Rz. 70

Von Majorisierung spricht man, wenn ein Eigentümer seine Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung zum eigenen Nutzen einsetzt. Im Falle der Verwalterwahl geht es darum, dass der Mehrheitseigentümer sich selbst oder eine Person seines Vertrauens zum Verwalter bestellt. Obwohl in dieser Situation immer eine Interessenkollision vorliegt, führt dieser Umstand allein nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Auch ein Wohnungseigentümer kann nämlich zum Verwalter bestellt werden; daran darf sich nicht nur deshalb etwas ändern, weil er zugleich der Mehrheitseigentümer ist. Kann aber der Mehrheitseigentümer bewirken, dass er selbst zum Verwalter gewählt wird, dann ist er genauso berechtigt, mit der Mehrheit seiner Stimmen zur Bestellung eines Verwalters beizutragen, mit dem er persönlich oder wirtschaftlich verbunden ist oder zu dem er besonderes Vertrauen hat. Ebenso dürfen Miteigentümer für den Mehrheitseigentümer oder für den von ihm gewünschten Verwalter stimmen, auch wenn sie mit dem Mehrheitseigentümer oder dessen "Kandidaten" wirtschaftlich oder persönlich eng verflochten sind.

 

Rz. 71

Nach der Rspr. ist die Majorisierung erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn bestimmte weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Stimmabgabe für den bestellten Verwalter gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung und gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft verstößt. Ob solche Umstände vorliegen, ist bei einer Majorisierung durch den Mehrheitseigentümer besonders kritisch zu prüfen;[75] das gilt erst recht in der Konstellation der Zweiergemeinschaft, bei der ein Miteigentümer die Stimmenmehrheit hat.[76] So wurde beispielsweise ein Beschluss für ungültig erklärt, mit dem der Mehrheitseigentümer gegen die Stimme des einzigen Miteigentümers seine Tochter, die keine einschlägige Berufserfahrung besaß, für fünf Jahre zur Verwalterin bestellte;[77] oder mit dem der Mehrheitseigentümer, "der entschlossen ist, die Geschicke der Wohnungseigentümergemeinschaft allein nach seinem Gutdünken zu bestimmten", seine Ehefrau zur Verwalterin wählte;[78] oder wenn dem Mehrheitseigentümer die Neutralität fehlte, weil er an zahlreichen, auch gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten mit einem Miteigentümer ausländischer Herkunft beteiligt war.[79] Ist die Stimmabgabe so offensichtlich rechtsmissbräuchlich, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden kann, ist sie bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht zu berücksichtigen.[80] Das ist aber reine Theorie, denn der Mehrheitseigentümer wird schon dafür sorgen, dass der Bestellungsbeschluss unter Berücksichtigung seiner Stimmen festgestellt wird. Zudem ist die Rechtskonstruktion des Stimmrechtsmissbrauchs prinzipiell verfehlt (auch → § 7 Rdn 119). Der Rechtsschutz der überstimmten Minderheit erfolgt im Wege der Anfechtungsklage.[81]

[76] LG Karlsruhe v. 4.11.2014 – 5 S 107/13, ZWE 2015, 187.
[77] AG Hannover v. 6.5.2014 – 483 C 12045/13, ZMR 2014, 829.
[78] LG Karlsruhe v. 4.11.2014 – 5 S 107/13, ZWE 2015, 187.
[81] So tendenziell auch BGH v. 14.7.2017 – V ZR 290/16, ZMR 2017, 906 Rn 19. Ausf. BeckOGK WEG/Greiner, § 26 Rn 111.

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