Rz. 137

Der Rücktritt setzt gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB voraus, dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung.[315] Die Unerheblichkeit muss der Verkäufer substantiiert darlegen und beweisen.[316] Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung,[317] die provisorische nachträgliche Mängelbeseitigung durch einen Sachverständigen ist unerheblich. Ein zum Zeitpunkt. des Rücktritts erheblicher Mangel, dessen Ursache und Beseitigungskosten unklar sind, wird also nicht dadurch zu einem geringfügigen Mangel, dass sich die Beseitigungskosten nachträglich als geringfügig herausstellen.[318] Ist der Mangel zum Zeitpunkt des Rücktritts allerdings nur deshalb unerheblich, weil eine vorausgegangene Nachbesserung teilweise – aber eben nicht ganz – gelungen ist, ist der Rücktritt zulässig, wenn der Mangel vor dem Nachbesserungsversuch erheblich war.[319]

 

Rz. 138

Zu berücksichtigen sind der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand, das Maß der funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigung, die Dauer des Nutzungsausfalls für den Käufer,[320] nach richtiger Auffassung auch das Maß des Fehlverhaltens/Verschuldens des Verkäufers,[321] wie z.B. arglistiges Verhalten (vgl. § 13 Rdn 14 ff.), denn § 323 Abs. 5 S. 2 BGB stellt auf das Maß der Pflichtverletzung ab,[322] nicht nur auf Art und Schwere des Mangels.[323] Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist.[324] Bezugspunkt für die Erheblichkeit des Mangels kann auch die mangelhafte Qualität der Nacherfüllung sein.[325] Bei geringer Abweichung der Qualität der Nachbesserung vom eigentlich geschuldeten Erfolg entfällt aber nicht die ursprünglich gegebene erhebliche Pflichtverletzung.[326]

 

Rz. 139

Bei einem behebbaren Mangel ist von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung i.d.R. nicht mehr auszugehen, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand bei einem Neufahrzeug einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt.[327] Bei einem Gebrauchtfahrzeug kann die Erheblichkeitsgrenze etwas höher liegen.[328] Abgesehen von dieser Klarstellung durch den BGH hat die Rechtsprechung[329] weiterhin ein unübersichtliches Ausmaß:

Als nicht erheblich werden Mängel angesehen,

die mit ganz geringem Aufwand selbst beseitigt werden können,[330]
die in Kürze von selbst verschwinden,[331]
ein Defekt an der Navigationsanlage,[332]
drei statt zwei Vorbesitzer bei 7,5 Jahre altem Fahrzeug,[333]
bei einer um 8,37 % höheren Fahrleistung, als der Kilometerstand ausweist,[334]
ein serienmäßiger Türenversatz von 1,8 mm,[335]
eine Geschwindigkeitsunterschreitung um weniger als 5 %,[336]
wenn bei einem Unfallfahrzeug der merkantile Minderwert niedriger als 1 % vom Kaufpreis liegt,[337]
einzelne Tropfen an der inneren Windschutzscheibe eines Cabrios beim Durchfahren einer Waschstraße,[338]
ein Kraftstoffmehrverbrauch von weniger als 10 %,[339] von 3,03 %,[340]
ein Defekt an der Lenkradfernbedienung für Radio, CD und Navi.[341]
 

Rz. 140

Bejaht wurde die Erheblichkeit des Mangels bei

einem undichten Fahrzeug trotz geringer Reparaturkosten,[342]
einer um 20 % zu hohen Laufleistung,[343]
einem falschen Modelljahr,[344] einer Standzeit von 31 Monaten,[345]
einem mit Kosten von 400 bis 450 EUR beseitigten Unfallschaden bei Garantie für Unfallfreiheit,[346]
Nichterfüllung einer Beschaffenheitsvereinbarung[347] (mit Ausnahmen),[348]
einem Nachbesserungsaufwand von 5 % des Pkw-Kaufpreises,[349]
Schaltverzögerung bei Automatikgetriebe,[350]
nicht zuverlässig schließendem Cabrioverdeck,[351]
abweichender Motorisierung[352] oder um 8–11 % zu geringer Motorleistung,[353]
lediglich defektem Zündkerzenstecker und grob fehlerhaften Nachbesserungsver­halten,[354]
quietschenden Bremsgeräuschen bei Fahrzeug gehobener Kategorie.[355]
mangelhaftem Standheizungstimer trotz mehrerer Reparaturversuche bei 2,5 % Kosten vom Kaufpreis (Neufahrzeug),[356]
fehlerhafter Bremsflüssigkeitsanzeige bei Reparaturkosten von nur 1,29 % des Kaufpreises,[357]
mangelnder Bodenfreiheit (Neufahrzeug),[358]
abweichender Lackierung (Neufahrzeug),[359]
Startproblemen (Neufahrzeug),[360]
Reparaturkosten von 7,18 % des Kaufpreises,[361]
einem Mangel, der einer TÜV-Abnahme entgegensteht, unabhängig vom Kostenaufwand,[362]
Kraftstoffmehrverbrauch von mehr als 10 %,[363]
unzutreffenden Warnanzeigen[364] und Phantommeldungen eines Bordcomputers,[365]
Geruchsbelästigung (anomaler gummiähnlicher Geruch),[366]
fehlenden Orientierungslinien für Rückfahrkamera bei unübersichtlichem Fahrzeug.[367]
 

Rz. 141

Im Fall der VW-Abgasproblematik ist streitig, ob von einer erheblichen Pflichtverletzung auszugehen ist, weil die Kosten für die Entwicklung des Software-Updates und der logistische Aufwand zu berücksichtigen sind,[368] oder ob die Pflichtverletzung nicht erheblich ist, weil die konkreten Händ...

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