Leitsatz (amtlich)

1. Bei allgemeiner Gütergemeinschaft ist der überlebende Ehegatte weder durch ihre Fortsetzung mit den Abkömmlingen noch notwendig durch pflichtteilsrechtliche Gesichtspunkte an Verfügungen von Todes wegen über seinen Nachlaß, auch seinen Anteil am Gesamtgut, gehindert.

2. Beruht die Überschuldung des Nachlasses auf einem auf Leistung eines bestimmten nicht zum Nachlaß gehörenden Gegenstandes. gerichteten Vermächtnis und macht der Erbe sein Leistungsverweigerungsrecht hierwegen geltend, so steht den Vermächtnisnehmer die Vermächtnisleistung nur in Geld in entsprechend gekürztem. Umfang) zu. Er kann jedoch statt dessen in der Regel gegen Zahlung eines entsprechenden Ausgleichsbetrags die Übertragung des Gegenstands selbst (ohne Kürzung) verlangen (Bestätigung von RG Recht 1930, Nr. 1521).

 

Normenkette

BGB §§ 1518, 2306, 1992, 2170, 2174

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird hinsichtlich ihrer das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. Januar 1962 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister und zu gleichen Teilen Testamentserben ihres am 11. Februar 1960 verstorbenen Vaters Georg B…

Dieser hatte auf Grund Ehe- und Erbvertrags vom 27. August 1909 mit der Mutter der Parteien in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt und nach ihrem Tode am 13. August 1946 bis zu seinem Tode die Gütergemeinschaft mit den Parteien fortgesetzt.

Der umstrittene Grundbesitz war zu Lebzeiten der Eltern unstreitig Ehegattenerbhof.

Durch notarielles Testament vom 23. Mai 1958 verfügte der Vater außer der Erbeinsetzung der Kinder als Vermächtnis ein Übernahmerecht zugunsten der Klägerinnen hinsichtlich des größten Teils des Grundbesitzes mit Realgemeinde recht, Holzgerechtigkeit, lebendem und totem Inventar sowie Vorräten seines landwirtschaftlichen Betriebs, dem „gesetz lichen Zubehör” der Betriebsgebäude und seinem Geschäftsgut haben auf Grund seines Geschäftsanteils von 1.000 DM beim A-Elektrizitätswerk G. zum Übernahmepreis 48.000 DM.

Die Beklagten halten dieses Vermächtnis wegen Verstoßes gegen § 1518 BGB und einen bindenden Inhalt des elterlichen Erbvertrags sowie als versteckte Schenkung für unwirksam.

Mit der Klage begehren die Klägerinnen Verurteilung der Beklagten zur Einlwilligung in die Übertragung des Eigentums an den vermachten Grundstücken nebst den genannten dazugehörigen Rechten auf sie je zur Hälfte.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben., Mit der Revision verfolgt die Erstbeklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter;, die Klägerinnen bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I.

Das Oberlandesgericht geht ersichtlich mit den Parteien von der Rechtsauffassung aus, daß der umstrittene Grundbesitz zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört habe, weil der nach dem früheren Reichserbhofrecht beim Tod der Mutter 1946 zunächst eingetretene Anfall des Erbhofs an den Vater allein als Anerben (§ 24 der Erbhoffortbildungsverordnung vom 30. September 1943, RGBl. I 549) infolge der Aufhebung des Reichserbhofrechts durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 20. Februar 1947 wieder rückwirkend entfallen sei. Es war aber zu beachten, daß der Hofanfall nach Reichserbhofrecht an den Vater allein dann wirksam geblieben ist, wenn die Rechtsnachfolge nach der Mutter („Nachlaß”) bei Inkrafttreten des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 am 24. April 1947 bereits im Sinne von Art. XII Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes „geregelt” war, worüber Feststellungen fehlen. Sodann bedurfte es in jedem Falle der Prüfung, inwieweit die Rechtslage etwa durch die an die Stelle des Reichserbhofrechts getretenen landesrechtlichen Bestimmungen beeinflußt worden ist (sei es mit Rückwirkung auf die Rechtsnachfolge nach der Mutter, sei es in nachträglicher Veränderung der Eigentümerstellung des Vaters). Auch hierüber verhält sich das Berufungsurteil nicht. Bereits aus diesen Gründen war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

II.

Geht man davon aus, daß der umstrittene Grundbesitz beim Tod des Vaters 1960 zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehörte, so gilt folgendes:

1.) Die Gültigkeit der umstrittenen Testamentsbestimmung als Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) ist in diesem Fall mit den Vorinstanzen zu bejahen.

a) Nach der rechtsirrtumsfreien und unbeanstandeten Auslegung durch den Tatrichter enthält der Ehe- und Erbvertrag von 1909 keine rechtsgeschäftliche Bestimmung, die die Verfügungsmacht des Vaters über den durch die Gütergemeinschaft kraft Gesetzes gegebenen Umfang hinaus in der hier einschlägigen Richtung eingeschränkt hätte. Insbesondere enthält der Vertrag keine Verfügung desüberlebenden Ehegatten über seinen Nachlaß (etwa Erbeinsetzung der Kinder), die dem späteren Vermächtnis nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstände.

b) Der Bestand erst der allgemeinen und dann der fortgesetzten Gütergemeinschaft selbst (§§ 1437 ff. BGB a.F.; §§ 1483 ff. BGB der jetzigen, im wesentlichen unveränderten Fassung; Art. 8 Abs. 1 Nr. 6 GleichberechtigungsG von 1958) steht der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen.

Die Gütergemeinschaft hinderte den Vater zwar ansachenrechtlicher Verfügung über die Grundstücke und sonstigen eingeklagten Rechte sowie über seinen Gesamthandsanteil daran (§§ 1487 n.F., 1419 Abs. 1, entsprechend § 1442 a.F. BGB). Sie hinderte ihn jedoch nicht daran,erbrechtlich über seinen Nachlaß zu verfügen (RG LZ 1915, 1657 Nr. 13; KG JW 1931, 1369 Nr. 3 mit Anmerkung Herzfelder; allgemeine Meinung). Freilich standen die den Klägerinnen vermachten Grundstücke – und Entsprechendes gilt für die sonstigen vermachten Gegenstände (s. dazu unten III) – nicht in seinem Alleineigentum, sondern im Gesamthandseigentum aller Teilhaber der fortgesetzten Gütergemeinschaft; zu seinem Nachlaß gehörten also nicht diese Grundstücke selbst, sondern nur sein Anteil am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft und an den Grundstücken. Infolgedessen konnte der Vater diese Grundstücke den Klägern auch nicht durch Verfügung von Todes wegen ohne weiteres zu Vollrecht zuwenden, und zwar weder durch Erbeinsetzung (durch welche sie nur erhalten konnten, was im Nachlaß war), noch durch Vermächtnis (durch das nicht unmittelbar Eigentum übergehen, sondern nur eine schuldrechtliche Verpflichtung des Belasteten, in der Regel des Erben, auf Übertragung des Eigentums begründet werden konnte, §§ 2147, 2174 BGB). Aber eine solche Zuwendung war auf einem mittelbaren Weg möglich, indem er zu der Mitwirkung der übrigen Kinder (Beklagten) bei der von ihm gewünschten Übertragung des genannten Grundbesitzes auf die Klägerinnen dadurch einen Anreiz schuf, daß er auch diese übrigen Kinder letztwillig bedachte (hier: durch Einsetzung zu Miterben) und ihre Bedenkung in einen inneren Zusammenhang mit der Bedenkung der Klägerinnen brachte. Dies konnte er dadurch bewirken, daß er die Bedenkung der Beklagten an die rechtsgeschäftliche Bedingung ihrer Mitwirkung bei der Grundstücksübereignung an die Klägerinnen knüpfte (KG a.a.O.), oder dadurch, daß er die zu Miterben berufenen Beklagten (neben den Klägerinnen) mit einem Verschaffungsvermächtnis zugunsten der Klägerinnen beschwerte. Die letztere Möglichkeit ist vom Kammergericht (a.a.O.) offen gelassen, aber unbedenklich zu bejahen. Von ihr hat der Vater nach der rechtsirrtumsfreien Feststellung des Berufungsgerichts Gebrauch gemacht.

Zu Unrecht sieht die Beklagte in einem solchen Vermächtnis einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot. Das Verschaffungsvermächtnis ist eine erbrechtliche Verfügung des Vaters in seiner Eigenschaft als Erblasser. Zu seinem Nachlaß gehört auch sein Anteil als überlebender Ehegatte am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft, die mit seinem Tode endete (§ 1494 BGB), und der in diesem Anteil enthaltene gesamthänderische Miteigentumsanteil an den umstrittenen Grundstücken. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Vermächtnis ist ausschließlich derNachlaß des Vaters und damit, was die Grundstücke anlangt, dessenAnteil am Gesamtgut und den Gesamtgutsgegenständen. Im Enderfolg ist die Testamentsbestimmung freilich darüber hinaus darauf gerichtet, daß die Klägervolles Eigentum an den Grundstücken erlangen. Das liegt an der Besonderheit der Rechtsfigur des Vermächtnisses; dieses hat insofern einen weiteren gegenständlichen Rahmen als die Erbeinsetzung, als es, eben in Gestalt des Verschaffungsvermächtnisses (§ 2170 BGB), mittelbar auch Gegenstände umfassen kann, die gar nicht zum Nachlaß des Erblassers gehören. Dies hängt damit zusammen, daß das Vermächtnis dem Bedachten den zugedachten Gegenstand nicht unmittelbar dinglich zuwendet, sondern ihm nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf seine Übertragung (Rechtsverschaffung) gegen den Beschwerten gibt, und daß Gegenstand schuldrechtlicher Ansprüche auch Sachen und Rechte Dritter sein können. Hierdurch ändert sich jedoch nichts am rechtlichen Charakter des Vermächtnisses, auch des Verschaffungsvermächtnisses, als einer Verfügung von Todes wegen, d.h. der erbrechtlichen Verfügung eines Erblassers überseinen Nachlaß, d.h. hier: des überlebenden Ehegatten über seinenAnteil am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft und den dazu gehörigen Gegenständen. Über diesen Anteil konnte er aber auch bei fortgesetzter Gütergemeinschaft von Todes wegen frei verfügen. Das Verfügungsverbot des § 1442 (sachlich = 1442 a.F.) i.V.m. § 1487 BGB gilt anerkanntermaßen nur für Verfügungsgeschäfte unter Lebenden im dinglich-rechtlichen Sinne (etwa des § 185 BGB; vgl. BGHZ 1, 294, 304), aber nicht für die davon wesensverschiedenen Verfügungen von Todes wegen (im Sinne etwa der §§ 1937, 2065, 2270/71, 2289; BayObLGZ 1960, 254; 1960, 501, 507; KG JW 1931 a.a.O.; Planck/Unzner, BGB, 4. Aufl., § 1442 Anm. 2 Ende; BGB RGRK 10/11. Aufl., § 1419 Anm. 7; Staudinger/Engelmann, BGB, 9. Aufl., § 1442 Anm. 2 a.a.O.; Erman/Bartholomeyczik, BGB 3. Aufl., § 1419 Anm. 3 a). Auch die von den Beklagten in den Vordergrund gestellte Bestimmung des § 1518 BGB steht einem solchen Verschaffungsvermächtnis nicht entgegen: Rechtlich liegt entgegen der Meinung der Revision keine (erbrechtliche oder gar güterrechtliche) Verfügung über Gesamtgutsgegenstände und daher kein Eingriff in die Rechte der Abkömmlinge am Gesamtgut oder gar eine Verfügung über ihre Gesamtgutsanteile im Ganzen, und, auch keine Durchbrechung güterrechtlicher Bindungen vor. Bereits das Landgericht und ihm folgend die Revisionserwiderung haben mit Recht darauf hingewiesen, daß typisches Objekt eines Verschaffungsvermächtnisses ein Gegenstand ist, der dem Erblasser auch nicht teilweise, sondern überhaupt nicht gehört; können schon völlig fremde Gegenstände vermacht werden, so ist kein Grund ersichtlich, wieso der Umstand, daß der Erblasser zwar zu einem Teil, aber neben ihm noch andere am Gegenstand mitberechtigt sind, einem Verschaffungsvermächtnis entgegenstehen soll; dementsprechend ist § 1518 BGB auszulegen. Grundsätzlich unrichtig ist es, aus güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen deserstversterbenden Ehegatten auf solche des überlebenden Ehegatten zu schließen, wie es die Revision tut; abgesehen davon ist auch der erstversterbende Ehegatte zu Verfügungen von Todes wegen über seinen Nachlaß rechtlich in der Lage, nur daß zu seinem Nachlaß allerdings im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft sein Anteil am Gesamtgut nicht gehört (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Daß die Beklagten die – nicht genutzte – Möglichkeit hatten, die Erbschaft nach dem Vater auszuschlagen und sich dadurch von der Beschwerung mit dem Vermächtnis zu befreien, verkennt die Revision nicht; die Bindung der Ausschlagung an Form und Frist (§§ 1944 ff., 2306 BGB) bedeutete noch keine solche Zumutung an die Beklagten, daß damit gegen § 1518 BGB verstoßen wäre. Auch aus § 1502 BGB läßt sich nichts zugunsten der Beklagten folgern; denn einmal enthält die Bestimmung eine Rechtsgewährung und nicht notwendig auch eine Rechtsbeschränkung, und zum anderen steht im vorliegenden Fall nicht ein güterrechtliches, sondern ein erbrechtliches Übernahmerecht (kraft Vermächtnisses) in Frage.

Eine Nichtigkeit wegen sogenannter „Aushöhlung” des Ehe- und Erbvertrags durch das Vermächtnis scheidet schon deshalb aus, weil dieser Vertrag nach seiner rechtsirrtumsfreien Auslegung durch den Tatrichter erbrechtliche Verfügungen auf den Tod des überlebenden Elternteils, insbesondere eine Erbeinsetzung der Kinder, nicht enthält und deshalb eine erbrechtliche Bindung des überlebenden Ehegatten nicht begründete. Andernfalls ergäbe sich übrigens die Unwirksamkeit des Vermächtnisses bereits aus dem Gesetz, nämlich aus § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB, so daß die nur für Zweitgeschäfte unterLebenden bestehende „Aushöhlungs”-Problematik (vgl. darüber Mattern, MDR 1960, 1 und DNotZ 1964, 196) auch dann nicht zum Zuge käme.

Pflichtteilsrechtliche Gesichtspunkte stehen der Wirksamkeit des Vermächtnisses ebenfalls nicht entgegen. Denn den Beklagten wurde quotenmäßig der volle gesetzliche Erbteil am Nachlaß des Vaters hinterlassen, und sie haben die Erbschaft nicht ausgeschlagen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. BGB RGRK, 11. Aufl., § 2318, Anm. 8).

Zum Gesichtspunkt der „verdeckten Schenkung” hat bereits das Oberlandesgericht richtig darauf hingewiesen, daß die Unentgeltlichkeit zwar keine notwendige, wohl aber eine geradezu typische Eigenschaft eines Vermächtnisses sei. Sie allein kann das Vermächtnis weder nach § 138 noch erst recht nach § 134 BGB unwirksam machen. Das gleiche gilt von einer selbst erheblichen wertmäßigen Ungleichheit in der Bedenkung der einzelnen Kinder durch den Vater; sie ist grundsätzlich erlaubt, abgesehen von den pflichtteilsrechtlichen Schranken, die hier nicht überschritten sind.

Nach allem sind Gründe für eine Ungültigkeit des Vermächtnisses nicht ersichtlich.

2.) Ist hiernach das Vermächtnis rechtswirksam, so muß es doch nicht unter allen Umständen zum Erfolg der Klage führen.

Die Beklagte wehrt sich im Kern dagegen, daß sie wegen des angeblich sehr großen Wertunterschieds zwischen dem vermachten Grundbesitz und dem Übernahmepreis durch eine letztwillige Verfügung des Vaters über Vatergut wirtschaftlich auch ihren Muttergutsanteil verlieren soll, den sie als Anteil am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft bisher schon besaß. Dieses Anliegen ist verständlich. Die Rechtsordnung berücksichtigt es auch, nur nicht auf den bisher erwogenen Wegen, sondern durch die grundsätzliche Beschränkbarkeit der Erbenhaftung auf den Umfang des ererbten Vermögens (vgl. Dresden Ann. Sächs. OLG 38, 234).

a) Ein Vermächtnis begründet für den Beschwerten die schuldrechtliche Verpflichtung, den vermachten Gegenstand an den Bedachten (hier: die Kläger) zu leisten (§ 2174 BGB), und zwar beim Verschaffungsvermächtnis, ihn ihm zu verschaffen (§ 2170 Abs. 1 BGB; Abs. 2 dieser Vorschrift scheidet aus, weil die Beklagten – unter Mitwirkung der dazu bereiten Klägerinnen – zur Verschaffung des vollen Eigentums an den vermachten Grundstücken imstande sind). Die Verpflichtung ist Nachlaßverbindlichkeit (§ 1967 BGB). Beschwert sind im Zweifel (darüber s. unten) alle Miterben (vgl. §§ 2147, 2148 BGB), und zwar als Gesamtschuldner (§§ 2058, 431 BGB). Haftungsobjekt ist zwar grundsätzlich bei jedem Erben sein gesamtes Vermögen, also sowohl das ererbte (Nachlaß) als das bereits besessene (Privatvermögen). Er kann jedoch im Regelfall – nämlich, wenn die Haftung nicht (durch Inventarversäumnis, Inventaruntreue oder Beschränkungsverzicht) unbeschränkbar geworden ist (§ 2013 BGB), wofür im gegebenen Fall nichts vorliegt – seine Haftung auf den Nachlaß beschränken. Dazu bedarf es im allgemeinen der gerichtlichen Maßnahmen der Nachlaßverwaltung oder des Nachlaßkonkurses (§ 1975 BGB), die hier nicht vorliegen, In bestimmten Fällen kann der Erbe aber auch ohne diese beiden Maßnahmen die Befriedigung eines Nachlaßgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlaß nicht ausreicht; und dieses Weigerungsrecht hat er gegenüber Vermächtnisforderungen ohne weitere Voraussetzungen dann, wenn der Nachlaß infolge der Vermächtnisse zur Befriedigung nicht ausreicht, sondern überschuldet ist (§ 1992 i.V.m. § 1990 BGB). Dabei ist die Frage, ob der Nachlaß zur Befriedigung ausreicht, nicht schon deshalb zu verneinen, weil der zu leistende Vermächtnisgegenstand selbst (hier: das volle Eigentum an den Grundstücken) als solcher überhaupt nicht im Nachlaß (hier: des Vaters) vorhanden ist; sonst könnte bei jedem Verschaffungsvermächtnis die Erfüllung nach § 1992 BGB verweigert werden.

Es fragt sich, wie sich diese umfangmäßige Verminderung der Leistungspflicht bei in Natur nicht teilbaren Vermächtnisgegenständen auswirkt. Nach § 1992 Satz 2 BGB hat der beschwerte Erbe bei jedem zur Überschuldung führenden Vermächtnis grundsätzlich die Befugnis, die Herausgabe des noch vorhandenen Nachlasses durch Zahlung seines Wertes in Geld abzuwenden. Die wörtliche Anwendung dieser Bestimmung auf Vermächtnisse von Individualgegenständen würde einerseits nicht ausreichen zur Antwort auf die Frage, was rechtens sein soll, solange der Erbe von dieser Befugnis noch keinen Gebrauch gemacht hat; sie würde andererseits den Vermächtnisnehmer entgegen dem typischen Zweck eines Gegenstandsvermächtnisses in jedem Fall um die Gegenstandssubstanz bringen, auch wenn die Überschuldung verhältnismäßig geringfügig ist. Für Gegenstandsvermächtnisse ist es vielmehr sachgemäß, dann, wenn sich der Erbe auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft, den Vermächtnisanspruch zunächst nur (in gekürztem Umfang) in Geld zu gewähren, aber dem Vermächtnisnehmer in der Regel die Befugnis zu geben, statt dessen gegen eine die Überschuldung ausgleichende Aufzahlung in Geld die Übertragung des Vermächtnisgegenstandes in Natur (in ungekürztem Umfang) zu verlangen. In diesem Sinn wird § 1992 BGB durchweg ausgelegt (RG Recht 1930 Nr. 1521; Planck/Flad, BGB, 4. Aufl., § 1992, Anm. 1, Schlußabsatz; BGB, RGRK, 11. Aufl., § 1992, Anm. 8; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl., § 1992, Rdn. 7; Erhard/Eder bei Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl., § 1992, Rdn. 5; vgl. Lange, Erbrecht, § 51 III 6, S. 681). Der Senat tritt dem bei. Diese Lösung berücksichtigt ausreichend einerseits das Interesse des Erben, nicht mehr als den ererbten Wert opfern zu müssen, andererseits das Interesse des Vermächtnisnehmers an Erlangung der Gegenstandssubstanz; und sie vermeidet die wenig praktikablen Ergebnisse, zu denen etwa die Beibehaltung eines Anspruchs auf Gegenstandsleistung, aber beschränkt auf einen entsprechenden Bruchteil der Rechtsinhaberschaft (Miteigentum nach Bruchteilen usw.) führen würde. Dabei kann es nach Sinn und Zweck des Gegenstandsvermächtnisses keinen Unterschied machen, ob der vermachte Gegenstand zum Nachlaß gehört (so Planck/Flad a.a.O.) oder nicht (so Staudinger/Lehmann a.a.O.); das Gesagte gilt daher auch für Verschaffungsvermächtnisse.

Für die Frage der Überschuldung muß maßgebend sein einWertvergleich zwischen demjenigen, was der beschwerte Erbe an Nachlaßvermögen geerbt hat, und seiner Belastung durch das Vermächtnis. Dabei kommt es nach beiden Richtungen auf den objektiven Wert (realen Wert, Verkehrswert) an. Entscheidender Zeitpunkt für die Bewertung ist, wie bei der Erschöpfungseinrede auch sonst. (RG, WarnRspr. 1913 Nr. 232; vgl. OLG München HRR 1938, 1602; RGRK a.a.O., § 1990, Anm. 10, 13; Planck/Flad, a.a.O., § 1990 Anm. a, § 1992 Anm. 1 Ende; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl., § 1992, Rdn. 6), der der Geltendmachung des Anspruchs. Liegt hiernach eine Überschuldung vor, so kann der beschwerte Erbe insoweit die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern, im übrigen bleibt er zur Erfüllung verpflichtet. Ausschlaggebend ist derNettowert des Erbteils, d.h. die Quote desjenigen Wertes, der von den Nachlaßaktiven nach Abzug der dem Vermächtnis vorgehenden – § 1991 Abs. 4 BGB, § 226 Abs. 2 Nr. 5 KO; vgl. auch § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB – Nachlaßpassiven verbleibt. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob dem Zweck des Verschaffungsvermächtnisses (vgl. § 2084 BGB) eine Auslegung des Testaments dahin entspricht, der Erblasser (Vater) habe zwar im allgemeinen, entsprechend der Erbeinsetzung zu gleichen Teilen (§ 2148 BGB), eine gleichmäßige Beschwerung aller vier Kinder (zu je 1/4) gewollt, jedoch insoweit, als dadurch der Erbteil der Beklagten überschuldet würde und ihnen dadurch ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 1992 BGB) erwüchse, eine entsprechende Mehrbeschwerung der Kläger, äußerstenfalls deren alleinige Beschwerung (zu je 1/2).

Im sachlichen Ergebnis braucht also die Beklagte das umstrittene Vermächtnis nur soweit zu erfüllen, als wertmäßig ihr Anteil am Nachlaß des Vaters (Erblassers) reicht, d.h. praktisch im anteiligen Umfang (1/4) des väterlichen Anteils (1/2) am Gesamtgut. Im Umfang des mütterlichen Wertteils dagegen kann sie die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern. Sie muß also notfalls ihren gesamten Vatergutsanteil zur Erfüllung des Vermächtnisses opfern, darf aber ihren Muttergutsanteil wertmäßig unangetastet behalten. So bleibt zugunsten der Beklagten wertmäßig die volle Erhaltung von deren Muttergutsanteil in ihrer Hand unberührt; andererseits wird zugunsten der Kläger deren Vermächtnis im weitest möglichen Umfang vor der Erschöpfungseinrede der Beklagten bewahrt.

Die näheren Feststellungen sind Aufgabe des Tatrichters.

b) Was die prozessuale Geltendmachung der genannten Erschöpfungseinrede anlangt, so muß sie bereits im Erkenntnisverfahren erfolgen (ZPO § 780; RG JW 1913, 870, 871 Nr. 15 = WarnRspr. 1913 Nr. 377; vgl. RGZ 162, 298, 300); ein besonderer Antrag ist nicht nötig (RGZ 69, 281, 291). Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte zwar nicht ausdrücklich auf § 1992 BGB berufen; aber ein Hauptstück ihrer Verteidigung geht dahin, daß sie sich gegen die Heranziehung auch ihres Muttergutanteils zur Befriedigung des eingeklagten Vermächtnisanspruchs wendet; das muß zur Geltendmachung der Einrede genügen.

Ist eine den §§ 780 ff. ZPO unterliegende Einrede erhoben, so kann das Prozeßgericht im allgemeinen entweder die Frage des Haftungsumfangs sachlich aufklären und darüber entscheiden oder sich mit dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung im Urteil begnügen und die sachliche Klärung dem Zwangsvollstreckungsverfahren überlassen (RGZ 69 a.a.O., 292; 77, 245). Das Berufungsgericht hat nichts von beidem getan, sondern ist auf die Einrede überhaupt nicht eingegangen. Hierin liegt ein weiterer Rechtsfehler, auf dem das Urteil beruht.

Das Berufungsgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung des Sachvortrags und der Antragstellung der Beklagten zu prüfen haben, ob die Einrede durch bloßen Beschränkungsvorbehalt oder durch sachliche Entscheidung über das Vorliegen der Beschränkungsvoraussetzungen und die Folgen daraus zu erledigen ist. Auch aus diesem Grunde war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

III.

In der erneuten Berufungsverhandlung wird auch Anlaß sein, den Klagantrag hinsichtlich einiger Gegenstände auf seine Schlüssigkeit zu prüfen und nötigenfalls näher konkretisieren zu lassen (Rechtsnatur und Übertragbarkeit des Realgemeinderechts und der Holzgerechtigkeit nach dem wohl in Betracht kommenden Landesrecht, vgl. Art. 115, 164 EGBGB; Rechtsnatur des Alb-Elektrizitätswerks Geislingen, und deshalb des begehrten Geschäftsguthabens).

Zu prüfen ist weiter die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der begehrten Grundstücksübereignungen nach dem Grundstückverkehrsgesetz (vgl. dessen §§ 1, 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 8 Nr. 2, sowie RGZ 98, 244, 246).

 

Fundstellen

Haufe-Index 609585

NJW 1964, 2298

DNotZ 1964, 630

MDR 1964, 667

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