Rz. 20

Die EUEheVO 2003 regelt:

grundsätzlich abschließend die Frage der internationalen Zuständigkeit (beachte: allein die Art. 6 f. EUEheVO 2003 lassen für Ehesachen und Art. 14 EUEheVO 2003 für Verfahren über die elterliche Verantwortung unter bestimmten Voraussetzungen eine ergänzende Anwendung staatsvertraglichen oder nicht vereinheitlichten nationalen Zuständigkeitsrechts zu);
das Problem mehrerer konkurrierender Verfahren sowie (das Prozesshindernis einer) ausländischen Rechtshängigkeit (vgl. Art. 16, 19 EUEheVO 2003 – Prioritätsprinzip);[30] sowie
die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen anderer Mitgliedstaaten in Ehesachen bzw. in Fragen der elterlichen Verantwortung im Inland (Art. 21 ff. EUEheVO 2003). Dabei spielt es keine Rolle, auf welche Zuständigkeitsvorschriften sich das ausländische Gericht gestützt hat;[31] es ist irrelevant, ob das Gericht ggf. sogar international unzuständig war bzw. die internationale Zuständigkeit sich über die Art. 6 f. bzw. Art. 14 EUEheVO 2003 aus staatsvertraglichen oder autonomen nationalen Zuständigkeitsvorschriften ergibt.
 

Rz. 21

Hinweis: Die Art. 21 ff. EUEheVO 2003 finden jedoch keine Anwendung auf Entscheidungen von Nichtmitgliedern (bzw. von Dänemark, das als Nichtmitgliedstaat zu behandeln ist; siehe Rdn 10). Im Hinblick auf Ehesachen werden aber nur sog. positive Entscheidungen (d.h. dem Antrag auf Scheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung der Ehe stattgebende, nicht jedoch den Antrag abweisende Entscheidungen) anerkannt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 zur Brüssel II-Verordnung).[32]

 

Rz. 22

Die Vorschriften der EUEheVO 2003 über die internationale Zuständigkeit setzen

keinen persönlich-räumlichen Anwendungsbereich voraus (d.h. der zu entscheidende Streitgegenstand braucht keinen Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten zu haben);[33]
nicht voraus, dass an einem Rechtsstreit solche Personen beteiligt sein müssen, die Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates sind.[34]
 

Rz. 23

Hinweis: Nach h.M. setzt eine Anwendbarkeit der EUEheVO 2003 noch nicht einmal voraus, dass überhaupt ein Auslandsbezug besteht.[35]

 

Rz. 24

Beachte weiterhin: Die EUEheVO 2003 trifft hingegen keine Regelungen hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der

Scheidung bzw. der
Fragen elterlicher Verantwortung,

womit es hier bei der Anwendung staatsvertraglichen oder nicht vereinheitlichten nationalen Kollisionsrechts verbleibt. Der Begriff "elterliche Verantwortung" i.S.d. EUEheVO 2003 ist dahin auszulegen, dass er insbesondere die Entscheidungen betreffend das Sorgerecht und den Aufenthaltsort des Kindes umfasst, nicht aber den Beitrag der Eltern zu den Kosten der Bildung und Erziehung des Kindes, da dieser unter den Begriff "Unterhaltspflicht" und somit in den Anwendungsbereich der EU-UnterhaltsVO (dazu Rdn 199) fällt.[36] "Die EUEheVO 2003 enthält keine Kollisionsnormen. Seit dem 21.6.2012 ist allerdings für die Scheidung die sog. Rom III-VO (dazu Rdn 156 ff.) anzuwenden"[37]

[30] NK-BGB/Gruber, EheVO 2003, Vorbem. Rn 11.
[31] Hase, FamRZ 2000, 1333, 1340; Wagner, IPRax 2001, 73, 77.
[32] NK-BGB/Andrae, EheVO 2003, Art. 21 Rn 6; NK-BGB/Gruber, EheVO 2003, Vorbem. Rn 12.
[33] Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, Vorbem. Rn 12.
[34] Gruber, FamRZ 2000, 1129, 1131; Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbem. Rn 13.
[35] Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbem. Rn 13.
[36] EuGH FamRZ 2019, 1989 – Ls. 4.
[37] NK-BGB/Gruber, EheVO 2003, Vorbem. Rn 13.

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