Rz. 63

Der Vertrag über den Kauf eines Neuwagens kommt mit Annahme der Bestellung des Käufers durch den Verkäufer zustande. Sind die NWVB Grundlage des Vertrages geworden, kann nach Abschn. I. Nr. 1 S. 3 NWVB der Verkäufer den Vertrag innerhalb der Bindungsfrist des Käufers nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zur Wirksamkeit der Fristen durch schriftliche Bestätigung oder Ausführen der Lieferung annehmen.

I. Schriftliche Bestätigung

 

Rz. 64

Die Wahrung der Schriftform ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen des Kaufvertrages, sondern hat lediglich Beweisfunktion. Die Annahme kann auch formlos mündlich, stillschweigend oder konkludent erklärt werden.

 

Rz. 65

Der Vertrag kommt gem. § 130 BGB in dem Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung beim Käufer zustande. Zugegangen ist die Willenserklärung des Verkäufers, wenn sie so in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.[91]

 

Rz. 66

Der Möglichkeit eines formularmäßigen Verzichts auf den Zugang der Annahmeerklärung i.S.d. § 151 BGB begegnet die Rechtsprechung aus guten Gründen mit Skepsis.

 

Rz. 67

Der Verbraucher würde gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn der als Ausnahme konzipierte Tatbestand des § 151 BGB zur Regel erhoben werde. Innerhalb der Bindungsfrist des Käufers an seinen Antrag wisse er nicht, wie weit der Entscheidungsprozess auf Verkäuferseite gediehen sei, was ihn in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit quasi neutralisiere. Der Verkäufer könne hingegen seine wirtschaftliche Bestätigung ungehindert fortsetzen.[92] Zudem gebe es keine dem Wortlaut des § 151 BGB entsprechende Verkehrssitte im Autokauf, die einen Zugang der Annahme entbehrlich mache.[93] Die Tatsache, dass beim Verbraucherdarlehensvertrag auf den Zugang der Annahmeerklärung des Darlehensgebers im Massengeschäft aus Gründen der Praktikabilität formularmäßig verzichtet werden kann, sei keine Vorgabe für den Neuwagenkauf, da er kein Massengeschäft sei und der Fall der Darlehensgewährung durch den Verkäufer nur selten vorkomme. Aufgrund der Angebotsbindung habe der Käufer ein berechtigtes Interesse an dem tatsächlichen Zugang der Annahmeerklärung des Verkäufers, um nicht im Ungewissen darüber zu bleiben, ob und wann der Verkäufer sein Angebot angenommen hat.

 

Rz. 68

Dem ist zuzustimmen. Regelmäßig stellt der Neuwagenerwerb für den Verbraucher eine bedeutsame Anschaffung von erheblichem finanziellen Gewicht dar, die eine klare Regelung unentbehrlich macht. Dem Käufer ist im Hinblick auf die zeitliche Bindung seiner finanziellen Ressourcen nur eine Angebotsannahme durch tatsächliche Erklärung zuzumuten, die ihm zugeht und keinen Raum für Ungewissheit lässt, der mit einem Verzicht auf den Zugang der Erklärung verbunden wäre.

 

Rz. 69

Dies kommt auch durch die Verpflichtung des Verkäufers in Abschn. I. Nr. 1 S. 4 NWVB, den Besteller unverzüglich zu unterrichten, wenn er die Bestellung nicht annimmt, zum Ausdruck. Auch wenn diese Regelung dem Käufer in erster Linie – wenn auch schwer nachweisbare – Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer im Falle zeitlicher Verzögerung sichern soll, ist ihr Hintergrund die Erkenntnis, dass die Phase der Ungewissheit für den Käufer durch eine zügige Weiterleitung der Verkäuferentscheidung, die einen Zugang erfordert, zeitlich limitiert sein muss. Ein formularmäßiger Verzicht auf den Zugang steht neben dem Verstoß gegen §§ 307 Abs. 1 Nr. 1, 308 Nr. 6 BGB[94] auch im Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Klausel.

 

Rz. 70

Den fristgerechten Zugang der Annahmeerklärung beim Käufer hat der Verkäufer zu beweisen.

 

Rz. 71

Allein die Absendung der Erklärung schafft keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Käufer.[95] Der Zugang wird durch den Einwurf in den Briefkasten bewirkt, sobald mit Entnahme zu rechnen ist, wobei ein bis 18 Uhr eingeworfener Brief noch am selben Tag zugeht.[96] Dasselbe gilt für Einwurfeinschreiben. Ein Einschreibebrief mit Rückschein ist nicht zugegangen, wenn der Postbote dem abwesenden Empfänger einen Benachrichtigungszettel hinterlässt; ansonsten genügt der Rückschein als Nachweis der Zustellung.[97] Der Zugang wird nicht angenommen, wenn es der Käufer trotz Benachrichtigung versäumt, das Einschreiben abzuholen. Er wird jedoch fingiert, wenn der Käufer die Annahme grundlos verweigert oder arglistig vereitelt.[98]

 

Rz. 72

 

Praxistipp

Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten hat sich die im Gegensatz zum Einschreiben-Rückschein deutlich günstigere Form des Einwurf-Einschreibens bewährt.

 

Rz. 73

Gibt der Verkäufer durch sein Verhalten zu verstehen, dass er von einem Vertragsschluss ausgeht, kann er sich nicht auf einen fehlenden Zugang der Annahmeerklärung berufen (venire contra factum proprium, § 242 BGB). Die Ansicht des AG Köln, auch dem Käufer sei es nicht möglich, sich auf die fehlende Auftragsbestätigung zu berufen, wenn eine formlose Einigung der Parteien vor Ort stattgefunden hat, da die schriftliche Mitteilung in diesen Fällen rein...

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