A. Einleitung

 

Rz. 1

In den vergangenen Jahren hat die Rechtsform der selbstständigen Stiftung bürgerlichen Rechts stetig an Bedeutung gewonnen. So hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen die Zahl der rechtsfähigen Stiftungen in Deutschland bis Ende 2018 mit knapp 22.743 angegeben.[1] In der rechtsgestaltenden Beratung bietet sich die Stiftung bei der Regelung der Vermögensnachfolge oftmals als charmante Alternative zu Gestaltungsmitteln wie etwa Erbeinsetzungen durch letztwillige Verfügung oder lebzeitigen Übergabeverträgen an. Es verwundert daher nicht, dass man in jüngster Zeit in der einschlägigen Literatur wieder vermehrt Gestaltungsempfehlungen findet, deren Nachfolgekonzepte sich des Instruments der Stiftung bedienen, und zwar sowohl der gemeinnützigen Stiftung als auch der privatnützigen Familienstiftung. Man kann insoweit schon fast von einer "Renaissance" der Stiftung in der Beratungspraxis sprechen.[2]

[1] Statistik abrufbar unter https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Stiftungen/Zahlen-Daten/2019/Stiftungsbestand-2001–2018.pdf.
[2] Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht/Feick, § 38 Rn 1.

B. Formen von Stiftungen

I. Allgemeines

1. Begriffsbestimmung

 

Rz. 2

Im allgemeinen Sprachgebrauch existiert kein einheitlicher Stiftungsbegriff. Auch das BGB hält keine Legaldefinition bereit. In Literatur und Rechtsprechung hat sich mittlerweile ein einheitlicher Begriff herausgebildet, wonach eine rechtsfähige Stiftung verstanden wird als ein selbstständiger, nicht auf einem Personenverband beruhender Rechtsträger, welcher bestimmte, durch ein Stiftungsgeschäft festgelegte Zwecke mit Hilfe eines ihm dazu dauerhaft gewidmeten Vermögens verfolgt.[3]

 

Rz. 3

Die von der Judikatur und dem Schrifttum gewählte Begriffsbestimmung verdeutlicht, dass die Stiftung aufgrund ihrer Mitgliederlosigkeit in einem Gegensatz zu der Körperschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht. Zwar verbindet die Stiftung mit der Körperschaft und der Gesellschaft die Ausrichtung auf einen bestimmten Zweck. Der maßgebliche Unterschied wird aber insbesondere bei der Bestimmung des Substrates der Organisation deutlich.[4] Während eine Personenvereinigung aus einem personalen Substrat besteht und in der Lage ist, sich selbst einen Vereinigungszweck zu setzen und diesen Zweck jederzeit abzuändern, tritt bei der Stiftung an die Stelle des personalen Substrates das Stiftungsvermögen. Der Wille des Stifters trägt den Zweck der Stiftung dem Grunde nach. Der Zweck ist nur nach den Voraussetzungen des gesetzlichen Zweckänderungstatbestandes des § 87 BGB abänderlich.[5] Auch wenn die jeweiligen Destinatäre[6] durch die von der Stiftung betriebene Zweckverfolgung begünstigt werden, indem sie etwa Zuwendungen von der Stiftung erhalten, sind Destinatäre keine Stiftungsmitglieder und nehmen auch keine vergleichbare Stellung ein.[7] Sie sind im Ergebnis lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens.[8]

[3] BayObLG NJW 1973, 249; BVerwG NJW 1998, 2545, 2546; Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, S. 109; Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 1; MüKo/Weitemeyer, § 80 Rn 1; Pues/Scheerbarth, Gemeinnützige Stiftungen, S. 1; Richter/v. Campenhausen/Stumpf, § 1 Rn 6; Ebersbach, Handbuch des Stiftungsrechts, S. 15; Werner/Saenger//Fischer/Mecking, Die Stiftung, § 4 Rn 132, der den Begriff der Stiftung gar als "schillernd" bezeichnet.
[4] MüKo/Weitemeyer, § 80 Rn 1.
[5] Vgl. Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 2, die darauf hinweisen, dass die Stiftung und ihr Zweck dem Grunde nach von natürlichen oder juristischen Personen als Träger gelöst sind und nach der Definition der Rspr. eine "reine Verwaltungsorganisation" bilden, "mit deren Hilfe der vom Stifter gewollte Zweck verwirklicht wird", vgl. BGH NJW 1987, 2364, 2365; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, S. 717.
[6] Dieser Begriff stammt von dem lateinischen Verb destinare = "ausersehen" ab, sodass nach der juristischen Diktion ein Bezugsberechtigter oder Genussberechtigter so bezeichnet wird, vgl. Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon Band I, S. 1051.
[7] Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, S. 110; Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 2.
[8] BGH NJW 1987, 2364, 2365; Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, S. 110; Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 2.

2. Wesensmerkmale

 

Rz. 4

Ausgehend von der oben genannten Definition des Stiftungsbegriffes, wonach die Stiftung eine rechtsfähige, nicht verbandsmäßig organisierte juristische Person ist, die bestimmte per Stiftungsgeschäft festgelegte Zwecke mit Hilfe eines Vermögens verfolgt, das diesen Zwecken dauerhaft gewidmet ist,[9] beinhaltet diese Definition, dass die wesentlichen Merkmale einer Stiftung der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation sind.[10] Diese für die Stiftung wesentlichen Merkmale sollen zunächst kurz inhaltlich dargestellt werden.

[9] BayObLG NJW 1973, 249; BVerwG NJW 1998, 2545, 2546; Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 1.
[10] Vgl. Ebersbach, Handbuch des Stiftungsrechts, S. 16; Richter/v. Campenhausen/Stumpf, § 1 Rn 6; Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor § 80 Rn 4; Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in E...

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