Rz. 9

Fehlt – wie im Regelfall – in einem Vertrag eine ausdrückliche Regelung eines Drittschutzes, so hat eine – notfalls ergänzende – Vertragsauslegung mit dem Ergebnis, dass die Vertragspartner einen Dritten in den Schutzbereich ihres Vertrages einbeziehen wollen, folgende Voraussetzungen:[27]

Dem Vertragsschuldner muss die Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich bekannt oder zumindest erkennbar sein.[28]
Die Rechtsgüter des Dritten (im Regelfall dessen Vermögen) können durch die Vertragsleistung des Schuldners mit Rücksicht auf den Vertragszweck "bestimmungsgemäß", typischerweise“ beeinträchtigt werden ("Leistungsnähe, Drittbezogenheit der Leistung", Näheverhältnis).[29]
Der Vertragsgläubiger muss ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten haben.[30]
Der Dritte muss ein Schutzbedürfnis haben.[31]

Diese Voraussetzungen des Erwerbs eines eigenen Anspruchs aus fremdem Vertrag mit Schutzwirkung hat der Dritte zu beweisen.[32]

Eine Gegenläufigkeit der Interessen des Vertragsgläubigers und des Dritten spricht beim Gutachtenvertrag nicht gegen dessen Einbeziehung in den vertraglichen Schutzbereich.[33] Anders liegt es dagegen beim Anwaltsvertrag, der regelmäßig nicht dem Schutz des Vertragsgegners des Mandanten dient.[34]

Letztlich ergibt eine Interessenabwägung, ob ein Dritter in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen wurde oder nicht (vgl. Rdn 16).

[32] D. Fischer, DB 2012, 1489, 1490.
[34] BGH, 23.4.2009 – IX ZR 167/07, WM 2009, 1242, Tz. 42; BGH, 21.9.2017 – IX ZR 12/17, BeckRS 2017, 131188, Tz. 2; BGH, 15.11.2018 – IX ZR 75/18, BeckRS 2018, 32348, Tz. 4.

1. Kenntnis oder Erkennbarkeit

 

Rz. 10

Ein Vertrag mit Schutzwirkung setzt voraus, dass dem Vertragsschuldner bei Vertragsschluss – oder bei einer späteren Vertragsergänzung – bekannt oder zumindest erkennbar ist, dass ein Dritter objektiv – gemäß den vorstehenden Ausführungen (vgl. Rdn 9) – in den Bereich einer Schutz-(Neben-)pflicht oder der vertraglichen (Haupt-)Leistungspflicht einbezogen wird.[35] Der begünstigte Personenkreis muss bei Vertragsschluss objektiv abgrenzbar sein; nicht erforderlich ist, dass der Schuldner die geschützten Dritten dem Namen oder der Anzahl nach kennt.[36] In dem Zeitpunkt, in dem sich der Schuldner vertraglich bindet, muss er das Haftungsrisiko übersehen, berechnen und versichern können.[37] Nur unter dieser Voraussetzung kann der vertragliche Schutz eines Dritten auch auf den Vertragswillen des Schuldners zurückgeführt werden.

[35] BGHZ 49, 350, 354 = NJW 1968, 885; BGH, WM 1984, 1233, 1234; BGH, NJW 1985, 489; BGHZ 133, 168, 173 = WM 1996, 1739 = NJW 1996, 2927; BGH, 13.10.2011 – IX ZR 193/10, WM 2011, 2334, Tz. 6 ff.; BGH, 10.12.2015 – IX ZR 56/15, WM 2016, 1562, Tz. 26; BGH, 18.2.2016 – IX ZR 191/13, WM 2016, 2089, Tz. 21; BGH, 21.7.2016 – IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 = WM 2016, 1601, Tz. 17.
[36] BGH, NJW 1987, 1758, 1760; BGH, NJW 1995, 392; BGH, NJW-RR 2004, 1464, 1466; BGH, NJW 2004, 3035, 3038.
[37] Vgl. BGHZ 51, 91, 96 = NJW 1969, 269; BGHZ 159, 1, 9 = NJW 2004, 3035; BGH, 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Tz. 14.

2. Drittbezogenheit der Vertragsleistung

 

Rz. 11

Voraussetzung dafür, dass die dem Schuldner – grds. nur ggü. dem Gläubiger – obliegenden Vertragspflichten auch den Dritten umfassen, ist weiterhin, dass dessen Rechtsgüter nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall durch die Vertragsleistung des Schuldners mit Rück...

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