Rz. 14

Insgesamt soll der Grundsatz, dass die Betreuung nur für konkret erforderliche Aufgabenkreise angeordnet wird, deutlich stärker betont werden.[18] Eine pauschale Anordnung der Betreuung für "alle Aufgabenkreise" ist schon heute grundsätzlich unzulässig, soll es nun ausdrücklich sein.[19] Kennzeichnend ist dabei die Rechtsprechung des BGH zum Aufgabenkreis "Vermögenssorge", der häufig routinemäßig angeordnet wird, ohne den konkreten Bedarf darzulegen.[20] Mit der Reform soll dies durch die Verpflichtung zur Benennung der einzelnen Aufgabenkreise noch stärker betont werden, § 1815 Abs. 1 BGB n.F. (bislang ähnlich in § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB n.F.). Eine faktische Betreuungsanordnung für alle Aufgabenkreise durch Benennung von zahlreichen Aufgabenkreisen wird damit nicht ausgeschlossen werden[21] und Bereiche sollen auch weiter bezeichnet werden dürfen.[22] Sprachlich werden Aufgabenkreise nun "angeordnet" und nicht mehr "bestimmt."[23]

 

Rz. 15

Es entspricht den Grundsätzen des Betreuungsrechts, im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung den Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen so eng wie möglich zu fassen. Allerdings ist es fraglich, ob dies in der Praxis umfassend beachtet werden wird. Die Tendenz, lieber einen Aufgabenkreis zu viel als zu wenig anzuordnen, hat praktische Gründe. So ist es für die Vergütung des Betreuers unerheblich, ob ihm ein oder zehn Aufgabenkreise zugewiesen sind; die Entscheidung bleibt also kostenneutral. Zudem werden ohne den Aufgabenkreis Vermögenssorge Schwierigkeiten bei der Betreuungsführung z.B. gegenüber Banken auch bei eigentlich vermögenslosen Betroffenen befürchtet. Schließlich ist die nachträgliche Anordnung eines weiteren Aufgabenkreises für alle Beteiligten mühsam (eine Erleichterung soll § 293 Abs. 3 FamFG n.F. schaffen, dazu Rdn 19), wogegen ein ungenutzter Aufgabenkreis als nicht störend angesehen wird.

 

Rz. 16

Nach wie vor bedeutet die Zuweisung eines Aufgabenkreises keine direkte Pflicht des Betreuers, in diesem Bereich alles für den Betreuten zu erledigen. Dies wird durch die Reform und insbesondere durch § 1821 BGB n.F. noch einmal betont. Der Betreuer soll nur handeln, wenn es der Betreute nicht kann oder möchte und es dem Wunsch des Betreuten entspricht.[24]

[18] Umfassend: Schneider, FamRZ 2022, 1.
[19] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 234; Schnellenbach/Joecker/Normann-Scheerer, BtPrax 2019, 127, 128.
[21] Schneider, BtPrax 2021, 9, 11.
[22] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 234.
[23] Grziwotz, ZRP 2020, 248, 249.
[24] Vgl. Schneider, FamRZ 2022, 1, 4.

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