Rz. 21

& Vorbemerkung

Die gesetzliche Regelung zur Feststellung einer Schwerbehinderung findet sich in § 69 SGB IX, wobei das Ziel nicht in der Durchsetzung einer Geldleistung, sondern in der Gewährung eines Nachteilsausgleichs (z.B. erweiterter Kündigungsschutz, zusätzlicher Sonderurlaub, steuerliche Entlastungsbeträge, Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, Parkberechtigung etc.) liegt. Der ablehnende Bescheid zum Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung enthält häufig eine – aus Mandantensicht – unrichtige Feststellung des Gesamt-GdB und/ oder die Ablehnung des beantragten Merkzeichens. Beide Ablehnungen bedürfen einer gesonderten Begründung. Als Bewertungshilfe der gesundheitlichen Einschränkungen wird die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung herangezogen.

 

Rz. 22

& Zu 1.

a) Fristberechnung

Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat (nicht vier Wochen!). Die Frist knüpft an die Bekanntgabe des Rentenbescheides an.

Der Bescheid gilt gemäß § § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Drei-Tages-Fiktion). Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich früher zugegangen ist.

 

Beispiel zur Fristberechnung

Die Behörde gibt den Bescheid per Einschreiben am Donnerstag, 15.1., zu Post, tatsächlich zugestellt wird der Bescheid am Samstag, 17.2. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt als Bekanntgabe Sonntag, der 18.1. (Drei-Tages-Fiktion), sodass die Frist am 18.2. um 24.00 Uhr endet.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, so gilt gemäß § 66 Abs. 2 SGG die Jahresfrist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist gemäß § § 36 SGB X nur ordnungsgemäß, wenn sie folgende Mindestangaben enthält:

Bezeichnung des Rechtsbehelfs
Benennung der zuständigen Widerspruchsbehörde
Sitz der den Bescheid erlassenden Behörde
Frist
Form
 

Rz. 23

b) Folgen der Fristversäumnis

Wird der Widerspruch nicht fristgemäß eingereicht, so ist er unzulässig. Ggf. kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.[3]

 

Rz. 24

& Zu 2.

Kernbereich des Widerspruchsverfahrens ist die Begründung. Sie ist zwar nicht vorgeschrieben, indes sinnvoll, wenn der Widerspruch zum Erfolg führen soll. Im Regelfall ist es notwendig, vor der Begründung des Widerspruchs Akteneinsicht bei der Behörde zu beantragen. Nur so kann sicher festgestellt werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt wurden und welchem Einzel-GdB jeweils zugeordnet wird. In Folge ergibt sich, ob der festgestellte Gesamt-GdB vertretbar ist.

Folgende zu überprüfende Einzelpunkte enthält die Feststellung:

Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind berücksichtigt?

Sämtliche vom Mandanten geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollten in dem Bescheid bezeichnet sein. Sinnvoll ist insoweit, wenn der Mandant neben der persönlichen Schilderung aktuelle Arzt- und/oder Krankenhausberichte vorlegt.

Mit welchem Einzelgrad der Behinderung werden sie berücksichtigt?

Zu jeder einzelnen Beeinträchtigung muss ein Einzel-GdB erkennbar sein. Die Einzel-GdB sollten anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-VO) auffindbar und nachvollziehbar sein.

Welcher Gesamtgrad der Behinderung ist festgestellt?

Die Bildung des Gesamt-GdB erfolgt gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Einzelbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Keinesfalls erfolgt eine Addition der Einzel-GdB. Jede einzelne Beeinträchtigung ist auf ihre Auswirkung auf die jeweils anderen Beeinträchtigungen zu prüfen. Je nachteiliger die Auswirkungen sind, desto höher wird der Gesamt-GdB festzustellen sein.

Welche Merkzeichen wurden beantragt und bewilligt?

Die Merkzeichen dienen dem Ausgleich der durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen eintretenden Nachteile. Jedes Merkzeichen hat ein oder mehrere Ausgleichsfunktionen (Steuerermäßigung, Mobilität, Versicherungsvorteile, Rundfunkgebührenbefreiung usw.) Die Merkzeichen im Schwerbehindertenrecht sind in der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) geregelt. Dort finden sich zu den Merkzeichen G, B, aG, H, Bl, Gl, RF und 1.Kl die einzelnen Voraussetzungen bzw. Verweise zu den die Voraussetzung regelnden Vorschriften.

Ab wann wird eine Schwerbehinderung festgestellt?

Grundsätzlich gilt, dass die Schwerbehinderung ab dem Datum der Antragsstellung festgestellt wird.

Die Begründung sollte mit ärztlichen Berichten belegt sein. Ggf. kann auch die Untersuchung durch die Behörde angeregt werden.

 

Rz. 25

& Zu 3.

Das Widerspruchsverfahren durchzuführen, löst keine Verwaltungsgebühr aus. Der Rechtsanwalt erhält nach dem RVG eine Geschäftsgebühr in Form einer Betragsrahmengebühr nach § 3 RVG i.V.m. 2302 VV-RVG.

 

Rz. 26

& Zu 4.

Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, so erlässt die Behörde einen Widerspruchsbescheid. Dieser ist vor dem Sozialgericht überprüfbar. Die Frist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides.[4]

[3] Siehe Muster Wieder...

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