Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungsfrist bei Neuwagenkauf

 

Leitsatz (amtlich)

Die in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen enthaltene vierwöchige Bindungsfrist des Käufers ist nicht unangemessen lang im Sinne von § 10 Nr. 1 AGBG.

 

Normenkette

BGB § 147 Abs. 2; AGBG § 10 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 1. März 1989 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte bestellte beim Kläger, der einen Handel mit Wohnwagen und Wohnmobilen betreibt, am 21. August 1986 ein H…-Wohnmobil zum Preise von 77.685,15 DM. Auf dem vom Beklagten unterzeichneten Bestellschein heißt es:

„An diese Bestellung, deren Durchschrift ich/wir erhalten habe(n), bin ich/sind wir 4 Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist.”

Die der Bestellung zugrundegelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern – Neuwagen-Verkaufsbedingungen – enthalten unter I. 1. folgende Bestimmung:

„Der Käufer ist an die Bestellung höchstens bis 4 Wochen, bei Nutzfahrzeugen bis 6 Wochen, gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist. Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, eine etwaige Ablehnung der Bestellung unverzüglich nach Klärung der Lieferbarkeit schriftlich mitzuteilen.”

Mit Schreiben vom 22. September 1986 erklärte der Beklagte, die Bestellung des Wohnmobils sei ungültig, weil der Verkäufer des Klägers ihn getäuscht und er bisher auch noch keine schriftliche Bestätigung erhalten habe.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Nichtabnahme des Fahrzeuges auf Zahlung von 11.652,77 DM Schadensersatz nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Zinsteil stattgegeben: Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Mit seiner – zugelassenen – Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen sei. Der Kläger habe das in der Bestellung vom 21. August 1986 liegende Angebot auf Abschluß eines Kaufvertrages durch die Auftragsbestätigung vom 12. September 1986, selbst wenn sie dem Beklagten zugegangen sei, nicht rechtzeitig angenommen. Da der Beklagte auch bei einer Rückfrage des Klägers bei dem nicht in Hamburg ansässigen Hersteller mit einer Entscheidung über die Annahme des Angebotes bis spätestens 8. September 1986 habe rechnen dürfen, sei die vom Kläger behauptete Annahme vom 12. September 1986 verspätet erfolgt (§ 147 Abs. 2 BGB). Auf eine Annahmefrist von vier Wochen könne sich der Kläger nicht berufen; die diesbezügliche Klausel im Bestellschein und in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen verstoße gegen § 10 Nr. 1 AGBG und sei damit unwirksam, weil die Bindungsfrist des Käufers unangemessen lang sei.

II.

Die Begründung des Berufungsgerichts rechtfertigt die Klagabweisung nicht.

1. Für das Zustandekommen eines Vertrages unter Abwesenden gilt die Regel des § 147 Abs. 2 BGB. Danach kann der Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Hat der Antragende, wie hier der Beklagte, für die Annahme des Antrage eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb dieser Frist erfolgen, § 148 BGB. Da der Beklagte sich für die Dauer von „vier Wochen” bzw. „höchstens vier Wochen” an die Bestellung vom 21. August 1986 gebunden hat, kommt es auf die Wahrung der gesetzlichen Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB nur an, wenn die im Bestellformular des Klägers enthaltene Klausel über die Bindungsfrist des Bestellers unwirksam wäre und an ihre Stelle gemäß § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzliche Regelung des § 147 Abs. 2 BGB träte (BGH, Urteil vom 6. März 1986, – III ZR 234/84 = WM 1986, 577, 579 = NJW 1986, 1807, 1808 unter III 2; vgl. auch Senatsurteil vom 19. September 1983 – VIII ZR 84/82 = WM 1983, 1153, 1154 unter II 1 a bb). Das ist nicht der Fall.

a) Ist die Annahmefrist wesentlich länger als die in § 147 Abs. 2 BGB umschriebene, übersteigt sie also den Zeitraum erheblich, der für die Übermittlung der Erklärungen notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, so ist diese Fristbestimmung nur dann wirksam, wenn der Verwender daran ein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muß (BGH, Urteil vom 6. März 1986 a.a.O. m. w. Nachw:; BGH, Urteil vom 24. März 1988 – III ZR 21/87 = WM 1988, 607, 609 = NJW 1988, 2106, 2107 unter II 2 = BGHR AGBG § 10 Nr. 1 Darlehensvertrag 1). Es mag sein, daß, wie das Berufungsgericht annimmt, die formularmäßig ausbedungene vierwöchige Bindungsfrist des Beklagten als Käufer des Wohnmobils die gesetzliche Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB nicht unerheblich übersteigt. Diese Fristüberschreitung ist jedoch entgegen der Ansicht der Vorinstanz, die auch in Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung vertreten wird (vgl. Palandt/Heinrichs, AGBG, 48. Aufl. § 10 Anm. 1 b aa mit Hinweis auf Landgericht Hamburg, NJW 1988, 1150; Erman/Hefermehl, 8. Aufl. § 10 Nr. 1 AGBG Rdnr. 5; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 5. Aufl. Anh. § 9 bis 11 Rdnr. 438; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 3. Aufl. Rdnr. 10), durch eine Reihe organisatorischer Maßnahmen gerechtfertigt, die die ordnungsgemäße Bearbeitung der Bestellung von neuen Kraftfahrzeugen erfahrungsgemäß mit sich bringt. Da die bestellten Neuwagen im Regelfall nicht vorrätig sind, sondern im Zuge längerfristiger Planungen des Herstellers produziert werden, muß der Kraftfahrzeughändler durch Rückfrage bei diesem feststellen, ob das Fahrzeug in der gewünschten Ausstattung und vor allem in der gewünschten Zeit geliefert werden kann. So war es auch hier. Der Kläger mußte die Bestellung an die Herstellerin, die Firma E…-H… GmbH in B… W…, weiterleiten und deren Bestätigung abwarten, ob das Fahrzeug in der gewünschten Ausstattung und zum gewünschten Termin geliefert werden konnte. Darüber können durchaus zwei Wochen vergehen. Hinzu kommt die Zeit zur abschließenden Klärung der Finanzierung des Kaufpreises, die der Kraftfahrzeughändler regelmäßig „mitliefern” muß, sowie der Verwertbarkeit eines in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs und, bei Abzahlungsgeschäften, die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Käufers. Um eine sorgfältige ohne Zeitdruck erfolgende Bearbeitung des Antrags des Kraftfahrzeugkäufers sicherzustellen, ist daher grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Verkäufers an einer vierwöchigen Bindungsfrist des Käufers anzuerkennen. Die schutzwürdigen Interessen des Käufers werden dadurch nicht unangemessen beeinträchtigt. Dieser kann zwar während der Dauer der Bindungsfrist von anderen, eventuell günstigeren Angeboten keinen Gebrauch machen. Im Regelfall wird der Käufer jedoch, bevor er sich zu einer festen Bestellung entschließt, Verhandlungen mit mehreren Kraftfahrzeugverkäufern führen und das Fahrzeug bei dem Händler bestellen, der ihm die günstigsten Bedingungen einräumt. Da der Preis für Neuwagen ab Werk von den Herstellern längerfristig „empfohlen” wird, ist der Käufer der Gefahr von Preisschwankungen zu seinen Ungunsten während der vierwöchigen Bindung nicht ausgesetzt.

Der Senat schließt sich daher der überwiegend vertretenen Auffassung an, daß die vierwöchige Bindungsfrist des Kfz-Käufers im Neuwagengeschäft noch als angemessen hingenommen werden kann (Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 10 Nr. 1 Rz. 15; von Westphalen in Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner AGB-Gesetz z. Aufl. § 10 Nr. 1 Rdnr. 12 und 13; derselbe, Neuwagen-Verkaufsbedingungen Rdnr. 1; Schlosser/Coester-Waltjen/Grabe AGB-Gesetz § 10 Nr. 1 Rdnr. 10; Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1982 S. 244 f.; Staudinger/Schlosser 12. Aufl. § 10 Nr. 1 AGBG Rz. 10, 11; Jauernig/Teichmann 4. Aufl. AGBG § 10 Anm. 1 a aa; Creutzig, Recht des Autokaufs 1980 Anm. 111; Reuter DB 1979, 2069; Walchshöfer WM 1986, 1041, 1044; so schon beiläufig auch BGHZ 93, 29, 44; zu den Besonderheiten des Kraftfahrzeughandels siehe auch Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 – VIII ZR 229/80 = WM 1982, 9, 12 = NJW 1982, 331, 333 unter IV 2, in BGHZ 82, 21 ff. nicht abgedruckt).

b) Daß die Bestellung des Beklagten vom 21. August 1986 kein in großer Serie gefertigtes Kraftfahrzeug, sondern ein Wohnmobil betraf, das von der Herstellerin auf einem von der Firma Mercedes-Benz fabrizierten Fahrgestell in kleinen Stückzahlen gebaut wird, führt entgegen der Ansicht des Beklagten zu keiner anderen Beurteilung. Gerade die Notwendigkeit, daß die Herstellerin das Fahrgestell eines bei ihr bestellten Wohnmobils erst bei einem anderen Produzenten ordern muß, führt nach der Lebenserfahrung im Regelfall zu einer Verzögerung der Bearbeitung des Kaufantrags, so daß hierdurch eine längere Bindungsfrist des Käufers eines Wohnmobils um so mehr gerechtfertigt ist.

2. Das angefochtene Urteil war somit, da das Berufungsgericht eigene Feststellungen zu dem vom Beklagten weiterhin bestrittenen Zugang der Auftragsbestätigung des Klägers vom 12. September 1986 sowie zur Anfechtbarkeit der Bestellung durch den Beklagten nicht getroffen hat, aufzuheben und die Sache zur anderweiten Entscheidung, auch über die Rosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609734

BGHZ, 359

BB 1990, 375

NJW 1990, 1784

ZIP 1990, 241

JZ 1990, 249

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