Rz. 272
In sozialrechtlichen Angelegenheiten ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen
▪ | Angelegenheiten, in deren Betragsrahmengebühren und |
▪ | Angelegenheiten, in deren Wertgebühren |
entstehen. Zur der Rechtsnatur der einzelnen Gebührenarten vgl. § 8 Rdn 169 ff.
Rz. 273
Die entscheidende Vorschrift für diese Unterteilung ist § 3 RVG. Die Frage, ob in einer Sache nämlich Wertgebühren nach einem Gegenstandswert berechnet werden oder Betragsrahmengebühren entstehen, richtet sich danach, ob das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung findet.
Rz. 274
Ist das GKG anwendbar, so entstehen Wertgebühren nach dem Gegenstandswert der Angelegenheit. Findet das GKG hingegen keine Anwendung, so sind Betragsrahmengebühren abzurechnen.
Dies gilt entsprechend auch für vorgerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts.
Rz. 275
Es stellt sich nunmehr die Frage, in welchen Fällen das Gerichtskostengesetz Anwendung findet. § 1 Nr. 4 GKG verweist insoweit auf das Sozialgerichtsgesetz (SGG). § 183 SGG enthält eine Aufzählung von Personengruppen, u.a.
▪ | Versicherte der Sozialversicherung, |
▪ | Leistungsempfänger der Sozialversicherung, |
▪ | Behinderte, |
▪ | Rechtsnachfolger der vorstehend genannten Personen. |
Rz. 276
Gehört weder der Kläger noch der Beklagte zu einer der dort genannten Personengruppen, so werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben und Wertgebühren entstehen (z.B. die Vertretung eines Arbeitgebers gegen die Krankenkasse oder die Berufsgenossenschaft).
Rz. 277
Ein entsprechender Streitwertkatalog für die Wertgebühren besteht seit 2006 und wurde letztmalig im März 2017 (5. Auflage) überarbeitet. In der Praxis hat der Streitwertkatalog jedoch kaum Bedeutung, da am Großteil der Verfahren die unter Rdn 275 genannten Personengruppen beteiligt sind. Wie alle Streitwertkataloge enthält auch dieser nur Empfehlungen und ist nicht verbindlich.
Rz. 278
Soweit jedoch die dort genannten Personengruppen am Verfahren auf Kläger- oder Beklagtenseite stehen, ist das Verfahren vor dem Sozialgericht gerichtskostenfrei und Betragsrahmengebühren fallen an (z.B. die Vertretung eines Arbeitssuchenden gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Bewilligung von Hartz IV).
Rz. 279
Als Betragsrahmengebühren können folgende Gebühren entstehen:
Gebühren | Betragsrahmen in EUR | Mittelgebühr in EUR |
---|---|---|
vorgerichtlich: | ||
Geschäftsgeb. 2302 VV RVG | 50,00 – 640,00 | 345,00 (Schwellenwert 300,00) |
Einigungs- oder Erledigungsgeb. Nr. 1005 VV RVG | in Höhe der Geschäftsgebühr | |
1. Instanz: | ||
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG | 50,00 – 550,00 | 300,00 |
Terminsgeb. Nr. 3106 VV RVG | 50,00 – 510,00 | 280,00 |
Einigungs- oder Erledigungsgeb. Nr. 1006 VV RVG | in Höhe der Geschäftsgebühr | |
2. Instanz: | ||
Verfahrensgeb. Nr. 3204 VV RVG | 60,00 – 680,00 | 510,00 |
Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG | 50,00 – 510,00 | 280,00 |
3. Instanz: | ||
Verfahrensgeb. Nr. 3212 VV RVG | 80,00 – 880,00 | 735,00 |
Terminsgeb. Nr. 3213 VV RVG | 80,00 – 830,00 | 455,00 |
Einigungs- und Erledigungsgeb. für 2. und 3. Instanz ebenfalls nach Nr. 1006 VV RVG | in Höhe der Geschäftsgebühr |
Rz. 280
Zum Anfallen der einzelnen Gebühren vgl. die Gebührentatbestände unter § 8 Kosten und Gebühren.
Rz. 281
Hinsichtlich sozialrechtlichen Angelegenheiten gibt es die Besonderheit, dass vorgerichtlich zwei Geschäftsgebühren anfallen können, und zwar für das Antrags- und das Rechtsbehelfsverfahren. Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG zum 1.8.2013 waren die beiden Geschäftsgebühren anrechnungsfrei und die zweite Gebühr jedoch deutlich reduziert. Dieses System wurde nunmehr vom Gesetzgeber aufgegeben.
Rz. 282
Es entstehen jetzt zwei Geschäftsgebühr nach 2302 VV RVG jeweils eine für das Antrags- und eine für das Rechtsbehelfsverfahren, wobei die im Antragsverfahren entstandene Geschäftsgebühr dann jedoch zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Betrag von 175,00 EUR auf die Geschäftsgebühr des Rechtsbehelfsverfahrens anzurechnen ist (Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG).
Rz. 283
Es gibt auch nur noch eine Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren der ersten Instanz nach Nr. 3102 VV RVG. Eine Unterscheidung, ob der Anwalt bereits im Rechtsbehelfsverfahren vorbefasst war oder nicht, entfällt somit. Nr. 3103 VV RVG wurde daher durch das 2. KostRMoG ersatzlos gestrichen.
Rz. 284
Eine für die außergerichtliche Vertretung entstandene Geschäftsgebühr der Nr. 2302 VV RVG ist jedoch nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte, höchstens mit einem Betrag in Höhe von 175,00 EUR auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG anzurechnen, die der Rechtsanwalt wegen desselben Gegenstandes erhält.
Rz. 285
Sind sowohl die Geschäftsgebühr für das Antragsverfahren als auch für das Rechtsbehelfsverfahren entstanden, ist nur die zuletzt entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.
Rz. 286
Die Wertgebühren im gerichtlichen Verfahren sind identisch mit denen im normalen Zivilverfahren, mit Ausnahme, dass auch hier zwei Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG jeweils eine für das Antrags- als auch eine für das Rechtsbehelfsverfahren entstehen kö...
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