Leitsatz (amtlich)

›Zur Frage, ob ein Käufer, der in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogen ist, aufgrund dessen ein Bausachverständiger für den Verkäufer ein Gutachten über den Wert des Grundstücks zu erstatten hat, auch dann von dem Sachverständigen Schadensersatz wegen schuldhaft unrichtiger Begutachtung verlangen kann, wenn die Unrichtigkeit des Gutachtens von dem Verkäufer (arglistig) herbeigeführt worden ist.‹

 

Verfahrensgang

OLG Köln

LG Aachen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Architekt und verpflichteter Bausachverständiger der Kreissparkasse A. Im März 1988 erstattete er im Auftrag der Eigentümerin ein Wertgutachten über ein in W.-B. gelegenes Hausgrundstück, das, wie bei Auftragserteilung mitgeteilt worden war, veräußert werden sollte. In dem Wertgutachten wird ein Betrag für "Reparaturanstau" nicht festgesetzt; vielmehr werden "nennenswerte Reparaturen ... zur Zeit" nicht für erforderlich gehalten. Der Unterhaltungszustand des Hauses wird insgesamt als gut bezeichnet.

Die Kläger, denen bei den Vertragsverhandlungen das Wertgutachten vorgelegt worden war, kauften mit notariellem Vertrag vom 9. Mai 1988 das Hausgrundstück unter Ausschluß der Haftung des Veräußerers für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel.

Im März 1989 stellten die Käufer bei Renovierungsarbeiten auf dem Dachboden Feuchtigkeitsschäden fest, die ein von ihnen eingeschalteter Sachverständiger für so schwerwiegend erachtete, daß "wahrscheinlich die gesamte Dachkonstruktion abgebrochen und durch ein neues Dach ersetzt werden" müsse. Die daraufhin gegen die Verkäuferin angestrengte Schadensersatzklage ist in erster Instanz abgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte Berufung nahmen die Kläger nach Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs zurück.

Die Kläger verlangen nunmehr von dem Beklagten Schadensersatz wegen schuldhaft unrichtiger Bewertung des Kaufgrundstücks. Sie beanstanden, daß die Mitarbeiter des Beklagten bei der Besichtigung des Hauses nicht auch den Dachspitzboden in Augenschein genommen haben. Wäre dies geschehen, hätten ihnen die gravierenden Baumängel auffallen müssen. Wären diese Baumängel bei der Erstattung des Gutachtens berücksichtigt worden, hätten sie, die Kläger, von dem Kauf des Grundstücks Abstand genommen.

Die Kläger machen mit der Zahlungsklage den ihnen durch den Abschluß des Kaufvertrages entstandenen Schaden geltend. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 44.552,68 DM nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat nicht erörtert, ob den Klägern ein Schadensersatzanspruch aufgrund unmittelbarer vertraglicher Beziehungen der Parteien - und zwar aufgrund eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrages (vgl. eingehend hierzu Senatsurteil vom 13. Februar 1992 - III ZR 28/90 - NJW 1992, 2080, 2082 m.w.N.) - zusteht.

Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, da die Parteien vor dem Kauf des Grundstücks in keinem direkten Kontakt zueinander standen und im übrigen die Kläger in den Vorinstanzen eine dahingehende rechtliche Bewertung ihres Tatsachenvortrags selbst nicht vorgenommen haben. Auch die Revision greift diesen Aspekt nicht auf.

2. Das Berufungsgericht legt den Gutachtenvertrag dahin aus (§§ 133, 157 BGB), daß für den Beklagten aus dem Vertrag mit der Grundstückseigentümerin auch Schutzpflichten zugunsten der Kläger erwachsen sind. Es stellt hierbei entscheidend darauf ab, daß der Sohn der Grundstückseigentümerin, der den Vertrag als deren Vertreter geschlossen hat, bei der Auftragserteilung mitteilte, daß die Wertermittlung für Verkaufszwecke benötigt werde. Die Einbeziehung der Kläger in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) Das Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte ist hier insbesondere nicht deshalb zu verneinen, weil die Interessen der Kläger und der Auftraggeberin hinsichtlich der Bewertung des Grundstücks gegenläufig waren. Wer bei einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen, ist in der Regel daran interessiert, daß die Ausarbeitung die entsprechende Beweiskraft besitzt. Dies ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn der Verfasser sie objektiv nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und auch dem Dritten gegenüber dafür einsteht. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, daß in einem solchen Falle die Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers und des Dritten nicht gegen seine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages spricht (BGH-Urteile vom 18. Oktober 1988 - XI ZR 12/88 - - NJW-RR 1989, 696; vom 26. November 1986 - IVa ZR 86/85 - NJW 1987, 1758, 1759 f und vom 23. Januar 1985 - IVa ZR 66/83 - NJW-RR 1986, 484, 486). Daß dem Beklagten bei Erstellung des Gutachtens nicht bekannt war, daß das Wertgutachten gerade den Klägern vorgelegt werde, ist dabei ohne Belang. Die Bejahung einer Schutzpflicht setzt nicht voraus, daß der Schutzpflichtige die Zahl oder den Namen der zu schützenden Personen kennt. Es genügt vielmehr, daß dem Beklagten bekannt war, daß sein Wertgutachten für einen (potentiellen) Käufer bestimmt war (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. November 1986 aaO. NJW 1987, 1760).

Die besondere, durch staatliche Anerkennung oder einen vergleichbaren Akt nachgewiesene Sachkunde, auf die in der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend abgehoben wird, ist auch - worauf das Berufungsgericht nicht näher eingeht - in der Person des Beklagten vorhanden. Zwar ist dieser kein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Sinne des § 36 der Gewerbeordnung (so die Fallgestaltung bei den BGH-Urteilen vom 23. Januar 1985 aaO. NJW-RR 1986, 484 und vom 2. November 1983 - IVa ZR 20/82 - NJW 1984, 355). Der Beklagte ist jedoch verpflichteter Bausachverständiger der Kreissparkasse A., einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 2 des Sparkassengesetzes NW). Grundlage einer solchen Verpflichtung sind die jeweiligen Beleihungsgrundsätze für die öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Die derzeit gültigen Beleihungsgrundsätze in Nordrhein-Westfalen beruhen auf dem Runderlaß des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr vom 4. September 1969 (SMBl. NW 764), den dieser aufgrund § 20 Abs. 1 Satz 1 der Mustersatzung für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1958 (GV NW S. 111) erlassen hat (vgl. nunmehr § 12 Satz 1 der Sparkassenverordnung NW in der Fassung vom 8. November 1988, GV NW S. 461). § 3 dieser Beleihungsgrundsätze bestimmt, daß Schätzungen des Beleihungsgegenstands - damit sind insbesondere Grundstücke gemeint (§ 1 der Beleihungsgrundsätze) - unter anderem von einem mit den örtlichen Verhältnissen besonders vertrauten, vom Vorstand bestellten und verpflichteten Sachverständigen vorgenommen werden können. Daraus wird deutlich, daß auch eine aufgrund dieser Bestimmung vorgenommene Verpflichtung durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts geeignet ist, in der Öffentlichkeit die berechtigte Erwartung einer gegenüber dem bloß "privaten" Sachverständigen hervorgehobenen Sachkunde und Zuverlässigkeit hervorzurufen. Erstattet ein solcher Sachverständiger - wie hier - ein Wertermittlungsgutachten für private Dritte unter Verwendung der von der Sparkasse vorgesehenen Wertermittlungsvordrucke und unter Hinweis auf seine Eigenschaft als verpflichteter Bausachverständiger der Sparkasse, so nimmt er die im Verhältnis zur verpflichtenden Sparkasse bestehende Vertrauensstellung auch gegenüber seinem Auftraggeber in Anspruch. Dieser darf sich daher darauf verlassen, daß der Sachverständige das Wertgutachten mit der Sorgfalt erstellt, die für eine Beleihungswertschätzung im Auftrag der Sparkasse aufzubringen ist.

Aufgrund dessen bestehen vorliegend keine Bedenken, den Beklagten, soweit es um die Einbeziehung der Kläger in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages geht, einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gleichzustellen.

b) Der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte steht auch - entgegen den von der Revisionserwiderung geäußerten Zweifeln - nicht entgegen, daß der Vertreter der Grundstückseigentümerin bei der Besichtigung des Anwesens dessen Mängel bewußt verheimlichte (s. nachfolgend unter 4.). Zwar mag dies ein Indiz dafür sein, daß dieser ein objektiv richtiges, auch den Interessen eines Kaufinteressenten entsprechendes Wertgutachten gar nicht wollte. Dieser verborgen gebliebene innere Wille wäre jedoch bei der Frage, welcher objektive Erklärungswert der bei der Auftragserteilung erfolgten Mitteilung des Zwecks der Begutachtung mit Blick auf eine etwaige Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Vertrages beizumessen ist, nicht maßgebend.

3. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß ein Sachverständiger, der sich in einem Wertgutachten zu einem etwaigen Abschlag wegen eines "Reparaturanstaus", zum Unterhaltungszustand und zu erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen verhält, bei der Besichtigung des Objekts auch den Versuch unternehmen muß, die Beschaffenheit des Dachs und des Dachstuhls festzustellen. Diese Ausführungen sind ersichtlich dahin zu verstehen, daß nach Auffassung des Berufungsgerichts der Beklagte bzw. dessen Mitarbeiter bei der Ortsbesichtigung auch den Dachspitzboden in Augenschein hätten nehmen müssen oder, wenn eine solche Besichtigung nicht möglich oder zu beschwerlich gewesen wäre, ein entsprechender Vermerk in das schriftliche Gutachten hätte aufgenommen werden müssen. Diese Einschätzung der Pflichten eines Bausachverständigen bei Erstellung eines Wertgutachtens durch das Berufungsgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, wie in der Revisionserwiderung erstmals vorgebracht wird, indem der Sohn der Grundstückseigentümerin darauf hingewirkt habe, daß eine Besichtigung des Dachspitzbodens unterblieben sei, seien dahingehende Gutachterpflichten stillschweigend abbedungen worden. Eine solche Auslegung ist fernliegend, da eine dieser Beschränkung der Gutachterpflichten entsprechende schriftliche Begutachtung unvollständig und damit für die Zwecke des Auftraggebers weitgehend unbrauchbar gewesen wäre. Im übrigen hat der Beklagte in den Tatsacheninstanzen eine solche Deutung der Vorgänge bei der Besichtigung des Hauses nie in Erwägung gezogen (§ 561 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht läßt offen, welche Wahrnehmungen bei einer Besichtigung des Dachspitzbodens im Zeitpunkt der Durchführung des Ortstermins hätten gemacht werden können. Es ist daher bei der revisionsrechtlichen Beurteilung zu unterstellen, daß bei einer solchen Besichtigung erhebliche Baumängel hätten festgestellt werden können.

Auf der Grundlage dieser Sachverhaltsunterstellung ist davon auszugehen, daß der Beklagte, der sich das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter nach § 278 BGB zurechnen lassen muß, seinen Gutachtenauftrag schlecht ausgeführt und dieser Pflichtverstoß zur inhaltlichen Unrichtigkeit des Gutachtens geführt hat.

Darüber hinaus ist das Berufungsgericht davon überzeugt, daß ein "richtiges" Gutachten die Kläger vom Kauf des Grundstücks abgehalten hätte, das Fehlverhalten des Beklagten mithin für den geltend gemachten Schaden kausal ist.

4. Das Berufungsgericht ist gleichwohl der Auffassung, daß der Beklagte den Klägern nicht nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Es begründet dies damit, daß - wie unter den Parteien unstreitig - der Sohn der auftraggebenden Verkäuferin, der den wahren Zustand des Gebälks gekannt habe, sich gegenüber den Mitarbeitern des Beklagten die Schwierigkeiten bezüglich der Zugänglichkeit des Spitzbodens zunutze gemacht habe, um diese Mängel zu verheimlichen und sodann arglistig von dem objektiv unrichtigen Gutachten Gebrauch zu machen. Aufgrund dieses Verhaltens könne die Auftraggeberin selbst keine Ansprüche gegen den Beklagten wegen schuldhafter Schlechterfüllung des Gutachtenauftrags herleiten. Dies könne der Beklagte entsprechend § 334 BGB auch den Klägern entgegenhalten (vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1988, 335).

Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß ein Auftraggeber, der es bewußt darauf anlegt, daß ein Wertgutachten den Erhaltungszustand des zu begutachtenden Objekts unrichtig wiedergibt, wegen dieses Fehlers keine Schadensersatzansprüche gegen den Auftragnehmer geltend machen kann.

Gutachtenverträge der vorliegenden Art sind als Werkverträge gemäß § 631 BGB einzuordnen mit der Folge, daß der Auftraggeber bei einer schuldhaft unrichtigen Bewertung des Grundstücks einen Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB oder - wenn der eingetretene Schaden als (weiterer) Mangelfolgeschaden einzustufen ist - wegen positiver Vertragsverletzung herleiten kann (vgl. nur BGHZ 67, 1). Zwar stünde einem solchen Schadensersatzanspruch die bloße Kenntnis der Mangelhaftigkeit des Gutachtens nicht entgegen, da § 640 Abs. 2 BGB in diesem Falle nur wegen der in den §§ 633, 634 BGB bestimmten Ansprüche einen Vorbehalt der Rechte des Auftraggebers bei der Abnahme verlangt; auf Schadensersatzansprüche ist diese Bestimmung nicht anwendbar (BGHZ 77, 134). Ein Auftraggeber, der die Mangelhaftigkeit des Gutachtens gezielt herbeiführt, setzt sich jedoch dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus (venire contra factum proprium), wenn er wegen dieses Mangels nachträglich Schadensersatzansprüche erhebt (vgl. RGRK-Glanzmann, BGB, 12. Aufl., § 640 Rn. 26). Diesem Arglistaufwand ist er auch dann ausgesetzt, wenn der Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens auf ein Tätigwerden seines Vertreters zurückzuführen ist (§ 166 Abs. 1 BGB; vgl. hinsichtlich der Zurechnung der Arglist des Vertreters im Falle des § 463 BGB BGHZ 117, 104).

b) Weiterhin befindet sich das Berufungsgericht im Ansatzpunkt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach dem geschützten Dritten, der seine Rechte aus den Vertragsbeziehungen der unmittelbaren Vertragspartner herleitet, grundsätzlich keine weitergehenden Rechte zustehen als dem unmittelbaren Vertragspartner des Schädigers. Daraus hat die Rechtsprechung gefolgert, daß sich der durch den Schutzpflichtigen schuldhaft geschädigte Dritte ein Mitverschulden des Vertragspartners seines Schädigers nach § 254 BGB auch dann entgegenhalten lassen muß, wenn dieser Vertragspartner nicht der gesetzliche Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Dritten im Sinne des § 278 BGB ist (BGHZ 33, 247, 250; BGH, Urteile vom 23. Juni 1965 - VIII ZR 201/63 - NJW 1965, 1757, 1759 und vom 13. Februar 1975 - VI ZR 92/73 - NJW 1975, 867, 868 f). Gleiches gilt für eine vertragliche Freizeichnung (BGHZ 56, 269, 272). Diese Begrenzung des Drittschutzes wird dabei sowohl dem Rechtsgedanken des § 334 BGB als auch dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entnommen.

Beide Begründungen zeigen, daß es sich hierbei nur um einen Grundsatz (so ausdrücklich auch BGHZ 56 aaO.), nicht aber um ein unverrückbares Prinzip handelt. Das versteht sich, soweit der Grundsatz von Treu und Glauben herangezogen wird, von selbst. Aber auch aus dem Rechtsgedanken oder - so das Berufungsgericht - der entsprechenden Anwendung des § 334 BGB ergibt sich nichts anderes.

Die den echten Vertrag zugunsten Dritter betreffende Bestimmung des § 334 BGB, wonach dem Versprechenden die Einwendungen aus dem Vertrage auch gegenüber dem Dritten zustehen, ist dispositives Recht. Diese Vorschrift kann - auch stillschweigend - abbedungen werden, was sich insbesondere aus der Natur des Deckungsverhältnisses ergeben kann (BGHZ 93, 271, 275 f). Wenn es - wie hier - bei der Ermittlung des Inhalts und der Reichweite des Drittschutzes durch Auslegung des Vertrages darum geht, diese Bestimmung entsprechend oder ihrem Rechtsgedanken nach anzuwenden, ist nicht ersichtlich, warum insoweit strengere Maßstäbe gelten sollten. Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

Eine solche, sich aus der "Natur des Vertrages" ergebende Durchbrechung des Grundsatzes, daß die Haftung des Schutzpflichtigen gegenüber dem Dritten nicht weiterreicht als gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner, hätte das Berufungsgericht auch bei der Auslegung des vorliegenden Gutachtenvertrages in Erwägung ziehen müssen.

Dem Beklagten war bekannt, daß das Wertermittlungsgutachten zu Verkaufszwecken in Auftrag gegeben worden war. Er mußte demnach nicht nur damit rechnen, daß dieses Gutachten Kaufinteressenten vorgelegt wird, ihm mußte auch weiter bewußt sein, daß angesichts des besonderen Vertrauens, das Kaufinteressenten regelmäßig in die Zuverlässigkeit und Sachkunde eines anerkannten Sachverständigen haben, seinen gutachterlichen Äußerungen möglicherweise ein größeres Gewicht zukommt als den Angaben des Verkäufers selbst und deshalb sein Gutachten dazu geeignet ist, ein etwaiges Mißtrauen dieser Kaufinteressenten gegenüber der Richtigkeit der Angaben des Verkäufers zu zerstreuen. Darin liegt auch der erkennbare, die Verkaufsabsicht fördernde besondere Wert des Gutachtens für den Auftraggeber. Vor allem entspricht es dem offenkundigen Interesse des möglichen Käufers, daß sein Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens gerade in den Fällen rechtlich geschützt wird, in denen der Verkäufer die wirkliche Beschaffenheit des Kaufgegenstands in unredlicher Weise zu verschleiern sucht. Ist deshalb ein Gutachtenvertrag dahin auszulegen, daß auch mögliche Käufer in den Schutzbereich des Vertrages fallen, so liegt die Annahme nahe, daß das Vertrauen des Dritten in die Richtigkeit der gutachterlichen Aussagen auch dann geschützt werden soll, wenn die Unrichtigkeit durch den Auftraggeber (mit-)veranlaßt worden ist und zwar unabhängig davon, welche Auswirkungen diese Veranlassung auf die Haftung des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber hat (so im Ergebnis auch Musielak, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 1974, S. 41 f und Ziegltrum, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, 1992, S. 217 f, die mit Recht hervorheben, daß die bisherige Rechtsprechung zur Anwendung des Rechtsgedankens des § 334 BGB auf Verträge mit Schutzwirkung für Dritte Fälle betraf, in denen der Vertragspartner des Schutzpflichtigen für das "Wohl und Wehe" des Dritten verantwortlich war, mithin beide im "gleichen Lager" standen; diese Rechtsprechung läßt sich auf die Fälle, in denen trotz gegenläufiger Interessen von Vertragspartner und Drittem gleichwohl ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bejaht wird, nicht unbesehen übertragen; in diesem Sinne auch MünchKomm-Gottwald, BGB, 3. Aufl. , § 328 Rn. 104).

Durch eine solche Vertragsauslegung würde dem Sachverständigen auch kein unzumutbares Haftungsrisiko aufgebürdet, insbesondere keine umfassende Einstandspflicht für die Redlichkeit seines Auftraggebers. Der Sachverständige darf Informationen des Auftraggebers auch dann bei der Erstellung seines Gutachtens berücksichtigen - und wird dies vielfach auch tun müssen -, wenn er deren Wahrheitsgehalt nicht nachprüfen kann. Er muß dann aber diesen Umstand in seinem - Gutachten kenntlich machen (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. November 1983 aaO. NJW 1984, 356). Tut er dies, so gibt er damit regelmäßig zu erkennen, daß er für die Richtigkeit der Angaben seines Auftraggebers nicht einstehen will.

5. Somit erweist sich die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber den in den Schutzbereich des Vertrages einbezogenen Klägern verneint, als rechtsfehlerhaft. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 565 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird den Gutachtenvertrag nach der Maßgabe des zuvor Gesagten erneut auszulegen und gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen haben.

Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß ein Mitverschulden der Kläger am Entstehen des Schadens nicht schon deshalb bejaht werden kann, weil sie ihrerseits bei der Besichtigung des Hauses keine Baumängel festgestellt haben (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1983 aaO. NJW 1984, 356 f).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993301

BGHZ 127, 378

BGHZ, 378

BB 1995, 170

DB 1995, 209

NJW 1995, 392

BGHR BGB § 328 Drittschutz 13

BGHR BGB § 334 Drittschutz 1

BGHR BGB § 640 Abs. 2 Schadensersatzanspruch 1

DRsp I(125)425b-c

WM 1995, 204

ZIP 1994, 1954

JZ 1995, 306

JuS 1995, 457

MDR 1995, 354

VersR 1995, 225

ZfBR 1995, 75

SP 1995, 183

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