1. Loyalitätspflicht

a) Rufschädigung

 

Rz. 35

Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitnehmers, wie er seine Freizeit gestaltet. Grenzen finden seine außerdienstlichen Aktivitäten jedoch dort, wo berechtigte Interessen des Arbeitgebers berührt werden. Denn der Arbeitnehmer hat aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht angemessen Rücksicht zu nehmen und die Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm billigerweise nach Treu und Glauben verlangt werden kann, § 241 Abs. 2 BGB. Ob die außerdienstliche Nutzung von sozialen Netzwerken die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers verletzt, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Stets setzen Einschränkungen auf der Grundlage einer Rücksichtnahmepflicht aber voraus, dass ein Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben ist.

 

Beispiel

Ein Angestellter im Polizeidienst, der mit der Bewachung einer jüdischen Schule beauftragt ist, postet auf Facebook ein Foto eines (unechten) Totenkopfes, dem eine Polizeimütze aufgesetzt ist. Auf dem Foto ist im Hintergrund lediglich der Straßenbereich des Schutzobjekts zu erkennen.[47]

 

Rz. 36

Der Arbeitgeber kann in diesem Beispiel keine arbeitsrechtlichen Sanktionen an das Verhalten seines Mitarbeiters knüpfen. Auch wenn den Angestellten im Polizeidienst gesteigerte Loyalitätspflichten treffen und durch die Polizeimütze ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird, besteht nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg kein Bezug zum Nationalsozialismus. Eine politische Aussage sei durch das Foto nicht erkennbar. Dass das Foto vor der jüdischen Schule entstanden ist, sei nur für Eingeweihte ersichtlich.[48]

[47] Beispiel nachgebildet: ArbG Hamburg 18.9.2013 – 27 Ca 207/13, juris.
[48] ArbG Hamburg 18.9.2013 – 27 Ca 207/13.

b) Unternehmensschädliche Äußerungen

 

Rz. 37

Der Arbeitnehmer hat alle Äußerungen zu unterlassen, die einem berechtigten Interesse des Unternehmens zuwiderlaufen, sofern die Meinungsäußerungsfreiheit hierdurch nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Die Grundrechtsbetroffenheit des Arbeitnehmers ist in jedem einzelnen Fall gegen die Unternehmerinteressen abzuwägen.[49] Dabei gewährt Art. 5 GG einen weitgehenden Schutz.

 

Beispiel

Der zwischenzeitlich ausgeschiedene Abteilungsleiter A veröffentlicht im Internet unter der Seite www.megadownloads.net sogenannte Blogs. Hierbei handelte es sich um eigens von dem A erstellte Kommentare. Im Rahmen der Blogs verwendet der A Begriffe wie "Abzock-Methoden", "Nutzlos-Branche", "Deutsche Zentrale der Abzock-Mafia" in Bezug auf seinen früheren Arbeitgeber und ­formuliert: "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff." Der ehemalige Arbeitgeber verlangt die ­Löschung der Negativäußerungen und Unterlassung.

 

Rz. 38

Die Äußerungen des A sind insgesamt als Werturteile anzusehen, die von dem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind. A ist der Meinung, die Branche seines früheren Arbeitgebers sei nutzlos und die ihm vermeintlich bekannten Strukturen glichen denen der Abzock-Mafia. Auch wenn seine Formulierungen sicher polemisch und verletzend sind, sind sie dem Schutz des Art. 5 GG nicht entzogen. Da mit den "Ratten" die Mitarbeiter angesprochen sind, kann der Arbeitgeber sich auch gegen diese Äußerung nicht mit Erfolg wehren.[50]

Das LAG Baden-Württemberg sah auch einen Blogbeitrag, in dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber "eine verschärfte Ausbeutung, Angriffe auf politische und gewerkschaftliche Rechte sowie menschenverachtende Jagd auf Kranke" vorwarf, als von der Meinungsfreiheit umfasst an.[51]

Der VGH München hatte sich mit der behördlichen Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung in der Schwangerschaft zu befassen. Die Mitarbeiterin war für ihren Arbeitgeber bei einem Kunden, der o2 telefonica, als Sicherheitsmitarbeiterin im Empfangsbereich eingesetzt. Auf ihrem privaten Facebook-Account postete sie über o2 telefonica: "Boah kotzen die mich an von o2, da sperren sie einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat … und dann behaupten die, es wären keine Zahlungen da. Solche Penner … Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter…" Der VGH München sah hierin keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB für eine behördliche Zustimmung zur Kündigung. Die Äußerungen betrafen offensichtlich nur das private Vertragsverhältnis zwischen der Arbeitnehmerin und dem Kunden und seien im Übrigen noch von der Meinungsfreiheit umfasst.[52]

Eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht liegt aber in jedem Fall vor, wenn der Arbeitnehmer über den Firmenrechner Internetseiten mit pornografischem oder rechtsradikalem Inhalt besucht und hierdurch die Gefahr einer Rufschädigung für das Unternehmen entsteht.[53] Zudem darf der Arbeitnehmer keine unwahren Tatsachen verbreiten oder solche, die ehrverletzenden Charakter haben bzw. Schmähkritik darstellen.[54]

 

Rz. 39

Auch das Drücken von "Gefällt-mir"-Buttons ist eine Meinungsäußerung, mit der man im Regelfall seine Zustimmung zu der Äußerung, die man "liked", kommuniziert. Beim Prüfungsmaßstab ist umstritten, ob hier ein großzügiger Maßstab anzusetzen ist, da das Drücken des Buttons meist eine spontane Reaktion ohn...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge