Rz. 541

Befindet sich die Beweisurkunde im Besitz eines Dritten, so war der Beweisführer vor der ZPO-Reform gezwungen, diesen Dritten aufgrund eines materiell-rechtlichen Herausgabeanspruches zunächst im Klagewege auf Herausgabe der Urkunde in Anspruch zu nehmen und diese dann im Hauptprozess vorzulegen.

 

Rz. 542

Gerade unter Berücksichtigung kurzer Verjährungsfristen hat dies oftmals zu Schwierigkeiten in der Prozessführung und der Durchsetzung des materiellen Anspruchs geführt.

 

Rz. 543

Nunmehr stellen die §§ 428, 142 ZPO ein anderes und effektiveres Instrumentarium zur Verfügung.

 

Rz. 544

Nach § 428 ZPO kann das Gericht auf Antrag des Beweisführers oder nach § 142 ZPO von Amts wegen diesem selbst eine Frist zur Herbeischaffung der Urkunde setzen. Diese Möglichkeit hat jedoch kaum praktische Relevanz.

 

Rz. 545

Hat der Beweisführer gegen den Dritten bereits Klage auf Herausgabe oder Vorlegung der Urkunde erhoben, so kann der Beweisgegner nach § 431 Abs. 2 ZPO die Fortsetzung des Rechtsstreites vor Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist beantragen, wenn die Klage gegen den Dritten erledigt ist. Dies vermeidet, dass der Beweisführer die Möglichkeit hat, den Rechtsstreit ungebührlich zu verzögern.

 

Rz. 546

 

Tipp

Möchte der Beweisführer, der nicht immer der Kläger sein muss, den Rechtsstreit allerdings verzögern, so kann er grundsätzlich den Antrag stellen, ihm eine Frist aufzugeben, die Urkunde vorzulegen. Dabei kann er darauf hinweisen, dass die klageweise Inanspruchnahme des Dritten zur Vorlage bzw. Herausgabe der Urkunde notwendig ist, sodass die Frist im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der Klage gegen den Dritten hinreichend lang zu bemessen ist.

Der Beweisgegner muss auf eine solche Vorgehensweise einerseits damit reagieren, dass er auf die Möglichkeit hinweist, nach § 142 ZPO im laufenden Rechtsstreit die Vorlage der Urkunde durch den Dritten anzuordnen. Folgt das Gericht dem nicht, muss der Beweisgegner darauf achten, dass der Prozess gegen den Dritten unverzüglich begonnen und ohne schuldhaftes Zögern betrieben wird. Ist dies nicht der Fall, kann er nach § 431 Abs. 2 Alt. 2 ZPO die Fortsetzung des Verfahrens verlangen.

 

Rz. 547

Hat das Gericht nach § 142 ZPO von Amts wegen dem Beweisführer eine Frist zur Vorlage der Urkunde bestimmt, muss der Beweisführer Klage gegen den Dritten zur Herausgabe der Urkunde erheben, sofern dieser die Urkunde nicht freiwillig herausgibt.

 

Rz. 548

Eine wesentliche Verbesserung des Beweisführers stellt es dar, dass das Gericht nach § 428 ZPO auf Antrag des Beweisgegners[337] auch eine Anordnung auf Vorlegung der Urkunde durch den Dritten nach § 142 ZPO treffen kann.

 

Rz. 549

 

Hinweis

Der Bevollmächtigte hat allerdings auch die Möglichkeit, diesen Weg dadurch zu vermeiden, dass er den Dritten als Zeugen für die beweisbedürftige Tatsache benennt. Dieses Beweisangebot des Dritten als Zeugen muss dann mit dem Antrag verbunden werden, dass dem Zeugen aufgegeben wird, gem. § 378 ZPO alle Unterlagen einschließlich der Urkunde zur Erleichterung seiner Aussage mit sich zu führen.[338] Folgt der Dritte dem nicht, kann er allerdings nur im Wege der Klage zur Herausgabe der Urkunde gezwungen werden, § 429 ZPO.

 

Rz. 550

Der Antrag auf Vorlegung der Urkunden durch einen Dritten muss nach § 430 ZPO den Erfordernissen des § 424 Nr. 1–3 und 5 ZPO genügen. Dies bedeutet, dass der Beweisführer die vorzulegende Urkunde und deren Inhalt so genau wie möglich zu bezeichnen hat. Dies gilt auch für die vollständige Bezeichnung des Inhaltes der Urkunde.

 

Rz. 551

Unterschiedlich kann beantwortet werden, ob es für die Bezeichnung des Grundes, der die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt, ausreicht, dass auf § 142 ZPO verwiesen wird, oder ob der Beweisführer auch hier verpflichtet ist, eine materiell-rechtliche Verpflichtung des Dritten zur Herausgabe oder zur Vorlage der Urkunde darzulegen.

 

Rz. 552

Die Formulierung in § 429 ZPO, dass das Gericht dem Beweisführer eine Frist zur Herbeischaffung der Urkunde im Klagewege setzen kann, d.h. den Beschwerdeführer auf die Notwendigkeit verweist, einen materiell-rechtlichen Herausgabe- oder Vorlageanspruch gegen den Dritten geltend zu machen, spricht dafür, allein den Hinweis auf § 142 ZPO nicht genügen zu lassen.

 

Rz. 553

 

Hinweis

Folgt man dieser Auffassung, hat der Beweisführer den materiell-rechtlichen Herausgabe- oder Vorlageanspruch gegen den Dritten im Einzelnen darzulegen. Auf die Darstellung der verschiedenen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen unter Rdn 511 ff. wird verwiesen. Gegenüber dem Antrag auf Vorlage der Urkunde durch den Beweisgegner ergeben sich dann keine Unterschiede.

 

Rz. 554

Aus § 142 Abs. 2 ZPO kann allerdings auch abgeleitet werden, dass eine materiell-rechtliche Verpflichtung des Dritten zur Herausgabe oder zur Vorlage der Urkunde nicht bestehen muss.[339]

 

Rz. 555

Nach § 142 Abs. 2 ZPO ist der Dritte nämlich nur dann nicht zur Vorlegung verpflichtet, soweit ihm dies nicht zumutbar ist oder er zur Verweigerung des Zeugnisses nach den §§ 383

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge