Rz. 29

Die Kindschaftssachen aus § 151 FamFG können nach den §§ 49 ff. FamFG auch im Wege der einstweiligen Anordnung durch das Familiengericht vorläufig geregelt werden, wenn dafür ein dringendes Bedürfnis besteht. Zuständig ist das Gericht, dass für die Hauptsache im ersten Rechtszug zuständig wäre (§ 50 FamFG). Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist eine selbstständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist (§ 51 Abs. 3 FamFG, § 17 Nr. 4 Lit. b RVG); es ist also nicht Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung, dass ein Verfahren in der Hauptsache bereits anhängig ist.

 

Hinweis:

Nach § 49 FamFG ist es nicht erforderlich, dass vor Beantragung einer einstweiligen Anordnung ein Verfahren in der Hauptsache anhängig ist oder ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bereits gestellt ist. Dafür kann nach Erlass der einstweiligen Anordnung die Einleitung eines Verfahrens in der Hauptsache nach § 52 Abs. 2 FamFG binnen einer Frist dadurch erzwungen werden, dass nach Ablauf der Frist die einstweilige Anordnung aufgehoben wird, wenn die Hauptsache nicht anhängig wird.

 

Rz. 30

Der Verfahrenswert für eine einstweilige Anordnung ist wegen deren geringeren Bedeutung niedriger als der Wert der Hauptsache. Gemäß § 41 S. 2 FamGKG ist für den Wert der einstweiligen Anordnung von der Hälfte des Wertes der Hauptsache auszugehen. Dies ist kein Problem, wenn die Hauptsache bereits anhängig ist, denn dann ist deren Wert bekannt. Auch wenn das Verfahren in der Hauptsache erst später beantragt wird, setzt das Gericht dann deren Wert fest. Sollte jedoch die einstweilige Anordnung zu einer endgültigen Regelung führen, weil die Beteiligten kein Verfahren in der Hauptsache mehr einleiten, dann ist für die Bestimmung des Wertes der einstweiligen Anordnung festzustellen, ob die Hauptsache als selbstständige Kindschaftssache oder als Folgesache im Scheidungsverbund betrieben worden wäre.

Da sich laut § 41 FamGKG der Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung nach dem Wert der Hauptsache richtet, ist zunächst festzustellen, ob ein, und dann welches, Hauptsacheverfahren anhängig ist oder anhängig geworden wäre. Es ergibt einen Unterschied für den Wert der einstweiligen Anordnung, ob sie neben oder vor einem Hauptsacheverfahren

als selbstständiges (isoliertes) Verfahren oder
als Folgesache im Scheidungsverbund

betrieben wird. Im selbstständigen Verfahren geht es nur um die Kindschaftssache, die dann Hauptsache ist. Im Scheidungsverbund gelten Kindschaftssachen als Folgesachen zusammen mit der Scheidungssache als ein Verfahren (§ 44 Abs. 1 FamGKG). Je nachdem ist der Verfahrenswert auf unterschiedliche Weise zu bestimmen. Vergleiche hierzu die Rdn 24 und Rdn 26 ff.

 

Rz. 31

In den selbstständigen Kindschaftssachen (Sorgerecht, Umgangsrecht und Kindesherausgabe) beträgt der Festwert für jede Sache in der Regel 4.000 Euro (§ 45 FamGKG). Bei mehreren Kindern wird dieser Festwert nicht erhöht. Also beträgt nach § 41 FamGKG der Wert einer Kindschaftssache bei einer einstweiligen Anordnung davon die Hälfte, das sind 2.000 Euro, wenn die Hauptsache (die Kindschaftssache) als isoliertes Verfahren betrieben wird.

 

Rz. 32

Nach § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert einer Kindschaftssache im Scheidungsverbund 20 % des Wertes der Ehesache (Scheidungssache), der nach § 43 FamGKG ermittelt wurde. Im Verbund beträgt der Höchstwert einer Kindschaftssache 4.000 Euro. Dies ändert sich auch bei mehreren Kindern nicht. Also beträgt nach § 41 FamGKG der Wert einer Kindschaftssache davon die Hälfte, das sind höchstens 2.000 Euro, wenn die Hauptsache als Folgesache im Verbund anhängig ist. Da der Mindestwert der Ehesache 3.000 Euro beträgt, wären 20 % davon 600 Euro und davon die Hälfte 300 Euro. Daraus ergibt sich, dass im Verbund der Wert einer Kindschaftssache bei einer einstweiligen Anordnung in der Regel nur zwischen 300 Euro und 2.000 Euro liegen kann.

 

Rz. 33

Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist laut § 51 Abs. 3 FamFG ein selbstständiges Verfahren und damit im Sinne des RVG eine eigene Angelegenheit. Für das Verfahren der einstweiligen Anordnung werden der Verfahrenswert und die Vergütung gesondert berechnet.

 

Beispiel:

Die Eheleute Böse leben seit einem Vierteljahr getrennt. Frau Böse, die erst nach Ablauf der gesetzlichen Trennungszeit die Scheidung beantragen kann, beauftragt RA Klüngel, eine einstweilige Anordnung zur Regelung der elterlichen Sorge für ihre drei Kinder zu beantragen, was geschieht. Herr Böse beantragt nun auch eine einstweilige Anordnung zur Regelung des Umgangsrechts mit seinen Kindern. Kurz darauf wird ein selbstständiges Verfahren wegen des Sorgerechts und des Umgangsrechts zwecks einer endgültigen Regelung eingeleitet.

Der Gegenstandswert für jede dieser selbstständigen Familiensachen bestimmt sich nach § 45 FamGKG und beträgt jeweils 4.000,00 EUR in der Hauptsache. Nach § 41 FamGKG wird jede einstweilige Anordnung mit der Hälfte des Betrages nach § 45 Abs. 1 FamGKG bewertet, also mit 2.000,...

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