Rz. 14

Arglist geht weiter als Vorsatz (vgl. § 11 Rdn 240), setzt zumindest Eventualvorsatz voraus,[33] jedoch keinen Betrug i.S.d. § 263 StGB.[34] Verlangt wird nicht nur ein bewusster und gewollter Pflichtverstoß, sondern auch die Gewissheit, beim Käufer einen Irrtum über die Beschaffenheit der Kaufsache hervorzurufen oder zu unterhalten.[35] Eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht wird dagegen nicht verlangt.[36] Damit wird eine schwer greifbare Grenze zum strafrechtlich relevanten Betrug (§ 263 StGB) gezogen.[37] Arglist erfasst nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz i.S. eines "Inkaufnehmens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss.[38]

Im Einzelnen setzt Arglist subjektiv voraus,[39] dass der Verkäufer:

den Mangel bei Abschluss des Vertrags kennt oder ihn für möglich hält (erleichterte Beweislast beim Käufer, Indizien genügen),[40]
weiß oder damit rechnet, dass der Käufer den Sachmangel nicht kennt (Beweislast für Kenntnis des Käufers beim Verkäufer),
weiß oder damit rechnet, der Käufer werde den Vertrag bei Kenntnis des Mangels nicht oder jedenfalls nicht zu den konkreten Bedingungen schließen (erleichterte Beweislast beim Käufer, i.d.R. Anscheinsbeweis).[41]
Bei zwei Verkäufern genügt die Arglist von einem der beiden, um auch dem anderen den vertraglichen Gewährleistungsausschluss zu verschließen.[42]
 

Rz. 15

Nachdem die Rechtsprechung bis zur Schuldrechtsreform (1.1.2001) wegen des Fehlens einer Fahrlässigkeitshaftung und der unerwünscht weitgehenden Möglichkeit des Sachmängelhaftungsausschlusses in einem eigentümlichen Umkehrschluss ("Flucht in die Arglist")[43] die subjektiven Tatelemente als gegeben unterstellt hat, weil diese Verpflichtungen dem Verkäufer obliegen, kann jedoch in dieses Fällen (z.B. der Händler unterlässt die Sichtprüfung des Fahrzeugs und weist den Kunden nicht darauf hin) wegen des zumeist nicht aufklärbaren subjektiven Tatbestandes häufig nur ein fahrlässiger Vorwurf nachgewiesen werden.[44]

 

Rz. 16

Das gilt auch für die Fälle, bei denen Fehler oder Unfallfreiheit gewissermaßen "ins Blaue hinein" behauptet werden, d.h. ohne Gewissheit, ob die Behauptung zutrifft. Hier kam die Rechtsprechung[45] in aller Regel zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer "arglistig" handelte.[46] Sie forderte, ließ es aber auch genügen, dass der Verkäufer wenigstens mit der Unwahrheit seiner Behauptung gerechnet haben muss.[47] Solange der Verkäufer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Fehlerfreiheit und Unfallfreiheit vertraute, was ihm schwerlich widerlegt werden kann, ist eben die Schwelle von der bewussten Fahrlässigkeit zum bedingten Vorsatz (als Mindestbestandteil der Arglist) noch nicht überschritten.[48] Im Zuge der Schuldrechtsreform, durch welche die Fahrlässigkeitshaftung eingeführt und die Möglichkeit des Sachmängelhaftungsausschlusses beschränkt wird, sollte diese "Haftung für Fahrlässigkeit" nach Arglistregeln[49] wieder zurückgeführt werden auf das, was sie ist, nämlich eine Haftung für grobe Fahrlässigkeit.

 

Rz. 17

Arglist wurde bejaht, wenn die Fragen nach einem offenbarungspflichtigen Unfallschaden (also kein Bagatellschaden, vgl. § 12 Rdn 28 f.)[50] verneint oder das Ausmaß des Schadens bagatellisiert wurde.[51]

 

Rz. 18

Art und Umfang der Beschädigung oder der Instandsetzungsarbeiten seien mitzuteilen.[52] Das OLG München[53] hielt es bereits für arglistig, dass der Händler zwar auf einen Unfall mit Frontschaden hinwies, bei dem Windschutzscheibe, Motorhaube, Kotflügel und Radhaus betroffen waren, jedoch den ebenfalls aufgetretenen vollständig beseitigten Rahmenschaden nicht erwähnte. Hat der Verkäufer selbst repariert oder reparieren lassen, werden an seine Aufklärungspflicht zu Recht strenge Anforderungen gestellt,[54] auch bei einer länger zurückliegenden Instandsetzung,[55] insb. bei Billigreparaturen im Ausland.[56] Arglist wurde auch bejaht, weil der Verkäufer trotz konkreter Bedenken bezüglich der Laufleistung wegen des Erwerbs von einem ihm unbekannten "fliegenden Zwischenhändler" diese dem Käufer nicht von sich aus offenbart hat.[57]

 

Rz. 19

Die Aufklärungspflicht besteht auch, wenn der Käufer nicht nach einem Unfall fragt,[58] ist allerdings weniger weitgehend. Einem desinteressierten Käufer, der aufgrund eines allgemeinen Hinweises auf einen Unfallschaden keine weiter gehenden Fragen stellt, schuldet der Verkäufer keine Einzelbeschreibung des Schadensbildes.[59]

 

Rz. 20

Auch bei Verschweigen oder Täuschung über andere Beschaffenheitsmerkmale als die Unfallfreiheit liegt in der Regel Arglist vor, insbesondere in folgenden Fällen:

bei einer höheren Laufleistung,[60]
bei einer überlangen Standzeit (drei Jahre und drei Monate),[61]
beim Fehlen von Allradantrieb bei einem Geländefahrzeug,[62]
dem Verschweigen der Reimport-Eigenschaft,[63]
beim Verschweigen eines konkreten Unfallverdachts.[64]
 

Rz. 21

Darüber hinaus b...

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