1. Gesetzliche Regelung

a) Unsicherheit über vorrangige Rechtsverhältnisse

 

Rz. 219

Für verschiedene Fälle, die in der Praxis selten sind, ordnet das Gesetz in § 2043 BGB den Aufschub der Auseinandersetzung an: wenn die Erbteile wegen

der zu erwartenden Geburt eines Miterben,
eines noch offenen Antrags über eine Annahme an Kindes statt oder
der noch ausstehenden Genehmigung einer vom Erblasser errichteten Stiftung

noch unbestimmt sind. Eine analoge Anwendung dürfte aufgrund der gesetzgeberischen Intention eher nicht in Betracht kommen.

b) Nicht fällige Nachlassverbindlichkeiten

 

Rz. 220

Bei nicht fälligen oder streitigen Verbindlichkeiten kann jeder Miterbe verlangen, dass das Erforderliche zurückbehalten wird, § 2046 Abs. 1 BGB. Besteht nur unter den Miterben Streit darüber, ob eine Verbindlichkeit besteht, so reicht dies aus, um entsprechende Mittel zurückzubehalten. Dasselbe gilt auch für Streitigkeiten über Ausgleichungspflichten nach §§ 2050 ff. BGB.[248]

Die zurückbehaltenen Mittel bleiben gemeinschaftlich auch nach der Teilung der übrigen Nachlassgegenstände. Insofern besteht nur Anspruch auf eine teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses. Praktische Bedeutung gewinnt das Problem der Zurückbehaltung von Nachlassmitteln bei einer zu erwartenden steuerrechtlichen Nachveranlagung des Erblassers.

Jeder Miterbe kann den Aufschub der Auseinandersetzung verlangen, bis ein Aufgebot der Nachlassgläubiger abgeschlossen ist, § 2045 BGB.

[248] KG OLGZ 9, 389; Staudinger/Löhnig, § 2046 Rn 15; MüKo/Ann, § 2046 Rn 10; Palandt/Weidlich, § 2046 Rn 1, 2.

2. Auseinandersetzungsausschluss aufgrund letztwilliger Verfügung

 

Rz. 221

Die Fälle des vom Erblasser selbst angeordneten Ausschlusses der Auseinandersetzung sind von großer praktischer Bedeutung. Nach § 2044 Abs. 1 BGB kann der Erblasser die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände auf Dauer oder für einen bestimmten Zeitraum ausschließen.[249] Möglich ist auch die Auseinandersetzung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist.

[249] Überblick bei: Muscheler, ZEV 2010, 340.

a) Rechtsnatur des Auseinandersetzungsausschlusses

 

Rz. 222

Sog. Teilungsverbote können rechtlich qualifiziert werden als

eine rechtlich nicht bindende Bitte,
eine Anordnung nach § 2044 Abs. 1 BGB,
eine Auflage (§§ 1940, 2194 ff. BGB),
ein Vermächtnis (§§ 1939, 2147 ff. BGB),
unter Umständen eine bedingte Erbeinsetzung.[250]
 

Rz. 223

Je nach Qualifikation sind die Rechtsfolgen ganz unterschiedlich: Nur als Auflage oder Vermächtnis kommt eine Bindung in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament in Betracht. Nur das Vermächtnis oder die bedingte Erbeinsetzung könnte ausgeschlagen werden. Der Wille des Erblassers ist notfalls durch Auslegung unter Zugrundelegung des Normzwecks zu ermitteln.

[250] Vgl. Bengel, ZEV 1995, 178.

b) Keine Bindung für die Erben

 

Rz. 224

Die reine Anordnung des Erblassers nach § 2044 BGB wirkt nur schuldrechtlich. Für die Verfügungsbefugnis der Miterben über die Nachlassgegenstände bedeutet dies, dass ihre Verfügungsmacht nach § 2040 BGB nach außen nicht beschränkt ist, weil dem Gesetz ein dinglich wirkendes rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot nach § 137 BGB fremd ist.

 

Rz. 225

Die Erben können sich einvernehmlich über den Auseinandersetzungsausschluss des Erblassers hinwegsetzen und entgegen seiner Anordnung die sofortige Auseinandersetzung vornehmen.[251]

Wollte der Erblasser eine solche Umgehung seines Willens verhindern, so müsste er Testamentsvollstreckung anordnen. Der TV ist an das Auseinandersetzungsverbot des Erblassers gebunden (§§ 2204, 2044 BGB). Aber selbst in diesem Fall könnten sich TV, alle Erben und die Vermächtnisnehmer bei entsprechender Einigung über das Verbot des Erblassers hinwegsetzen.[252]

[251] BGHZ 40, 115, 118.
[252] BGHZ 40, 115, 118, BGHZ 56, 275, 281; a.A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.11.2000 – 3 W 175/00, DNotZ 2001, 400 m. abl. Anm. Winkler.

c) Grenzen des Auseinandersetzungsausschlusses

 

Rz. 226

Zeitliche Grenze: Nach § 2044 Abs. 2 BGB wird das Verbot nach Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall wirkungslos (mit Ausnahmen in § 2044 Abs. 2 S. 2 BGB, wenn der Erblasser die Aufhebung des Ausschlusses vom Eintritt bestimmter Ereignisse abhängig macht).

 

Rz. 227

Tod eines Miterben: Eine zeitlich begrenzte Ausschlussanordnung tritt beim Tod eines Miterben außer Kraft (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 750 BGB), es sei denn, es wäre etwas anderes angeordnet (was natürlich auch durch Auslegung ermittelt werden kann).

 

Rz. 228

Gläubiger: Gegenüber Gläubigern der Erben ist das Auseinandersetzungsverbot bei Pfändung des Erbteils wirkungslos (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 751 S. 2 BGB), sobald der Erbteil aufgrund eines endgültig vollstreckbaren Titels gepfändet wurde.

 

Rz. 229

Das Auseinandersetzungsverbot ist auch wirkungslos in der Insolvenz des Miterben nach § 84 Abs. 2 InsO.

 

Rz. 230

Wichtiger Grund: Die Anordnung wird bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 749 Abs. 2 BGB). Ein wichtiger Grund ist seit 1.1.1999 der Eintritt der Volljährigkeit eines minderjährigen Miterben (§ 1629a Abs. 4 BGB, siehe dazu Rdn 232 ff.). In der Rechtsprechung wird zu klären sein, ob § 314 BGB über das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen auch auf die Erbengemeinschaft anzuwenden ist.[253]

 

Rz. 231

Grenzen durch Pflichtteils...

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