Rz. 123

Als Zeuge kommt grundsätzlich nur in Betracht, wer aus eigener Wahrnehmung Kenntnisse über die beweisbedürftige Tatsache hat.

 

Rz. 124

Stehen keine Beweismittel, insbesondere auch keine Zeugen für den Nachweis der beweisbedürftigen Tatsachen zur Verfügung, so kann Zeuge auch sein, wer über Indizienwahrnehmungen Auskunft geben kann, die im Wege des Indizienbeweises zur Überzeugung des Gerichts führen können.

 

Rz. 125

 

Tipp

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, nicht zuletzt, um sich unangenehme Überraschungen in der Beweisaufnahme zu ersparen, den Mandanten genau zu befragen, über welche tatsächlichen Kenntnisse der Zeuge verfügt.

Bei Schlüsselzeugen kann es auch empfehlenswert sein, dass der Bevollmächtigte mit dem Zeugen selbst spricht, bevor dieser als Zeuge bei Gericht benannt wird. Solche Gespräche sind dem Rechtsanwalt nicht untersagt, solange er den Zeugen auf seine Wahrheitspflicht hinweist, er den Zeugen nicht zu beeinflussen versucht sowie er dem Zeugen deutlich macht, dass dieser das Vorgespräch nicht verschweigen soll.

Rein taktisch hat ein solches persönliches Gespräch des Bevollmächtigten mit dem Zeugen auch den Vorteil, dass der Bevollmächtigte abschätzen kann, ob der Zeuge von seinem Auftreten und seinen Ausführungen her geeignet ist, dem erkennenden Gericht im Sinne des Mandanten eine Überzeugung zu verschaffen.

 

Rz. 126

In der Praxis wird immer wieder unterlassen, darzustellen, woher der Zeuge seine Kenntnisse hat, wenn sich dies aus dem dargestellten Sachverhalt nicht ohne Weiteres von selbst ergibt. Die Klärung dieser Tatsache ist aber sowohl für das Gericht als auch den Bevollmächtigten wesentlich.

 

Rz. 127

Der Zeuge darf nämlich nur über solche Wahrnehmungen vernommen werden, die er zulässigerweise erlangt hat.

 

Rz. 128

Unzulässig sind Wahrnehmungen, die darauf beruhen, dass

der Zeuge über eine Lautsprecheranlage oder eine Mithöreinrichtung ein Telefongespräch oder eine ähnliche Kommunikation mit angehört hat, ohne dass dem anderen Gesprächspartner dies offenbart wurde;[65]
die Erkenntnisse auf einer heimlich aufgenommenen Tonbandaufzeichnung beruhen;[66]
ein Gespräch nur heimlich belauscht wurde;[67]
heimliche Videoaufnahmen gefertigt wurden, die geeignet sind, das Persönlichkeitsrecht des Aufgenommenen zu beeinträchtigen.[68]
 

Rz. 129

 

Hinweis

Im Einzelfall kann allerdings eine Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien und der verfassungsrechtlich zu schützenden Güter dazu führen, dass auch solche Wahrnehmungen verwertbar sind.

 

Rz. 130

Ist für das Gericht nicht erkennbar, woher der Zeuge die Kenntnis von der beweisbedürftigen Tatsache hat, besteht für den Bevollmächtigten und die Partei grundsätzlich die Gefahr, dass das erkennende Gericht das Beweisangebot als unzulässigen Ausforschungsbeweis zurückweist.[69] Die Herkunft der Kenntnisse des Zeugen sollte also ausdrücklich dargelegt werden, soweit dies nicht ohne Weiteres ersichtlich ist.

 

Rz. 131

 

Hinweis

Fehlerhaft wird im Prozess immer wieder der Privatgutachter als Sachverständiger oder als sachverständiger Zeuge eingeführt. Sachverständiger Zeuge kann der Privatgutachter jedoch nicht sein, weil er in der Regel nicht über eigene Wahrnehmungen berichten kann, sondern allein über seine Untersuchungen. Als Sachverständiger kommt er nicht in Betracht, weil er bereits für eine Partei tätig war. Das Gutachten ist also im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess einzuführen. Der Privatgutachter kann dann behilflich sein, um den eigenen Vortrag zu qualifizieren, vor allem aber um den Bevollmächtigten und die Partei in der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme bei der Wahrnehmung ihres Fragerechtes zu unterstützen, um die Ergebnisse des gerichtlichen Sachverständigen zu verstärken oder in Zweifel zu ziehen. Nicht selten lassen die Gerichte es sogar zu, dass der Privatgutachter den gerichtlichen Sachverständigen unmittelbar befragt oder mit diesem eine Frage diskutiert, solange dies in ruhiger Atmosphäre und ohne Vorwürfe geschieht.

 

Rz. 132

Eine andere Rolle nimmt der Privatgutachter dann ein, wenn er einen Zustand bekunden soll, den er vor der Mängelbeseitigung vorgefunden hat. Was er bei dieser Gelegenheit gesehen hat, beruht auf seiner eigenen Wahrnehmung. Hierzu kann er als Zeuge bzw. aufgrund seiner Sachkunde auch als sachverständiger Zeuge vernommen werden.

[66] OLG Stuttgart, IBR 2010, 123; BGH NJW 1988, 1016; 1982, 277; BayObLG NJW 1990, 197.
[67] BGH NJW 1991, 1180.
[68] OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; OLG Köln, NJW 2005, 2997–3000; s. aber auch Sächsisches LAG, Urt. v. 12.6.2003–2 Sa 790/02, wonach ein solcher Beweis zunächst dargelegt werden kann. Auf die Frage der Beweiserheblichkeit komme es erst an, wenn der Inhalt der Aufnahme bestritten werde.

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