Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen im Prozess. Manipulation der Zeiterfassung

 

Leitsatz (redaktionell)

Besteht eine andere ebenso Erfolg versprechende Möglichkeit der Überwachung der Zeiterfassung nicht, ist gegen die Verwertbarkeit von Videoaufnahmen im Prozess nichts einzuwenden.

 

Normenkette

BGB § 626; GG Art. 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Urteil vom 05.09.2002; Aktenzeichen 5 Ca 5048/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 05. September 2002 – 5 Ca 5048/02 – wird auf Kosten des Klägers

zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug weiter darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung vom 16.02.2001, dem Kläger zugegangen am selben Tage, sein Ende gefunden hat. Hilfsweise ist die Kündigung auch ordentlich zum 31.03.2001 erklärt. Auch dagegen wendet sich der Kläger.

Der Kläger ist seit 29.11.1996 bei der Beklagten als Lagerarbeiter in deren Lager in … beschäftigt. Von dort aus werden Filialen des Lebensmittel-Einzelhandels beliefert. Tätig sind ca. 400 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist errichtet.

Der Kläger war in der Nachtschicht im Bereich OES (Obst-Einkaufs-Stelle) eingesetzt.

Es existiert ein Zeiterfassungssystem. Die Mitarbeiter verfügen über eine Stempelkarte, mit der bei Betätigen der Stempeluhr die Uhrzeit beim Kommen und Gehen registriert wird. Die Stempeluhr befindet sich im Eingangsbereich zu den Lagerräumen. In diesem Bereich befinden sich auch die Pausenräume. Die Duschen und Toiletten befinden sich außerhalb dieses Bereichs in einem ca. 300 m entfernten Gebäude. Neben der Stempeluhr befindet sich ein Hinweisschild, wonach die Zeiterfassung frühestens 14 Minuten vor Arbeitsbeginn erfolgen soll. In einer Arbeitsordnung vom 10.04.1997, die jedenfalls bis zum 21.11.2000 im Betrieb aushing, ist u.a. bestimmt, dass die Bedienung der Zeiterfassung für andere Mitarbeiter nicht gestattet und ein Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit vom jeweiligen Vorgesetzten zu genehmigen ist. In einem Informationsblatt vom 17.11.1997, welches an einem schwarzen Brett am Eingang zu den Sozialräumen aushing, wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass jeder Mitarbeiter das ihm zugewiesene Zeiterfassungsgerät mit seiner persönlichen Karte bei Arbeitsbeginn und -ende sowie beim Verlassen des Betriebsgeländes während der Pausen zu bedienen hat und eine stellvertretende Zeiterfassung nicht gestattet ist.

Aufgrund eines Verdachts der Manipulation der Arbeitszeit, der an den Betriebsratsvorsitzenden … herangetragen und von diesem dem Regionsleiter … weitergemeldet worden war, überwachte die Beklagte in der Zeit vom 30./31.01. bis zum 14./15.02.2001 die Stechuhr und die daneben gelegene Tür des Wareneingangsbüros mit Hilfe von Videokameras. Es wurden Videobänder hergestellt und jeweils ausgewertet. Beginnend in der Nacht vom 11. auf den 12.02. bis 15. auf den 16.02.2001 wurden zudem die beiden Aufenthaltsräume (Raucher/Nichtraucher) überwacht. In der Nacht vom 15. auf den 16.02.2001 fand die Videoüberwachung im Beisein des Betriebsleiters und des Betriebsratsvorsitzenden statt.

Zufolge der Auswertung der Bänder durch die Beklagte kam es während der Überwachung in elf Nächten stets durch mehrere Mitarbeiter der Nachtschicht und wiederholt zu Anmeldungen ohne Zeiterfassung, zu Anmeldungen mit Zeiterfassung für andere, zu Abmeldungen ohne Zeiterfassung sowie zu Abmeldungen und Zeiterfassung für andere. Den Beteiligten ist – einschließlich des Schichtleiters – mittlerweile gekündigt worden. Die Kündigungssachen eines Beteiligten sowie des Nachtschichtleiters sind inzwischen zu deren Lasten rechtskräftig abgeschlossen.

Auch der Kläger wird von der Beklagten zum Kreis der Beteiligten gerechnet. In der Manipulation der Zeiterfassung durch ihn erkennt die Beklagte Betrug und Urkundenfälschung.

Von der erneuten Wiedergabe des Tatbestandes kann hier aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. im Wesentlichen abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des die Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen Bezug genommen werden (§ 69 Abs. 3 ArbGG n. F.). Denn dort ist das tatsächliche Vorbringen beider Parteien im Wesentlichen vollständig und richtig wiedergegeben. Tatbestandsrügen hat auch keine Seite erhoben. Lediglich ergänzend ist Folgendes zu beurkunden:

Mit Schriftsatz vom 15.05.2001 hat die Beklagte u.a. Folgendes vorgetragen:

„Die Auswertung der Videoaufzeichnung hat für den Kläger beim ‚Gehen’ folgendes ergeben:

06./07.02.01

In der Nacht vom 06.02.01 zum 07.02.01 ist der Kläger um 03.35 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen. Herr … hat um 03.45 Uhr die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 6

07./08.02.01

In der Nacht vom 07.02.01 zum 08.02.01 ist der Kläger um 04.15 Uhr gegangen, ohne die Zeit zu erfassen. Herr … hat um 04.45 Uhr die Zeit für den Kläger erfasst.

Beweis: Videoband 7

08./09.02.01

In...

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