem Beklagten stellt sich demnach objektiv als wirtschaftlich vernünftig dar, weil die Vermietung des - unstreitig - 4.900 m2 großen Hausgrundstückes (mit 1.090 m2 Nutzfläche) für nur 204,13 EUR monatlich für die Erbengemeinschaft offenkundig unwirtschaftlich war. Hinzu kommt, dass der Beklagte ersichtlich selbst von einem angemessenen Mietzins von monatlich 4.078 EUR ausgegangen ist. Bei einem so offensichtlichen Missverhältnis zwischen angemessener Miete und bezahlter Miete bedarf es keiner weiteren Feststellungen. Damit führt die Kündigung des Mietverhältnisses auch nicht zu einer Entwertung des Nachlasses; vielmehr ermöglicht sie den Abschluss eines neuen Mietverhältnisses zu besseren, den Wert des Nachlasses steigernden Konditionen.

[39] 4. Da die Kündigung mithin zum 31.5.2002 wirksam ausgesprochen worden ist, der Beklagte das Mietobjekt indes erst Anfang 2004 an die Kläger zurückgegeben hat, hat das LG ihnen zu Recht für den hier streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 546a Abs. 1 BGB zugesprochen. Die Höhe des Anspruchs bemisst sich nach der ortsüblichen Miete, die nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien mit 4.078 EUR monatlich in Ansatz zu bringen ist. Diesem vom LG gewählten Ansatz ist der Beklagte mit seiner Berufung nicht entgegengetreten. Freilich ist hiervon der vom Beklagten in dem fraglichen Zeitraum gezahlte Mietzins in Abzug zu bringen. Soweit den Klägern Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zu ihrer Eintragung ins Grundbuch aus abgetretenem Recht zuzuerkennen ist, beruht dies auf den entsprechenden vom Beklagten mit seiner Berufung nicht angegriffenen und vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.

III.

[40] Demgemäß war das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Die im Tenor enthaltene Einschränkung beruht auf dem Umstand, dass die Kläger ihre Klage wegen der von dem Beklagten geleisteten Mietzahlungen in der Berufungsinstanz teilweise zurückgenommen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2265784

BGHZ 2010, 131

NJW 2010, 765

NWB 2009, 3985

DWW 2010, 52

EBE/BGH 2009

FamRZ 2010, 119

FamRZ 2010, 204

DNotI-Report 2010, 17

JR 2010, 532

NZM 2010, 161

WM 2010, 429

ZAP 2010, 60

ZEV 2010, 36

ZfIR 2010, 83

DNotZ 2010, 210

JZ 2011, 478

JuS 2010, 543

MDR 2010, 138

WuM 2010, 185

ErbR 2010, 88

GuT 2010, 32

Info M 2010, 13

MietRB 2010, 82

NJW-Spezial 2010, 129

NWB direkt 2009, 1367

NotBZ 2010, 306

RÜ 2010, 89

ZErb 2010, 37

ZFE 2010, 117

EE 2010, 19

LL 2010, 150

NRÜ 2010, 16

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