Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung der dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren

 

Orientierungssatz

1. Bei unterdurchschnittlichem Umfang und gleichfalls unterdurchschnittlicher Schwierigkeit der Streitsache ist die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV RVG und die Einigungsgebühr der Nr. 1006 VV RVG mit 2/3 der Mittelgebühr in Ansatz zu bringen.

2. Auf die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV RVG ist die durch die Vertretung in derselben Angelegenheit im Vorverfahren angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG i. V. m. Nr. 1008 VV RVG zur Hälfte anzurechnen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.12.2018 wird der an den Beschwerdeführer im Wege der Prozesskostenhilfevergütung aus der Staatskasse zu entrichtende Betrag auf 827,05 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Höhe der Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In der Hauptsache stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung nach endgültiger Festsetzung zunächst vorläufig bewilligter Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Streitig im Klageverfahren war die Tatsache, ob ein Teil der zur Erstattung verlangten Summe überhaupt zur Auszahlung gelangt ist, ferner die Rechtsfrage, ob der Erstattungsbescheid verfristet erlassen worden ist. Das Verfahren endete durch einen Vergleichsschluss in einem Erörterungstermin; der Beklagte trug die Kosten der Kläger zu 1/3. Den damaligen Klägern ist für das Klageverfahren mit Beschluss vom 14.7.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden.

Mit Antrag vom 17.1.2018 beantragte der Beschwerdeführer, Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG

-33,30 EUR

3/10 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG

90,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG

300,00 EUR

Pauschale für Post und Telekomm. Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

181,77 EUR

Gesamtbetrag

1138,44 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.2.2018 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

200,00 EUR

Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG

- 175,00 EUR

3/10 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG

60,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG

200,00 EUR

Pauschale für Post und Telekomm. Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

111,15 EUR

Gesamtbetrag

696,15 EUR

Zur Begründung führte er aus, die Verfahrensgebühr - und entsprechend die Einigungsgebühr - sei überhöht angesetzt. Ein relevantes Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich, die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit werde durch die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse kompensiert. Umfang und Schwierigkeit seien unterdurchschnittlich. Der sonst übliche, aufwändige Schriftwechsel mit streitigen Ausführungen zur Sach- und Rechtslage sei nicht erforderlich gewesen. Der Umfang werde daher als unterdurchschnittlich bewertet. Die rechtliche Problematik liege im Durchschnitt. Bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3, Abs. 4 VV RVG sei die Hälfte der "entstandenen" Geschäftsgebühr anzurechnen, ungeachtet dessen, was tatsächlich gezahlt worden ist.

Dagegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 26.2.2018. Die Verfahrensgebühr sei zu Unrecht auf zwei Drittel gekürzt worden. Es habe sich um einen durchschnittlichen Fall gehandelt. Das zur Stützung seiner Auffassung bei der streitigen Rechtsfrage genannte Urteil habe erst nach ausführlicher Recherche zitiert werden können. Wegen der streitigen Tatsachenfrage hätten die Kontoauszüge der Kläger geprüft werden müssen. Zudem habe es zwei Besprechungstermine gegeben. Bei der Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG könne nur angerechnet werden, was auch tatsächlich zugeflossen sei.

Der Erinnerung hat der Urkundsbeamte nicht abgeholfen; diese wurde sodann durch Beschluss des Sozialgerichts vom 28.12.2018 "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung" zurückgewiesen. Eine Nichtabhilfe der Beschwerde gegen diesen Beschluss vom 24.1.2019 wurde zunächst nicht geprüft und das Verfahren dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach Aufforderung durch das Landessozialgericht hat das Sozialgericht sodann unter Bezugnahme auf seinen Beschluss nicht abgeholfen.

II.

Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 RVG der Senat, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVG findet die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Erinnerung statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR ...

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