Rz. 211

Vor Ausübung des Wahlrechts zwischen den drei Haftungsansprüchen (siehe Rdn  63 f.) müssen sorgfältig die Vor- und Nachteile abgewogen werden.[571] Die Minderung steht statt Rücktritt zur Wahl (§ 441 Abs. 1 BGB). Mit wirksamem Rücktritt entfallen das Wahlrecht und das Recht auf Minderung.[572] Es lebt wieder auf, wenn weitere Mängel entdeckt werden. Soll dann zum Rücktritt übergegangen werden, muss erneut Fristsetzung zur Nachbesserung erfolgen, wenn die Mängel behebbar sind.[573] Falls der Verkäufer die Wirksamkeit des Rücktritts bestreitet, z.B. weil angeblich keine erhebliche Pflichtverletzung vorliegt, kann ausnahmsweise der Übergang zum Minderungsrecht gem. § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens in Betracht kommen.[574] Es wird daher auch empfohlen, bei Zweifeln bezüglich der Erheblichkeit der Pflichtverletzung hilfsweise zum Rücktritt auch die Minderung zu erklären,[575] die auch bei unerheblichen Mängeln greift (vgl. auch Rdn 133, 206). Das ist z.B. besonders wichtig bei einem Kraftstoffmehrverbrauch von unter 10 %, da ein Rücktritt dann nicht zulässig ist (vgl. Rdn 139).[576]

 

Rz. 212

Vor der Rücktrittserklärung muss der anwaltliche Berater die Folgen einer möglichen oder bereits eingetretenen Verschlechterung oder eines Untergangs der Kaufsache (siehe Rdn 173 f.) sowie die voraussichtliche Leistung des Fahrzeugs bzw. Verfahrensdauer (siehe Rdn 186 ff.) im Auge behalten. Auch bei hohen Vertragskosten, wie z.B. für eine Gebrauchtwagengarantie,[577] kann der Rücktritt der ungünstigere Rechtsbehelfe als die Nacherfüllung oder die Minderung sein, da Vertragskosten im Rahmen des Rücktritts nicht ersetzt werden (siehe Rdn 183 ff.), sondern nur als Schadensersatz (siehe Rdn 231).

 

Rz. 213

Lehnt der Verkäufer die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßig hoher Kosten ab (siehe Rdn 108), hat der Käufer das zusätzliche Prozessrisiko, dass ein Gericht die Auffassung des Verkäufers teilt, so dass trotz Sachmangels die Klage abgewiesen wird. Es sollte also immer hilfsweise Rücktritt, Minderung oder/und Schadensersatz in Form eines Hilfsantrags eingeklagt werden. Dennoch drohen Kostennachteile, wenn nur dem Hilfsantrag stattgegeben wird.

 

Rz. 214

 

Praxistipp

Aus den vorgenannten Gründen sollte bei Zweifeln bezüglich der Erheblichkeit der Pflichtverletzung hilfsweise zum Rücktritt auch die Minderung erklärt werden und bei Zweifeln bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten hilfsweise zur Nacherfüllung auch Rücktritt oder Minderung bzw. Schadensersatz geltend gemacht und im Wege eines Hilfsantrags eingeklagt werden.

[571] Hierzu Motsch, JR 2002, 221; MüKo/Westermann, § 437 Rn 50 f.
[572] Boerner, ZIP 2001, 2264, 2279; Derleder, NJW 2003, 998.
[573] KG DAR 2010, 267.
[574] Westenbruch, JZ 2002, 862; Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn 27.
[575] Reinking, DAR 2002, 15, 20.
[576] LG Kiel DAR 2017, 41.
[577] OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 431.

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