Rz. 39

Ist die Sache entscheidungsreif, liegen also die Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung beweisbar vor, so kann sich der Erbe gleichwohl auf das oben dargestellte (siehe Rdn 28 ff.) Vorgehen beschränken. Oft wird der Erbe in einem solchen Fall aber eine Entscheidung über seine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass schon im Erkenntnisverfahren herbeiführen wollen. Hierzu kann er das Gericht aber nicht anhalten. Diese sind in einem solchen Fall zwar berechtigt,[69] nicht aber verpflichtet, die Haftungsbeschränkung schon im Erkenntnisverfahren zu prüfen. Auch bei Entscheidungsreife kann sich das erkennende Gericht darauf beschränken, ein Vorbehaltsurteil zu erlassen; dies steht in seinem Ermessen:[70]

Zitat

"Hat der Erbe bereits zu sämtlichen Voraussetzungen der Dürftigkeits- oder Unzulänglichkeitseinrede vorgetragen und für den Bestreitensfall Beweis angeboten, so stehen dem Gericht in der Regel zwei Wege offen: Es kann über die Einrede sachlich entscheiden oder sich darauf beschränken, dem Erben die Möglichkeit, sich in der Zwangsvollstreckung auf seine beschränkte Haftung zu berufen, dadurch offenzuhalten, dass es in das Urteil den allgemeinen Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO aufnimmt. Dies gilt nicht nur dann, wenn der beklagte Erbe sich damit begnügt, seinen Vorbehalt wegen etwa einer schon eingetretenen oder künftig entstehenden Beschränkung der Erbenhaftung zu erbitten, sondern wenn er einwendet, die Klage sei wegen etwa bereits bestehender Erschöpfung des Nachlasses abzuweisen oder, sofern noch bestimmte Nachlassgegenstände vorhanden sind, könne er lediglich dazu verurteilt werden, den Nachlass im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Das Gericht kann auch in diesem Fall die Entscheidung über die Beschränkung der Haftung und ihre Folgen dem Zwangsvollstreckungsverfahren überlassen. Die Wahl zwischen einer dieser beiden Möglichkeiten steht nach ständiger Rechtsprechung im Ermessen des Gerichts."[71]

 

Rz. 40

 

Hinweis

In der Praxis beschränken sich die Gerichte in der Regel auf die Aufnahme eines Vorbehaltes. Ich halte dies für nicht angemessen. Ist die Sache entscheidungsreif und entspricht es dem Willen beider Parteien, zu entscheiden, so dürfte es pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts entsprechen, die Sache durch zu entscheiden und die Parteien nicht auf einen weiteren Rechtsstreit zu verweisen.[72] Dies entspricht der Dispositionsmaxime der Parteien und der Prozessökonomie; denn anderenfalls muss ein weiterer Prozess vor dem gleichen Gericht und mit dem gleichen Ziel geführt werden (§ 767 ZPO).

Dies gilt jedenfalls für den Teil der Klage aus § 785 ZPO, der im eigentlichen Sinne Vollstreckungsgegenklage ist (siehe hierzu noch unten § 12 Rdn 21) und allein auf Beschränkung der Haftung auf den Nachlass gerichtet ist. Vollstreckt der Gläubiger sodann in einen Gegenstand, der nach seiner Ansicht Nachlassgegenstand ist, nach Ansicht des Erben aber zu seinem Eigenvermögen gehört, so muss hierüber dann in der Tat ein weiterer Rechtsstreit geführt werden. Dies ist aber auch der Fall, wenn nicht im Rahmen des Erkenntnisverfahrens über die Einrede der beschränkten Erbenhaftung entschieden wird (siehe zu dieser Drittwiderspruchsvariante des § 785 ZPO noch unten § 12 Rdn 24).

Eine Entscheidung sollte auch gefällt werden müssen, wenn der Nachlass unstreitig oder bewiesenermaßen erschöpft ist.[73]

[70] BGH, Urt. v. 17.2.2017 – V ZR 147/16, ErbR 2017, 555 = ZErb 2017, 333 = ZEV 2017, 453; LG Neuruppin, Urt. v. 15.11.2016 – 5 O 78/14, ErbR 2017, 358; KG, Urt. v. 21.11.2002 – 12 U 32/02, NJW-RR 2003, 942; OLG Koblenz, Urt. v. 31.5.2005 – 3 U 1313/04, NJW-RR 2006, 377.
[71] St. Rspr., siehe etwa RGZ 54, 413; 69, 283, 291; 77, 245; 83, 330, 332; 92, 273, 277; 137, 50, 54; 162, 298, 300; BGH, Beschl. v. 5.2.1954 – IV ZB 3/54; Urt. v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1954, 638; Urt. v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2298, 2300; Urt. v. 9.3.1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378, 2379; Urt. v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230; Urt. v. 11.7.1991 – IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839; Urt. v. 25.11.1992 – IV ZR 147/91, NJW 1993, 850, 851; Urt. v. 5.4.2000 – IV ZR 145/98, ZEV 2000, 274; Urt. v. 2.2.2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 = ZEV 2010, 314; Urt. v. 17.2.2017 – V ZR 147/16, ErbR 2017, 555; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.6.1991 – 8 U 238/89, NJW-RR 1992, 31, 32; BayObLG, Beschl. v. 7.10.1999 – 2Z BR 73/99, NJW-RR 2000, 306; KG, Urt. v. 21.11.2002 – 12 U 32/02, NJW-RR 2003, 941; OLG Koblenz, Urt. v. 31.5.2005 – 3 U 1313/04, NJW-RR 2006, 377; OLG Rostock, Urt. v. 26.6.2008 – 1 U 53/08, ErbR 2009, 99; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2009 – 24 U 103/08, FamRZ 2010, 496; OLG Köln, Beschl. v. 18.8.2011 – 13 U 124/11; MüKo/Küpper, § 1990 Rn 11; BeckOK/Lohmann, § 1990 Rn 7; RGRK/Johannsen, § 1990 Rn 10.
[72] So auch Joachim, Haftung der Erben, R...

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