Rz. 138

BGH, Urt. v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09, zfs 2011, 144 = VersR 2011, 282

Zitat

BGB § 249

Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt.

a) Der Fall

 

Rz. 139

Die Klägerin begehrte restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 9.5.2007, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig haftete.

 

Rz. 140

Die Klägerin beauftragte am 10.5.2007 einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang. In dem Gutachten ermittelte dieser voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.746,73 EUR brutto, einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.200 EUR und einen Restwert in Höhe von 800 EUR.

 

Rz. 141

Die Klägerin ließ das Fahrzeug den Vorgaben des Sachverständigen entsprechend – allerdings unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gegen Zahlung von 2.139,70 EUR brutto reparieren und nutzte es bis Anfang Juni 2008 weiter. Die Beklagte hatte der Klägerin die Nebenkosten, die Reparaturkosten und eine Nutzungsausfallentschädigung erstattet. Mit ihrer Klage hat die Klägerin weitere 720,30 EUR Reparaturkosten verlangt. Sie war der Ansicht, die Beklagte habe nicht nur die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, sondern fiktive Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts zu zahlen.

 

Rz. 142

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 758,30 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 143

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg, soweit das Berufungsgericht der Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 720,30 EUR zugesprochen hatte.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne über die bereits ersetzten Reparaturkosten in Höhe von 2.139,70 EUR hinaus von der Beklagten die Erstattung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 720,30 EUR verlangen, stand nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Insoweit begehrte die Klägerin den Ersatz fiktiver Reparaturkosten in Höhe von bis zu 130 % des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswerts, obwohl für die tatsächlich durchgeführte Reparatur nur Kosten in Höhe von 2.139,70 EUR angefallen waren. Nach der Rechtsprechung des Senats können jedoch Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, bis zur sogenannten 130 %-Grenze nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin war damit nicht die generelle Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung bis zur 130 %-Grenze eröffnet. Die Klägerin konnte mithin über die bereits gezahlten konkret angefallenen Reparaturkosten hinaus nicht den Ersatz weiterer Reparaturkosten verlangen.

 

Rz. 144

Die Revision war auch nicht deswegen begründet, weil die Beklagte gegen den Anspruch auf Zahlung weiterer Nutzungsausfallentschädigung die Aufrechnung mit überzahlten Reparaturkosten erklärt hatte. Die Klägerin hatte im Streitfall nämlich nicht nur einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 1.400 EUR; ihr stand vielmehr der Ersatz der von der Beklagten gezahlten Reparaturkosten in Höhe von 2.139,70 EUR zu.

 

Rz. 145

Zwar ist die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur – wie hier – mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurt. v. 15.10.1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 ff.; v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn 6). In seinem Urteil v. 10.7.2007 a.a.O. Rn 7 hat der Senat offen gelassen, ob der Geschädigte gleichwohl Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, wenn es ihm tatsächlich gelingt, entgegen der Einschätzung des Sachverständigen die von diesem für erforderlich gehaltene Reparatur innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.

 

Rz. 146

Im Streitfall überstiegen die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten in Höhe ...

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