Rz. 226

Die Zahl der Anwaltshaftungsprozesse nimmt kontinuierlich zu, und der Leser findet sich häufiger in der Rolle dessen, der in Anspruch genommen wird, als in der Rolle dessen, der im Auftrag eines Mandanten gegen einen Kollegen vorgehen soll. Demgemäß findet sich hier eine Anleitung für eine Klage gegen sich selbst, mag sie auch noch so unbegründet sein.

 

Rz. 227

 

Zum folgenden Fall (nachfolgend Rdn 228)

Der Kläger war Versicherungsagent. Das Verhältnis zu seinem Prinzipal war nicht gut. Es zog den Kläger zu einem anderen Versicherer. Sein Ziel war es, den anstehenden Wechsel in finanzieller Hinsicht attraktiv zu gestalten. Dazu, wie dies geschehen könne, hatte er vergleichsweise konkrete Vorstellungen, die er seinen Anwälten nicht vorenthielt. Nicht immer griffen die Anwälte seine Anregungen auf. Dann schritt der Prinzipal des Klägers zur Kündigung. Auch das Verhältnis des Klägers zu seinen Anwälten verschlechterte sich nun rasch und mündete in einem Prozess. Der Kläger warf seinen Anwälten vor, nicht mit einer Kündigungsschutzklage gegen das Kündigungsschreiben des Prinzipals vorgegangen zu sein. Die Anwälte verteidigten sich unter Hinweis darauf, dass hier überhaupt kein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, eine Kündigungsschutzklage also keinen Erfolg hätte haben können.

Den Kläger überzeugte das nicht; er erhob Klage. Das Landgericht wies die Klage gegen die früheren Anwälte des Klägers aber ab, und das Oberlandesgericht bestätigte das landgerichtliche Urteil. Der Bundesgerichtshof hat über die Annahme der Revision des Klägers noch nicht entschieden.

 

Rz. 228

Muster 10.1: Klageerwiderung Anwaltshaftung

 

Muster 10.1: Klageerwiderung Anwaltshaftung

Landgericht R

_________________________

In Sachen

J

gegen

R

dürfen wir auf unseren Schriftsatz vom 21.3.2011 Bezug nehmen und zur Begründung des Antrags, die Klage abzuweisen, Folgendes ausführen:

1. Die Klage

Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage Schadenersatzansprüche gegen seine früheren Anwälte geltend. Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs beruft er sich auf eine angebliche "Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages", der ihn einmal mit den Beklagten verband.

Der Kläger trägt vor, er habe die Beklagten beauftragt, gegen die am 19.11.2008 ausgesprochene Kündigung seines damaligen Arbeitsgebers, des D, vorzugehen. Die Beklagten hätten dann auch mit Schriftsatz vom 17.2.2009 gegen D Klage erhoben, allerdings mit dem Antrag, festzustellen, dass der Kläger seit dem 3.4.2006 als Arbeitnehmer beschäftigt sei. Mit Schriftsatz vom 17.4.2009 hätten die Beklagten diese Klage dann um den Antrag erweitert, den D zur Zahlung von 39.689 EUR zu verurteilen. Die Beklagten hätten es aber unterlassen, innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG Feststellungsklage zu erheben, mit dem Ziel, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Kündigung vom 19.11.2008 unwirksam sei. Die Beklagten hätten diese Frist versäumt und seien folglich verpflichtet, dem Kläger den eigentlich von D geschuldeten "Lohn" für die Zeit von März 2009 bis Dezember 2010 zu erstatten. Ohne jede Einschränkung verlangt der Kläger darüber hinaus den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, den er pauschal mit 20 Prozent ansetzt. Auf diese Weise gelangt er zu einem Anspruch in Höhe von weiteren 44.175 EUR.

Mit dieser Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben.

2. Keine Pflichtverletzung der Beklagten

Der mit der Klage geltend gemachte Schadenersatzanspruch würde eine Pflichtverletzung der Beklagten voraussetzen. Für eine solche Pflichtverletzung ist hier aber nichts ersichtlich.

Der Kläger hatte bei Erteilung des Mandats an die Beklagten eine recht konkrete Vorstellung von dem, was er von den Beklagten erwartete. Er übergab den Beklagten nicht nur ein Blatt, das er mit "Stichpunkt für Herrn R zur Kündigung" überschrieben hatte, sondern er lieferte auch gleich den Text für das erste anwaltliche Schreiben der Beklagten an D.

 
Beweis: 1. "Stichpunkte", Anlage B 1
  2. Entwurf für ein Schreiben an D, Anlage B 2

Das Ziel der anwaltlichen Bemühungen war dort mit

"die Kündigung annehmen unter Vorbehalten einer entsprechenden Entschädigung"

und für den Fall, dass der frühere Prinzipal des Klägers hierzu nicht bereit sein würde, mit "sofortiger Androhung der Klage wegen Scheinselbstständigkeit"

Beweis: Stichpunkte“ (Anlage B 1)

umschrieben. Auch in dem Entwurf für ein Schreiben an den Vorstandsvorsitzenden des D stellte der Kläger klar, dass ihm am Fortbestand des angeblichen Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht gelegen war. Dort heißt es:

"Nunmehr besteht noch einziges Interesse an einer sauberen Vertragsauflösung".

Beweis: "Entwurf" (Anlage B 2)

"Vertrag" ist nicht gleichbedeutend mit "Arbeitsvertrag". Der Kläger ging aber noch weiter. Er ließ seinem Prinzipal mit Schreiben seiner Anwälte vom 18.11.2008 folgende ultimativ formulierte Forderung zukommen:

"Wir müssen Sie daher auffordern, sich zur vorgeschlagenen Vertragsauflösung noch bis spätestens 24.11.2008 (Eingang hier) eindeutig zu äußern."

Beweis: Schreiben vom 18.11....

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