Rz. 71

Ob und inwieweit einer/einem Rechtsanwaltsfachangestellten das vorprozessuale Inkasso (Forderungseinzug) von Forderungen übertragen werden kann, hängt allein von den Fähigkeiten und der Sachkunde der Rechtsanwaltsfachangestellten ab. Es besteht die Gefahr, dass Forderungen geltend gemacht werden, die nicht oder nicht so bestehen, wie sie in dem vorprozessualen Schreiben bezeichnet sind. Daher ist für das selbstständige Bearbeiten solcher Mandate durch Rechtsanwaltsfachangestellte sicherzustellen, dass diese über die entsprechenden Kenntnisse verfügen. Eine spätere Korrektur von falschen Zahlen oder Ansprüchen im Prozess ist nicht nur schwierig, zeitaufwendig und unter Umständen mit Kosten verbunden, sondern hinterlässt auch beim Mandanten das Gefühl, nicht bei einer kompetenten Kanzlei aufgehoben zu sein. Dies ist aber für den Fortbestand eines Mandats und für neue Aufträge unabdingbar.

 

Rz. 72

Natürlich kann es insbesondere bei Inkassoforderungen, die gleichförmig immer wieder vorkommen, sinnvoll sein, die Aufforderungsschreiben mit entsprechenden Textbausteinen durch Rechtsanwaltsfachangestellte fertigen zu lassen. Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass der Anwalt oder Bürovorsteher/Rechtsfachwirt vor Fertigung des Schreibens die Unterlagen des Mandanten daraufhin überprüft, ob irgendwelche Schwierigkeiten hinsichtlich der Forderung bestehen. Ist dies der Fall, müssen Rechtsanwaltsfachangestellte im Einzelnen angewiesen werden, welche Forderung wie geltend gemacht werden soll.

 

Rz. 73

Zu beachten sind bei Inkassodienstleistungen gegenüber Privatpersonen die Anforderungen an den Inhalt der Aufforderungsschreiben gem. § 43d BRAO, der seit dem 1.11.2014 gilt. Neben konkreten Mandatsdaten sind auch Forderungsgrund und -höhe anzugeben; bei Einforderung einer Kostenerstattung mit Umsatzsteuer ist die Erklärung über fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung mit dem ersten Aufforderungsschreiben abzugeben.

 

Rz. 74

Weiterhin sollte der Anwalt spätestens vor Fertigung des gerichtlichen Mahnantrages das Aufforderungsschreiben nochmals auf seine sachliche Richtigkeit hin überprüfen, um so zu vermeiden, dass eventuell falsche Zahlen oder Bezeichnungen in den Mahnantrag übernommen werden. Auch wird das Stellen eines Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides oft als sehr einfache Tätigkeit bewertet. Das ist es aber nicht immer. Wird eine Forderung im Mahnantrag nämlich nicht hinreichend individualisiert, hat der Mahnantrag, auch wenn er rechtzeitig vor Jahresende eingereicht wird, keine verjährungshemmende Wirkung. Etwaige Fehler können dann auch nicht im Erkenntnisverfahren nach Widerspruch oder Einspruch "repariert" werden. Mit hinreichender Individualisierung ist gemeint, dass der Mahnantrag die Forderung so genau bezeichnen muss, dass der Schuldner konkret zuordnen kann, welche Forderung ihm gegenüber geltend gemacht wird. Gerade bei hohen Forderungen und Mahnbescheiden, die am Jahresende zur Verjährungshemmung eingereicht werden, ist daher besondere Vorsicht geboten und im Zweifel der Anwalt zu befragen.

 

Rz. 75

Ebenso sollte sich eine Rechtsanwaltsfachangestellte bei auftretenden Schwierigkeiten nicht scheuen, den Bürovorsteher/Rechtsfachwirt oder den Anwalt nach klaren Anweisungen zu fragen.

 

Rz. 76

Die Erstellung/Buchung und Bearbeitung von Forderungskonten sowie deren Pflege ist eine ebenfalls häufige Tätigkeit.

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