Rz. 16

In der betrieblichen Praxis wird häufig unter Verkennung des Betriebsübergangs von einer Betriebsstilllegung einerseits und einer Betriebsneugründung andererseits ausgegangen. Die unternehmerische Entscheidung, dass der bisherige Betriebsinhaber seinen Betrieb aufgibt, ist nämlich immer dann irrelevant, wenn der Betrieb als solcher fortgeführt wird, wenn auch mit einem neuen Inhaber. In diesen Fällen liegt keine Betriebsaufgabe, Betriebsschließung oder Betriebsstilllegung vor. Eine Betriebsstilllegung und ein Betriebsübergang schließen sich vielmehr gegenseitig aus.[36]

 

Rz. 17

 

Beispiel

Ein Tankstellenbesitzer gibt aus Altersgründen seine Tankstelle auf und veräußert die Tankstelle mit Grundstück an einen Käufer zum 1.1.2017. Seinen Arbeitnehmern gegenüber kündigt er zum 31.12.2016 wegen "Betriebsschließung".

Hier handelt es sich im Rechtssinn um einen Betriebsübergang, nicht um eine Betriebsschließung. Die Folge: Die Kündigungen sind nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, der neue Tankstellenbesitzer tritt ab 1.1.2017 in die bisherigen Arbeitsverhältnisse kraft Gesetz ein.

 

Rz. 18

Umgekehrt kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch bei späterer Fortführung des Betriebs dennoch eine Betriebsstilllegung vorliegen. Von einer Betriebsstilllegung im Rechtssinne ist immer dann zu sprechen, wenn der Unternehmer den ernstlichen und endgültigen Entschluss gefasst und auch durchgeführt hat, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft auf unbestimmte Dauer aufzugeben.[37] Für diese Stilllegungsabsicht kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an; eine spätere Veräußerung aufgrund neuer Umstände kann nicht als Gesetzesumgehung behandelt werden (zu den Auswirkungen auf den Kündigungsschutz und einem etwaigen Wiedereinstellungsanspruch siehe Rdn 62). Befindet sich der Arbeitgeber demgegenüber noch in ernsthaften Verkaufsverhandlungen und/oder Verkaufsüberlegungen, so kann von einer endgültigen Stilllegungsabsicht nicht gesprochen werden. Kommt es im zeitlichen Zusammenhang mit derartigen Überlegungen zu einer Betriebsveräußerung und Betriebsfortführung, so ist ein Betriebsübergang gegeben.

 

Praxishinweis

Bei einer geplanten Betriebsveräußerung erscheint es wenig sinnvoll, der Belegschaft eine Stilllegungsabsicht vorzuspielen und die Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Dies kann und wird zu bösen Überraschungen führen. Zu empfehlen ist in derartigen Fällen das Gespräch zwischen Altarbeitgeber/Neuarbeitgeber und Belegschaft unter Beachtung der Vorschrift des § 613a BGB.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge