Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung gegenüber Dritten: Verletzung der Sorgfaltspflicht bei Erteilung eines Steuerberatertestats

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Sorgfaltspflicht eines steuerlichen Beraters bei der Erteilung von Testaten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für den Vorsatz der Drittschädigung bei der leichtfertigen Erteilung des Testats eines Steuerberaters über die Zwischenbilanz eines Unternehmens ist es ausreichend, wenn der Steuerberater es sich vorstellte, der Abschluß könne bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwendet werden und diesen zu einer ihm nachteiligen Disposition veranlassen, nicht dagegen, daß der Steuerberater mit einer Kreditaufnahme rechnen muß.

2. Wenn dem testierenden Steuerberater erkennbar war, daß die Ausarbeitung – als Entscheidungsgrundlage – für einen Dritten, Käufer oder Kreditgeber (Bank), bestimmt war, genügt dies für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines auf Erstellung und Testat der Zwischenbilanz eines Unternehmens gerichteten Vertrags. Der Geschädigte kann ggf. seinen vollen Schaden geltend machen.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 826; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 29.01.1985; Aktenzeichen 13 U 3449/84)

LG München I (Urteil vom 25.04.1984; Aktenzeichen 12 O 4557/83)

 

Tatbestand

Der Filmregisseur V wollte von dem Alleingesellschafter der V GmbH dessen beide Geschäftsanteile von insgesamt 500.000, – DM erwerben. Er bat seine Hausbank, die Klägerin, um die Finanzierung der Kaufsumme. Zur Unterstützung des Kreditgesuchs legte er einen Zwischenabschluß zum 31. Mai 1981 vor, den der Beklagte zu 2) im Namen der aus beiden Beklagten bestehenden Steuerberatersozietät unterschrieben hatte. Die Beklagten waren damals die Steuerberater der V GmbH; sie hatten den Auftrag zur Anfertigung der Zwischenbilanz von dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer M erhalten.

In der Anlage 4 zum Zwischenabschluß führte der Beklagte zu 2) aus:

„Im Rahmen des mir erteilten Auftrages wirkte ich bei der Erstellung des Zwischenabschlusses zum 31. Mai 1981 mit und prüfte die sinngemäße Einhaltung der aktienrechtlichen Vorschriften über den Inhalt des Jahresabschlusses, über die Gliederung der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, über die Wertsätze in der Jahresbilanz sowie die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.”

Er versah den Zwischenabschluß mit folgender Schlußbemerkung:

„Ich erstatte diesen Bericht aufgrund der vorgelegten Bücher und Unterlagen sowie der mir erteilten Auskünfte und gegebenen Nachweise nach bestem Wissen und Gewissen.”

Eine Ausfertigung des Zwischenabschlusses ging an den Geschäftsführer M; zwei andere wurden auf dessen Veranlassung von den Beklagten Herrn V übersandt.

Am 28. Juli 1981 erwarb Herr V sämtliche Geschäftsanteile der V GmbH. Am 13. August 1981 räumte ihm die Klägerin einen Tilgungsbarkredit über 500.000. – DM ein. Als Sicherheit wurden ihr die Geschäftsanteile des Kreditnehmers an den Firmen V GmbH und V Filmproduktion GmbH verpfändet.

In der ersten Instanz war unstreitig, daß am 18. August 1982 über das Vermögen der Firma V Filmproduktion GmbH, am 31. August 1982 über das Vermögen der V GmbH und am 27. November 1982 über das persönliche Vermögen des Gesellschafters V das Konkursverfahren eröffnet wurde, daß im Konkursverfahren V die Klägerin mit ihrer Forderung aus dem Kreditgeschäft ausgefallen ist und daß keine Aussicht besteht, in den beiden anderen Konkursverfahren auch nur teilweise Befriedigung zu erlangen.

Die Klägerin verlangt von den beklagten Steuerberatern Schadensersatz. Sie behauptet, der Zwischenabschluß sei falsch gewesen; er weise einen Gewinn aus, obwohl die Gesellschaft per 31. Mai 1981 einen Verlust von mindestens 90.251,20 DM erlitten habe. Für die Kreditgewährung sei der von dem Beklagten zu 2) testierte Zwischenabschluß entscheidend gewesen. Wäre ihr, der Klägerin, ein Zwischenabschluß vorgelegt worden, in dem die wirtschaftliche Lage zutreffend dargestellt gewesen sei, so hätte sie den Kredit nicht bewilligt.

Die Beklagten haben vorgetragen, sie seien erst seit April 1981 als steuerliche Berater der V GmbH tätig geworden. Sie hätten erhebliche Mängel im Geschäftsbetrieb dieser Gesellschaft feststellen müssen. Die Buchführung der Gesellschaft sei im Laufe der Zeit immer mehr in Unordnung und in Rückstände geraten. Auch die Einstellung einer weiteren Buchhalterin habe keine entscheidende Besserung bewirkt. Als die Beklagten im April 1981 den Antrag erhalten hätten, einen Status der Gesellschaft aufzustellen, hätten sie erhebliche Buchführungsmängel festgestellt. Es habe sich ergeben, daß noch nicht einmal für 1980 alle Buchungen vorgenommen waren; für 1981 sei überhaupt noch keine Buchung vorgenommen worden. Der Zwischenabschluß habe daher nicht die Qualität eines regulären Abschlusses haben können. Nach dem Erhalt des Auftrags zur Anfertigung des Zwischenabschlusses hätten sich die Beklagten sofort an die Arbeit gemacht, die Buchführungsrückstände wenigstens im wesentlichen aufzuarbeiten. Es sei jedoch klar gewesen, daß bei diesem Eilverfahren Fehler nicht auszuschließen waren. Der Zwischenabschluß habe daher nicht zuverlässig sein können.

Die Klägerin hat sich die Darstellung der Beklagten über den Zustand der Buchhaltung der V GmbH zu eigen gemacht.

Im übrigen vertreten die Beklagten die Ansicht, daß ihre Haftung nach den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater auf 100.000 DM begrenzt sei. Sie erheben die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz stützt sie ihr Klagebegehren hilfsweise auf den Schadensersatzanspruch, der ihrer Ansicht nach dem Gemeinschuldner V zustand und den der Konkursverwalter über dessen Vermögen an die Klägerin abgetreten hat.

Die Beklagten erklären sich nunmehr mit Unwissen zu der Behauptung der Klägerin, über das Vermögen der V GmbH und der V Filmproduktion GmbH sowie über das persönliche Vermögen des Alleingesellschafters V sei der Konkurs eröffnet worden.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz den ihr vom Konkursverwalter abgetretenen Schadensersatzanspruch des Filmregisseurs V geltend gemacht hat, hat es die Klageänderung nicht zugelassen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Hauptanspruch und ihren Hilfsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der Klägerin weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung ein eigener Schadensersatzanspruch erwachsen sei. Seine Ausführungen sind jedoch weder in der einen noch in der anderen Hinsicht rechtsfehlerfrei.

1. Die Frage, ob die Klage auf die Vorschriften über unerlaubte Handlungen gestützt werden kann, prüft das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB. Es geht zutreffend davon aus, daß auch ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten einen Sittenverstoß im Sinne dieser Gesetzesvorschrift darstellen kann. Es verneint jedoch einen Schadensersatzanspruch, weil der Klägerin nicht der Nachweis gelungen sei, daß die Beklagten vorsätzlich gehandelt hätten. Es sei nicht erwiesen, daß sie gewußt oder zumindest damit gerechnet hätten, daß der von ihnen erstellte Prüfungsbericht vom Kaufinteressenten V bei Kreditverhandlungen mit Dritten verwendet werden würde. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Frage, ob die Beklagten bei der Erstellung des Zwischenabschlusses und der Erteilung des Testats leichtfertig gehandelt und einen Dritten vorsätzlich geschädigt haben, kann nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn vorher geklärt wird, ob und in welchen Punkten der Zwischenabschluß objektive Fehler enthält (vgl. RGZ 90, 106, 109). Dazu ist folgendes zu bemerken:

a) Das Berufungsgericht spricht auf Seite 18 seines Urteils von einem angeblich falschen Zwischenabschluß. Es meint, daß über die Beanstandungen, die die Klägerin gegen diesen Bericht vorbringt, noch Beweis erhoben werden müßte. Das ist unzutreffend. Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift ausführlich dargelegt, in welchen Punkten ihrer Auffassung nach der Abschluß falsch sein soll; sie hat überdies noch ein Privatgutachten zu dieser Frage vorgelegt und zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht. Die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe sind schlüssig; wenn sie zutreffen, war das Gutachten geeignet, einen falschen Eindruck von der wirtschaftlichen Lage der V GmbH zu vermitteln. Die Beklagten haben sich wie folgt geäußert:

„Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagten – wenn und soweit in dem Zwischenabschluß überhaupt objektive Fehler enthalten gewesen sein sollten, was bestritten wird – vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hätten. Ich erspare mir zunächst weitere Ausführungen dazu, weil sonst auf das Verhalten der Klägerin näher eingegangen werden müßte”.

Ob damit die Beklagten ihrer prozessualen Erklärungspflicht genügt haben, erscheint zweifelhaft. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an; denn das von dem Beklagten zu 2) erteilte Testat ist schon aus einem anderen Grund zu beanstanden. Der Beklagte zu 2) gibt in seinem Testat an, daß er „die sinngemäße Einhaltung der aktienrechtlichen Vorschriften über den Inhalt des Jahresabschlusses, über die Gliederung der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, über die Wertansätze in der Jahresbilanz sowie die Einhaltung der Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung” geprüft habe. Der Leser mußte also aus dem Zwischenabschluß den Eindruck gewinnen, daß der Beklagte zu 2) die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung festgestellt hatte. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, den sich die Klägerin zu eigen gemacht hat, wies jedoch die Buchhaltung der Videoring GmbH schwerwiegende Mängel auf. Trotz der Bemühungen der Beklagten war es nicht möglich gewesen, diese Mängel so zu beheben, daß ein zuverlässiger Zwischenabschluß hätte aufgestellt werden können.

Der Zustand der Buchhaltung der GmbH war für denjenigen, der aufgrund des testierten Zwischenabschlusses eine Entscheidung zu treffen hatte, von ausschlaggebender Bedeutung. Das Fehlen einer ordnungsmäßigen Buchhaltung machte nicht nur die Bilanzsätze fragwürdig; es war dies vielmehr ein Umstand, der für sich allein Zweifel an der sachgerechten Geschäftsführung der Gesellschaft begründen konnte. Auch das konnte bei der Bewertung der Gesellschaft und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Rolle spielen.

b) Daraus ergeben sich auch Folgerungen für die subjektive Seite. Wenn den Beklagten bekannt war, daß die Buchhaltung der V GmbH schwerwiegende Mängel aufwies, und wenn sie aus diesem Grunde die Aufstellung einer zuverlässigen Zwischenbilanz für unmöglich hielten, dann war es leichtfertig, wenn sie den Zwischenabschluß zum 31. Mai 1981 mit ihrem Testat versahen. Soweit sie darin das Vorhandensein einer ordnungsmässigen Buchhaltung bescheinigten, war ihnen die Unrichtigkeit ihrer Feststellung positiv bekannt; zur Beurteilung der Frage, ob die Bilanzansätze richtig waren, fehlte ihnen eine ausreichende Erkenntnis. Das Oberlandesgericht meint jedoch in Übereinstimmung mit dem Landgericht, daß eine vorsätzliche Schädigung nicht nachgewiesen sei; diese könne nur dann angenommen werden, wenn die Beklagten zumindest damit rechneten, daß ihr leichtfertig falscher Zwischenabschluß an die Klägerin oder zumindest an eine andere Bank gelangen und von dieser zur Grundlage einer Kreditentscheidung gemacht werden würde. Diesen Beweis habe aber die Klägerin nicht erbracht. Diese Feststellung ist nicht rechtsfehlerfrei getroffen; die Vorinstanzen haben mehrere wesentliche Umstände nicht beachtet.

Mit der Schädigung eines Dritten hätten die Beklagten allerdings dann nicht zu rechnen brauchen, wenn der Zwischenabschluß nur zur Belehrung der Mandantin und nicht zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt gewesen wäre. Das behaupten jedoch nicht einmal die Beklagten. Es wäre auch unverständlich, welchen Zweck in diesem Falle überhaupt das Testat gehabt hätte. Als Erkenntnisquelle für den Geschäftsführer der Mandantin, als Grundlage für dessen unternehmerische Entschlüsse war es ungeeignet, da diesem bereits aufgrund der Belehrungen der Beklagten die Unrichtigkeit des Testats bekannt war.

Für den Vorsatz reicht es aus, wenn die Beklagten es sich vorstellten, der Abschluß könne bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwandt werden und diesen zu einer ihm nachteiligen Disposition veranlassen. In diesem Zusammenhang rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht bei der Entscheidung der Frage, ob die Beklagten mit einer Weitergabe des Zwischenabschlusses an eine Bank rechneten, allgemeine Erfahrungssätze außer acht gelassen hat. Sie meint, es sei eine Erfahrungstatsache, daß Unternehmerpersönlichkeiten wie V in der Regel von der Hausbank einen Dispositionskredit in Form einer Kreditlinie zugesagt werde; Geschäfte wie das vorliegende würden nach der Lebenserfahrung regelmäßig teilweise fremdfinanziert. Dieser Auffassung kann sich der Senat zwar nicht in vollem Umfang anschließen. Es mag Fälle geben, in denen der Käufer eines Unternehmens in der Lage ist, den vereinbarten Kaufpreis aus eigenen Mitteln aufzubringen. Die Regel ist dies allerdings nicht. Es lag daher nahe, daß die Beklagten aufgrund ihrer Berufserfahrung mit der Möglichkeit einer Kreditaufnahme des Käufers zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises rechneten. Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht, wenn die Beklagten positive Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, daß V den Erwerb ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzieren wollte. Wenn V nach den vom Oberlandesgericht übernommenen Feststellungen des Landgerichts den „Eindruck” erweckt hat, daß es für ihn kein Problem sei, 4 Millionen zur Begleichung der Lieferantenforderungen und für die erforderliche Expansion und weitere Ergänzungsinvestitionen „aufzubringen”, so besagt dies noch nicht, daß er 4 Millionen als Eigenmittel zur Verfügung hatte; es kann auch so zu verstehen sein, daß es ihm ein leichtes sei, sich diese 4 Millionen oder einen Teil im Kreditwege zu beschaffen. Aber selbst wenn der Käufer Eigenmittel in Höhe von 4 Millionen DM zur Verfügung gehabt hätte, hätten diese nicht ausgereicht, um die Verpflichtungen zu erfüllen, die ihm durch den Kauf entstanden. Er hatte für die Geschäftsanteile 500.000 DM und für die Ablösung des Gesellschafterdarlehens des bisherigen Alleingesellschafters M 1.600.000 DM zu zahlen; die zusätzlichen Aufwendungen, die dem Käufer entstanden, beliefen sich auf 4 Millionen DM. Selbst wenn also V tatsächlich 4 Millionen DM zur Verfügung gehabt hätte, wäre eine Kreditaufnahme in Höhe von 2,1 Millionen erforderlich gewesen.

Das Berufungsgericht wird auch nicht außer Betracht lassen dürfen, daß testierte Unternehmensabschlüsse im Geschäftsverkehr zwischen Kreditnehmern und Banken benötigt werden. Die Banken werden vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen angehalten, von den Kreditnehmern testierte Jahresabschlüsse zu verlangen (Consbruch/Möller/Bähre/Schneider, KWG Textsammlung Nr. 4.39); dieses Amt läßt dabei auch Testate von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu (Schreiben des Amts vom 6. August 1965 – I 4 – 2 –, abgedruckt in DStR 1966, 614). Inwieweit diese Praxis den Beklagten bekannt war und inwieweit sie deshalb mit der Möglichkeit einer Vorlage des Abschlusses bei einer Bank rechneten, wird Sache der tatrichterlichen Beurteilung sein.

Zur Annahme eines vorsätzlichen Handelns genügt es allerdings nicht, daß die Beklagten mit einer Kreditaufnahme rechnen mußten; das Berufungsgericht hätte jedoch prüfen müssen, ob es angesichts dieser Umstände nicht als erwiesen angesehen werden muß, daß die Beklagten mit dieser Möglichkeit rechneten.

d) Eine Haftung aus unerlaubter Handlung kommt allerdings nur insoweit in Betracht, als der in Anspruch genommene Beklagte persönlich für den Zwischenabschluß verantwortlich ist. Diese Voraussetzung liegt, soweit bisher ersichtlich, nur hinsichtlich des Beklagten zu 2) vor, der den Zwischenabschluß erstellt und das Testat erteilt hat.

2. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, daß zwischen der aus den Beklagten bestehenden Sozietät und der Firma V GmbH (oder dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter M) ein auf Erstellung des Zwischenabschlusses gerichteter Vertrag zustandegekommen sei. Es meint jedoch, daß die Klägerin nicht in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen gewesen sei. Eine solche Einbeziehung könne nur dann angenommen werden, wenn der Vertragspartner der in Anspruch genommenen Partei eine Schutzpflicht zugunsten des geschädigten Dritten gehabt habe. Zwischen der V GmbH (bzw. ihrem Gesellschafter M) und der Klägerin bestehe ein solches Verhältnis jedoch nicht.

Diese rechtliche Beurteilung steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hat zwar in einer Reihe von Entscheidungen die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages davon abhängig gemacht, ob Wohl und Wehe des Dritten dem Vertragspartner des Schutzpflichtigen anvertraut waren (BGHZ 51, 91, 96; 56, 269, 273; 66, 51, 57; Urteile vom 16. Oktober 1963 – VIII ZR 28/62 – NJW 1964, 33, 34; vom 30. September 1969 – VI ZR 254/67 – NJW 1970, 38, 40; vom 15. Juni 1971 – VI ZR 262/69 – NJW 1971, 1931). Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht dahin verstanden werden, daß mit ihr Grenzen für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages gezogen werden sollten. Vielmehr wollte der Bundesgerichtshof lediglich die Frage entscheiden, unter welchen Voraussetzungen allein aufgrund der objektiven Interessenlage – also ohne einen konkreten Anhaltspunkt in ausdrücklichen Parteierklärungen oder im sonstigen Parteiverhalten – die stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist. Nach § 328 BGB steht es den Vertragsschließenden frei, eine Leistungspflicht zugunsten eines Dritten zu begründen. Der Gestaltungsfreiheit der Parteien sind in dieser Hinsicht keine anderen Grenzen gezogen als die, die für alle Verträge gelten (insbesondere §§ 134, 138 BGB). Das gleiche muß für Schutzpflichten gelten. Den Vertragsparteien ist es daher unbenommen, eine Schutzpflicht auch zugunsten von solchen Personen zu begründen, die nicht ihrer Fürsorge anvertraut sind. Ob ein solcher rechtsgeschäftlicher Wille besteht, hat der Tatrichter nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln (Urteile vom 2.11. 1983 – IVa ZR 20/82 – und vom 23.1.1985 – IVa ZR 66/83 – WM 1984, 34; 1985, 450).

Im vorliegenden Fall liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die Vertragsparteien Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbeziehen wollten. Wie bereits oben ausgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Zwischenabschluß lediglich zur Belehrung des Mandanten der Beklagten dienen sollte; er war vielmehr als Entscheidungsgrundlage für einen Dritten – entweder den Käufer oder einen Kreditgeber – bestimmt. In einem solchen Fall liegt die Annahme nahe, daß der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden sollte. Dem kann im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden, daß die Interessen des Käufers oder Kreditgebers auf der einen und der Mandantin des Steuerberaters auf der anderen Seite gegenläufig gewesen seien. Wer bei einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. bei öffentlich bestellten Sachverständigen, Wirtschaftsprüfern, öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren, Steuerberatern) ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerungen (z.B. ein Wirtschaftsgüter- oder Steuerberatertestat) bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen, ist in der Regel daran interessiert, daß die Ausarbeitung die entsprechende Beweiskraft besitzt. Das ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn der Verfasser sie objektiv nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und auch dem Dritten gegenüber dafür einsteht.

Die Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Vertrages hängt nicht davon ab, ob den Beklagten bekannt war, daß der Zwischenabschluß der Klägerin vorgelegt werden sollte; es genügt vielmehr, wenn den Beklagten erkennbar war, daß die Ausarbeitung entweder für einen Käufer oder einen Kreditgeber (Bank) bestimmt war. Der Bundesgerichtshof hat schon mehrfach eine Schutzpflicht zugunsten eines Dritten in Fällen angenommen, in denen dem Schutzpflichtigen weder die Zahl noch die Namen der zu schützenden Person bekannt war (BGHZ 26, 365, 371; 33, 247, 249; 55, 11, 18; Urteile vom 25. April 1956 – VI ZR 34/55 –, 15. Mai 1959 – VI ZR 109/58 – und vom 23. Juni 1965 – VIII ZR 208/63 – NJW 1956, 1193; 1959, 1676; 1965, 1757; ferner Senatsurteil vom 2. November 1983 – IVa ZR 20/82 – LM BGB § 328 Nr. 75 = NJW 1984, 355 = WM 1984, 34). Das bedeutet allerdings nicht, daß der Kreis der unter die Schutzpflicht fallenden Personen uferlos ausgeweitet werden dürfte; es ist vielmehr erforderlich, daß die Schutzpflicht auf eine überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird. Es erscheint demnach nicht unzulässig, wenn diejenige Person, der der Zwischenabschluß erkennbar als Entscheidungsgrundlage diente, in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen wird; denn in diesem Falle würde sich der Schutzbereich nur auf den Käufer und einen etwaigen Geldgeber des Käufers erstrecken.

Soweit der Beklagte zu 2) eine vertragliche Schutzpflicht verletzt hat, kann die Klägerin auch den Beklagten zu 1) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen; als Sozien haften die Beklagten für jede Vertragsverletzung, die von einem von ihnen begangen worden ist, als Gesamtschuldner.

3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann auch nicht mit einer anderen Begründung (§ 563 ZPO) aufrechterhalten werden.

a) Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Soweit sie auf unerlaubte Handlung gestützt werden, richtet sich die Verjährung nach § 852 BGB, soweit vertragliche Ansprüche in Frage stehen, nach § 68 des Steuerberatungsgesetzes. Beide Gesetzesvorschriften sehen eine dreijährige Verjährungsfrist vor, die allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnt. Auf jeden Fall kann die Verjährung nicht vor der Erstellung des Zwischenabschlusses, d.h. also nicht vor dem 24. Juli 1981 zu laufen begonnen haben. Sie ist jedoch durch den am 12. Januar 1983 beantragten und am 8. Februar 1983 zugestellten Mahnbescheid unterbrochen und seitdem nicht mehr in Lauf gesetzt worden.

b) Auch auf die in den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater vorgesehene Haftungsbegrenzung auf 100.000 DM können sich die Beklagten gegenüber der Klägerin nicht berufen. Die Ansprüche, die der Klägerin möglicherweise aufgrund von § 826 BGB zustehen, können durch vertragliche Abmachungen zwischen den Beklagten und der V GmbH oder Herrn M nicht berührt werden. Soweit die Klägerin geltend macht, daß sie in den Schutzbereich eines zwischen der V GmbH (oder Herrn M) und den Beklagten abgeschlossenen Steuerberatungsvertrages einbezogen worden sei, muß sie sich allerdings auch die Bedingungen dieses Vertrages entgegenhalten lassen. Die Beklagten haben jedoch nicht in schlüssiger Weise vorgetragen, daß die genannten Bedingungen wirksam zum Bestandteil dieses Vertrages gemacht worden seien (vgl. § 2 AGBG). Aber selbst wenn dies geschehen sein sollte, wäre die Klägerin nicht gehindert, Ersatz des vollen, ihr entstandenen Schadens geltend zu machen, wenn der Beklagte zu 2) entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben sollte. Im ersteren Fall wäre die Haftungsbegrenzung gemäß § 276 Abs. 2 BGB, im letzteren nach § 11 Nr. 7 AGBG unwirksam.

4. Die Frage, ob der Klägerin durch den falschen Zwischenabschluß ein Schaden entstanden ist, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nach § 287 ZPO zu beurteilen haben.

II.

Soweit die Klägerin ihren Klageantrag in der zweiten Instanz hilfsweise auf den ihr abgetretenen Anspruch ihres Kreditnehmers V gestützt hat, hat das Berufungsgericht mit Recht eine Klageänderung angenommen. Da die Beklagten der Klageänderung widersprochen hatten, kam es darauf an, ob die Klageänderung unter prozeßwirtschaftlichen Gesichtspunkten als sachdienlich anzusehen war. Auch das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Es hat jedoch die Sachdienlichkeit verneint, weil bei der Entscheidung über den Hilfsanspruch das bisherige Prozeßergebnis nicht verwertet werden könne, andererseits aber eine Beweisaufnahme über die von der Klägerin behaupteten Fehler des Zwischenabschlusses erforderlich werde. Diese Erwägung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie bereits oben unter Ziffer I. 1. a) ausgeführt ist, muß bei zutreffender rechtlicher Beurteilung davon ausgegangen werden, daß der Beklagte zu 2) ein unrichtiges Testat erteilt hat; eine Beweisaufnahme hierüber ist daher auch dann nicht erforderlich, wenn die Klageänderung zugelassen wird.

 

Fundstellen

BB 1987, 651

NJW 1987, 1758

ZIP 1987, 376

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